OGH 15Os13/99

OGH15Os13/9911.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. März 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Matz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jean Remo D***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 26. November 1998, GZ 6 Vr 2582/98-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten Jean Remo D***** und der Verteidigerin Mag. Scheed zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen, jedoch aus deren Anlaß gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der zu 1. und 2. des Ersturteils beschriebenen strafbaren Handlungen und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO insoweit in der Sache selbst erkannt:

Jean Remo D***** hat durch die zu 1. und 2. des Schuldspruchs als erwiesen angenommenen Tatsachen das Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB begangen und wird hiefür nach § 131 erster Strafsatz StGB unter Anwendung von § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 (acht) Monaten verurteilt.

Die Aussprüche über die Vorhaftanrechnung, den Verfahrenskostenersatz erster Instanz und über den Privatbeteiligtenzuspruch werden aus dem erstgerichtlichen Urteil übernommen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jean Remo D***** - der insoweit verfehlten Anklageschrift folgend - des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach § (zu ergänzen: § 127) 131 erster Fall StGB (1.) und des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (2.) schuldig erkannt, weil er in Graz anderen fremde bewegliche Sachen mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz weggenommen hat, nämlich

1. am 31. Juli 1998 Berechtigten der Kaufhauses G***** Textilien im Gesamtwert von 4.335 S, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat dadurch, daß er mit der Faust gegen die Innenseite des rechten Armes der Katrin J***** schlug, die sein Fahrrad festhalten wollte, Gewalt gegen eine Person angewendet hat, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten;

2. am 7. oder 10. August 1998 Berechtigten des Kaufhauses K***** & Ö***** eine Sonnenbrille im Wert von 499 S.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) und der nominell auf Z 9 lit a gestützten Rüge, die insgesamt bloß (vermeintliche) Begründungsmängel geltend machen, war das Erstgericht im Sinne des Gebotes des § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht verpflichtet, zu einem von der Beschwerdeschrift aufgegriffenen, isoliert herausgelösten Teil der Aussage der Zeugin Waltraud W*****, wonach das Preisetikett nur ausnahmsweise über Wunsch eines Kunden auf dem (odnungsgemäß gekauften) Artikel belassen wird (S 180 unten bis 181 oben), im Urteil Stellung zu beziehen. Der Beschwerdeführer hat nämlich einerseits den Diebstahl der Sonnenbrille stets in Abrede gestellt, andererseits steht der zitierte Aussageinhalt weder zur Verantwortung des Angeklagten noch zu anderen Beweisergebnissen oder einer Urteilsfeststellung in Widerspruch (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 7 f uam).

Soweit die Erkenntnisrichter mit zureichender und denkmöglicher Begründung nur die Täterschaft des Angeklagten zum Diebstahl der Sonnenbrille feststellten (US 5 zweiter Absatz iVm US 8 f), nicht aber auch, auf welche Weise es ihm gelungen war, diese aus dem Geschäft zu verbringen, liegt keine offenbar unzureichende Begründung vor. Denn der Beschwerdeeinwand berührt insoweit keine für die Schuld oder den anzuwendenden Strafsatz maßgebenden Umstand. Genug daran, daß der Angeklagte den Urteilskonstatierungen zufolge das Diebsgut unbemerkt gestohlen hat. Dabei versagt die geforderte Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" nicht nur deshalb, weil damit im Nichtigkeitsverfahren unzulässig eine Beweiswürdigungsmaxime ins Spiel gebracht wird, sondern vor allem, weil das Schöffengericht nach einer ausführlichen und kritischen Gesamtbeurteilung aller Verfahrensergebnisse, den Regeln der freien Beweiswürdigung gemäß § 258 Abs 2 StPO entsprechend, keinen Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten hatte (abermals US 8 f). Von einer willkürlichen Annahme des Erstgerichtes zu seinen Lasten oder von einem formalen Begründungsmangel kann daher keine Rede sein.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) hinwieder trachtet vergeblich unter Hervorhebung eines für sich allein betrachteten Details aus der Aussage der Zeugin Silvia K***** vor dem Untersuchungsrichter, wonach sich bereits am Vormittag des 31. Juli 1998 zwei Schwarzafrikaner - darunter einer mit auffällig blondiertem Haar - im Kaufhaus G***** aufgehalten hätten (S 151), eine der mehreren, insgesamt tragfähigen erstgerichtlichen Beweiswürdigungskomponenten (US 6 oben) zu erschüttern, derzufolge es gerichtsnotorisch sei, daß Personen mit einem derartigen Aussehen in der Grazer Bevölkerung als eher selten zu bezeichnen seien (vgl hiezu eine diese Ansicht bestätigende Äußerung der Waltraud W***** S 180: "Ich habe vorher noch nie einen Schwarzafrikaner mit blonden Haaren gesehen").

