OGH 15Os139/12y

OGH15Os139/12y21.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. November 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Scheickl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Granit K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 23. Juli 2012, GZ 22 Hv 112/11b-74, sowie die Beschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Granit K***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 (richtig: Abs 1 und) Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 10. Juli 2011 in H***** Jaqueline H***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie, ihre eindeutige Zurückweisung ignorierend und trotz ihrer körperlichen Gegenwehr, mehrmals am Hals packte, auf sein Bett drückte, wobei er ihr die Arme über den Kopf streckte, sie an beiden Handgelenken niederdrückte und sodann einen (vaginalen) Geschlechtsverkehr durchführte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine mehr als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung in Form einer chronischen posttraumatischen Belastungsstörung zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Ob das Opfer während des Geschlechtsverkehrs geweint hat, betrifft keine entscheidende Tatsache (zum Begriff siehe Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399). Daher vermögen weder die Nichterwähnung der Depositionen des Angeklagten zu diesem Thema (vgl aber die Berücksichtigung der Verantwortung des Angeklagten, er habe einen entgegenstehenden Willen nicht erkennen können: US 7 letzter Absatz) noch das Fehlen einer Begründung für diese Konstatierung Nichtigkeit darzustellen (Z 5 zweiter und vierter Fall).

Mit sich selbst im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) ist ein Urteil, wenn zwischen Feststellungen und deren Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehreren Feststellungen oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen beweiswürdigenden Erwägungen ein Widerspruch besteht (RIS-Justiz RS0119089). Eine Diskrepanz zwischen den Urteilsfeststellungen und der Verantwortung des Angeklagten stellt keinen solchen unter Nichtigkeitsdrohung stehenden Widerspruch dar. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang aus seiner Verantwortung und dem gerichtsmedizinischen Gutachten ON 56 gezogene Schlussfolgerung, die Ausübung von Gewalt während des Vorfalls sei nicht objektivierbar, erweist sich als - im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige - bloße Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Berufung wegen Schuld.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Mit dem neuerlichen Hinweis auf das gerichtsmedizinische Gutachten ON 56, wonach die vorgefundenen Verletzungen des Opfers nicht mit der erforderlichen Sicherheit dem Tatgeschehen zuzuordnen seien (zur Auseinandersetzung der Tatrichter mit diesem Umstand siehe US 15) und darauf, dass ein (vom Tatopfer erwähntes) Tampon nicht in der Wohnung vorgefunden wurde, gelingt es der Beschwerde nicht, solche erheblichen Bedenken zu erwecken.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) davon ausgeht, dass der Geschlechtsverkehr freiwillig erfolgte, ist sie auf die entgegenstehenden Konstatierungen des Erstgerichts zu verweisen (US 5: „... teilte ihm ... mit, dass sie das nicht wolle.“, „... versuchte sich mit ihren Händen zur Wehr zu setzen.“). Die vom Beschwerdeführer vermissten Feststellungen zur subjektiven Tatseite finden sich auf US 6 f.

Das weitere Vorbringen, das Gericht habe dem Angeklagten „zu keinem Zeitpunkt einen bedingten Tatvorsatz nachweisen“ können, vernachlässigt - den Anforderungen an eine prozessordnungskonforme Darstellung dieses Nichtigkeitsgrundes zuwider - die diesen Vorsatz konstatierenden Urteilsannahmen und versucht stattdessen mittels einer Kritik der erstgerichtlichen Beweiswürdigung der leugnenden Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen. Nichts anderes gilt für die Spekulationen des Beschwerdeführers darüber, welches Verhalten für eine „Vergewaltigung mit der subjektiven Absicht nicht entdeckt zu werden“ typisch oder untypisch sei.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden ergibt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO).

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