OGH 15Os143/11k

OGH15Os143/11k16.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kopinits als Schriftführer in der Strafsache gegen Hasan A***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 54 Hv 10/09y des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen die Durchführung der Hauptverhandlung und die Urteilsfällung vom 5. November 2009 (ON 32) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, und des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren AZ 54 Hv 10/09y des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzen die Durchführung der Hauptverhandlung gegen Hasan A***** sowie die Urteilsfällung am 5. November 2009 § 17 Abs 1 StPO.

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. November 2009, GZ 54 Hv 10/09y-32, wird ersatzlos aufgehoben und dem Landesgericht für Strafsachen Wien die Weiterführung des Strafverfahrens gegen den Angeklagten Süleyman G***** aufgetragen.

Text

Gründe:

Im Verfahren AZ 54 Hv 10/09y des Landesgerichts für Strafsachen Wien legte die Staatsanwaltschaft mit Strafantrag vom 22. Jänner 2009 Hasan A***** das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I./) und Süleyman G***** das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./) zur Last.

Danach „haben am 22. Dezember 2008 in Wien

I./ Hasan A***** den Süleyman G***** gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er in seiner rechten Hand einen noch näher festzustellenden Metallgegenstand hielt, mit seinen Händen und Füßen gegen das Fahrzeug des G***** schlug bzw trat und dabei immer wieder schrie, dass er diesen umbringen werde;

II./ Süleyman G***** Hasan A***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er mit seinem Pkw gegen das rechte Bein des A***** fuhr, wodurch dieser einen Bluterguss am rechten Schien- bzw Wadenbein erlitt“ (ON 3).

Am 4. Mai 2009 erschien lediglich der Angeklagte Hasan A*****, sodass die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien die Hauptverhandlung auf unbestimmte Zeit vertagte (ON 8) und mit Verfügung vom 1. Juli 2009 hinsichtlich Süleyman G***** die Abbrechung des Verfahrens gemäß § 197 Abs 1 StPO sowie die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung im Inland verfügte (ON 1 S 6).

In der gegen den Angeklagten Hasan A***** geführten Hauptverhandlung vom 27. Juli 2009 wurde dieser von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen, er habe in Wien

„I./ am 22. Dezember 2008 den Süleyman G***** gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er in seiner rechten Hand ein Handy hielt, mit seinen Händen und Füßen gegen das Fahrzeug des Süleyman G***** schlug bzw trat und dabei immer wieder schrie, dass er diesen umbringen werde und

II./ am 14. November 2008 Süleyman G***** durch die Äußerung, „solltest du dich mit meiner Ex-Frau weiterhin treffen und mit ihr sprechen, werde ich dich umbringen“, mithin durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Körperverletzung zu einer Unterlassung, nämlich keinen Kontakt mehr zu seiner Ex-Frau zu halten, zu nötigen versucht“, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (ON 18).

Das Urteil erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Nach Ausforschung des Süleyman G***** verfügte die Einzelrichterin dessen Ladung zur Hauptverhandlung als Angeklagten und - unter anderem - des Hasan A***** als Zeugen (ON 23 bzw ON 1 S 7).

In der Hauptverhandlung am 5. November 2009 wurde (wovon der Oberste Gerichtshof entgegen der Stellungnahme der Einzelrichterin [ON 37] nach erfolgter Aufklärung ausgeht [ON 32, 35, 36, 39, 41, 42, 43]) Hasan A***** derselben Taten, die Gegenstand des zuvor erwähnten Freispruchs vom 27. Juli 2009 waren, schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt, deren Vollzug gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde (ON 32). Auch dieses Urteil erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Über den den Angeklagten Süleyman G***** betreffenden Punkt II./ des Strafantrags ON 3 hat das Gericht bislang nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, wurde im Verfahren AZ 54 Hv 10/09y des Landesgerichts für Strafsachen Wien das Gesetz verletzt:

Nach § 17 Abs 1 StPO ist die neuerliche Verfolgung desselben Verdächtigen wegen derselben Tat nach rechtswirksamer Beendigung eines Strafverfahrens - unbeschadet der Bestimmungen über die Fortsetzung, die Fortführung, die Wiederaufnahme und die Erneuerung des Strafverfahrens sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes (Abs 2) - unzulässig.

Das Strafverfahren gegen Hasan A***** wurde durch den am 27. Juli 2009 unbekämpft gebliebenen Freispruch von den zuvor bezeichneten Vorwürfen (ON 18) rechtswirksam beendet (Birklbauer, WK-StPO § 17 Rz 42). Der Durchführung der Hauptverhandlung gegen Hasan A***** am 5. November 2009 und der Urteilsfällung am selben Tag wegen derselben Taten, die bereits Gegenstand des rechtskräftig gewordenen Urteils vom 27. Juli 2009 (ON 18) waren, stand der in § 17 Abs 1 StPO normierte Grundsatz „ne bis in idem“, mithin das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache, entgegen (RIS-Justiz RS0124619).

Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. November 2009 ersatzlos aufzuheben und diesem die Weiterführung des Verfahrens gegen Süleyman G***** aufzutragen.

Die vom kassierten Urteil rechtslogisch abhängigen Entscheidungen und Verfügungen gelten damit gleichfalls als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).

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