Damit werden keine sich aus den Akten ergebenden, erheblichen Bedenken gegen die konstatierte Täterschaft des Angeklagten in bezug auf den Diebstahl zum Nachteil des Kaufhauses G***** (1.) erweckt, noch Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufgezeigt, die unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandegekommen sind. In Wirklichkeit zielt das Vorbringen - erneut unter unzulässiger Berufung auf den Zweifelsgrundsatz - bloß auf die auch unter diesem Anfechtungspunkt nicht statthafte Bekämpfung der tatrichterlichen Lösung der Schuldfrage ab (vgl Mayerhofer aaO § 281 Z 5a E 1 ff).

Die nominell auf Z 9 lit a gegründete Rechtsrüge vermißt im Urteil die Auseinandersetzung mit der Tatsache, "daß die beschlagnahmte Sonnenbrille trotz des angebrachten Preisetiketts nicht die Tatsache ausschließt, daß diese gekauft worden ist". Damit macht sie in Wahrheit eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung geltend. Soweit sie aber "Feststellungen" dahin fordert, "ob die Sonnenbrille auch trotz angebrachten Preisetiketts ordnungsgemäß verkauft werden hätte können", befaßt sie sich nur mit einer theoretisch möglichen Sachverhaltsvariante, die aber in keinem Sachzusammenhang mit den Urteilskonstatierungen steht, wonach das Preisetikett nicht entfernt worden war und der Angeklagte die Sonnenbrille mit aufgeklebtem Preisschild tatsächlich gestohlen hat (US 5, 8).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlaß überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon, daß durch die gesonderte rechtliche Unterstellung der Urteilssachverhalte zu 1. und 2. des Schuldspruchs als Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB und zusätzlich als Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB das Strafgesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO). Hiezu genügt es, auf die ständige und gefestigte Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu § 29 StGB zu verweisen (vgl RZ 1997/83 uvam), wonach die getrennte Annahme eines Verbrechens des Diebstahls neben einem Vergehen des Diebstahls dem Gesetz widerspricht. Dem Angeklagten fällt daher nur das Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB zur Last.

Die vom Erstgericht vorgenommene gesonderte rechtliche Subsumtion der beiden Diebstahlsfakten gereicht dem Angeklagten insofern zum Nachteil (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO), als bei der Strafbemessung als erschwerend zusätzlich das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen angenommen wurde (vgl Mayerhofer aaO § 290 E 35a insbesonders zweiter Absatz mit Judikaturhinweisen).

Bei der durch die Aufhebung des Strafausspruchs notwendig gewordenen Strafneubemessung, auf die der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen war, wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Wiederholung der diebischen Angriffe, eine einschlägige Vorstrafe und die neuerliche Vermögensdelinquenz relativ kurz nach Erlassung einer Strafverfügung durch das Bezirksgericht für Strafsachen Graz vom 27. April 1998, GZ 5 U 190/98y-4, sowie während einer (am 24. Juli 1998 bewilligten) Ratenzahlung der Geldstrafe; mildernd war demgegenüber lediglich die Sicherstellung der Sonnenbrille. Von einer Selbststellung im Sinne des § 34 Abs 1 Z 16 StGB kann unter den gegebenen Umständen keine Rede sein (S 23, 61, 83).

In Abwägung der Zahl und des Gewichtes der aufgezählten Strafzumessungsgründe entspricht die mit acht Monaten verhängte Freiheitsstrafe sowohl dem Unrechtsgehalt der Straftaten als auch der personalen Täterschuld des Angeklagten. Der Ausspruch über die Vorhaftanrechnung war aus dem Ersturteil zu übernehmen.

Das einschlägig getrübten Vorleben, sein rasches Abgleiten in die verhältnismäßig schwere Eigentumskriminalität, die Persönlichkeitsstruktur des Täters und sein wenig gesichertes soziales Umfeld in Freiheit lassen dem Angeklagten D***** derzeit keine günstige Verhaltensprognose erstellen, weshalb vor allem aus spezialpräventiven Gründen weder die Gewährung einer teilbedingten (§ 43a StGB) noch eine gänzlich bedingte Strafnachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) möglich ist.

Der Ausspruch über den Privatbeteiligtenzuspruch an das bestohlene Unternehmen sowie die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Verfahrens erster Instanz waren aus dem erstgerichtlichen Urteil zu übernehmen.

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