OGH 15Os13/91 (15Os14/91)

OGH15Os13/91 (15Os14/91)4.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.April 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Springer als Schriftführer, in der Strafache gegen Karl N***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und Abs. 3 (§ 81 Z 1) StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Vorgang, daß in der Ausfertigung des Urteils des Bezirksgerichtes Horn vom 9.März 1990, GZ U 101/89-9, abweichend von der mündlichen Verkündung ein Strafausspruch von vier Wochen (anstatt vier Monaten) Freiheitsstrafe angeführt wurde, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, sowie des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren AZ U 101/89 des Bezirksgerichtes Horn wurde durch den in der - dem Berufungsurteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 25.September 1990, AZ 11 Bl 67/90, zugrunde gelegten - Urteilsausfertigung ON 9 enthaltenen, von der mündlichen Verkündung abweichenden Ausspruch einer Freiheitsstrafe von vier Wochen (statt richtig: vier Monaten) das Gesetz in dem sich aus § 270 Abs. 1 und Abs. 2 Z 4 iVm §§ 260 Abs. 1 Z 3, 458 Abs. 5 StPO ergebenden Grundsatz der Bindung des Gerichtes an das verkündete Urteil verletzt.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Horn vom 9.März 1990, GZ U 101/89-9, wurde Karl N***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und Abs. 3 (§ 81 Z 1) StGB schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (S 51) und der Begründung eines Beschlusses des Bezirksgerichtes Horn vom 27. April 1990 (S 73) sowie der vom Obersten Gerichtshof gemäß § 285 f StPO eingeholten Stellungnahmen des Richters und des Schriftführers des Bezirksgerichtes Horn und der Bezirksanwältin beim Bezirksgericht Horn wurde in der mündlichen Verkündung des Urteils über Karl N***** eine Freiheitsstrafe von vier Monaten verhängt, die gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

In Abweichung vom verkündeten Urteil enthält jedoch die Urteilsausfertigung den Ausspruch einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von vier Wochen (S 55).

Wiewohl diese Divergenz aus den Akten unschwer erkennbar war (S 51 und 55), wurde sie weder von der Staatsanwaltschaft bei Ausführung und Vortrag ihrer die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht begehrenden Berufung (S 77 ff und 84), noch vom Kreisgericht Krems an der Donau als Berufungsgericht anläßlich der Entscheidung über dieses Rechtsmittel wahrgenommen. Das Berufungsgericht ging vielmehr in seinem Urteil vom 25. September 1990, AZ 11 Bl 67/90 (= GZ U 101/89-16 des Bezirksgerichtes Horn), mit dem (ua) der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und die bedingte Strafnachsicht aus dem Ersturteil ausgeschaltet wurde, vom (unrichtigen) Strafausmaß von vier Wochen aus.

Durch den von der Verkündung abweichenden Strafausspruch in der Urteilsausfertigung verstieß das Bezirksgericht Horn gegen den Grundsatz der Bindung des Gerichtes an das verkündete Urteil (§ 270 Abs. 1 und Abs. 2 Z 4 iVm §§ 260 Abs. 1 Z 3, 458 Abs. 5 StPO). Die Bestimmung des § 268 (Abs. 1) StPO wurde allerdings - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht verletzt; die mündliche Verkündung des Urteils entsprach nach dem oben dargestellten Sachverhalt dieser Bestimmung.

Rechtliche Beurteilung

Die augenscheinlich durch einen Diktat- oder Schreibfehler verursachte Abweichung in der Urteilsausfertigung, die als solche keine Nichtigkeit (§ 468 Abs. 1 StPO) bewirkt (Mayerhofer/Rieder StPO2 E 6 zu § 468), wäre jederzeit zu berichtigen gewesen (§ 270 Abs. 4 iVm § 458 Abs. 5 StPO), allerdings nur bis zur Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes (vgl. Foregger-Serini StPO4 Erl. IX zu § 270); eine Berichtigung kommt daher vorliegend nicht (mehr) in Betracht, sondern nur die Feststellung der unterlaufenen Gesetzesverletzung.

Die Generalprokuratur begehrte in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde nicht nur diese Feststellung, sondern darüber hinaus die Aufhebung des Urteils des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 25. September 1990, soweit darin über die Berufung der Staatsanwaltschaft entschieden wurde, und die Erteilung des Auftrages an das Bezirksgericht Horn und das Kreisgericht Krems an der Donau, dem Gesetz gemäß zu verfahren.

Der Oberste Gerichtshof vermochte sich diesen auf einen Ausspruch gemäß § 292 letzter Satz StPO gerichteten Begehren nicht anzuschließen, weil damit die rechtliche Möglichkeit einer Benachteiligung des Verurteilten eröffnet werden könnte:

Im Fall einer Angleichung der Ausfertigung des Urteils des Bezirksgerichtes Horn an das verkündete Urteil (mit vier Monaten bedingt nachgesehener Freiheitsstrafe) stünde nämlich die Möglichkeit offen, daß das Kreisgericht Krems an der Donau als Berufungsgericht aufgrund der vom Staatsanwalt erhobenen Berufung (erneut) die bedingte Strafnachsicht ausschalten könnte (im berufungsgerichtlichen Urteil vom 25.September 1990 wurde ausgeführt, daß bereits die Persönlichkeit und das Vorleben des Verurteilten eine bedingte Strafnachsicht nicht mehr zuließen). Selbst unter der Annahme aber, daß das Berufungsgericht der Berufung der Staatsanwaltschaft nicht Folge gäbe, stünde weiterhin die Möglichkeit im Raum, daß die bedingte Strafnachsicht gemäß § 53 Abs. 1 StGB oder gemäß § 55 Abs. 1 StGB widerrufen werden könnte. In jeder der bezeichneten Konstellationen hätte somit der Verurteilte eine Freiheitsstrafe von vier Monaten zu verbüßen, wäre demnach gegenüber dem Inhalt des berufungsgerichtlichen Urteils vom 25.September 1990 schlechtergestellt.

Aus den angeführten Gründen hat es daher bei dem wenngleich auf unrichtiger Grundlage gefällten Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 25.September 1990, AZ 11 Bl 67/90, zu verbleiben; das Bezirksgericht Horn wird bei seinen weiteren Verfügungen daher davon auszugehen haben, daß Karl N***** (rechtskräftig) zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von vier Wochen verurteilt worden ist.

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