OGH 15Os137/91

OGH15Os137/916.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Februar 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Westermayer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ivan P***** wegen des Finanzvergehens der teils versuchten, teils vollendeten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1 und 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18.Juni 1991, GZ 6 d Vr 12089/90-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ivan P***** "des teils versuchten, teils vollendeten Vergehens der Abgabenhinterziehung" (richtig: des Finanzvergehens der teils versuchten, teils vollendeten Abgabenhinterziehung) nach §§ 33 Abs. 1 und 13 FinStrG schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich unter Abgabe unrichtiger Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1980 bis 1983 die im angefochtenen Urteil näher aufgeschlüsselten Abgabenverkürzungen um insgesamt 8,653.958 S bewirkt (1980) bzw. zu bewirken versucht (1981 bis 1983).

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der schon aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zukommt.

Zutreffend wendet sich nämlich der Angeklagte in seiner Rechtsrüge, inhaltlich damit aber eine Mängelrüge ausführend (siehe dazu Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, FinStrG, § 55, E 11a und 11b), gegen die vom Erstgericht - an sich in Übereinstimmung mit der bisherigen ständigen Rechtsprechung (vgl. Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, aaO, E 1-7, 10a-11, 17a, 18b und 18c) - jedenfalls der Sache nach vertretene Auffassung über die grundsätzliche Präjudizialität der rechtskräftigen endgültigen Abgabenfestsetzung durch die Finanzbehörde im nachfolgenden gerichtlichen Strafverfahren. Der Oberste Gerichtshof ist indes mit Entscheidung (eines verstärkten Senates) vom 21.November 1991, GZ 14 Os 127/90-17

( = NRsp 1991/259), von seiner bisherigen Rechtsprechung abgegangen und hat ausdrücklich ausgesprochen, daß rechtskräftigen Abgabenfestsetzungsbescheiden für das gerichtliche Finanzstrafverfahren nur die Bedeutung einer (wenngleich qualifizierten) Vorprüfung der Verdachtslage zur objektiven Tatseite (Abgabenverkürzung) zukommt, zu deren ergänzenden Nachprüfung das Gericht mit allen ihm auch sonst nach den Verfahrensvorschriften zu Gebote stehenden Mitteln nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist.

Das Schöffengericht hat in bezug auf die objektive Tatseite lediglich Umstände erörtert, die seiner Ansicht nach für den (vom Angeklagten ohnedies nicht bestrittenen) Bestand einer Abgabenschuld sprechen. Dagegen haben sich die Tatrichter mit der vom Angeklagten stets in Zweifel gezogenen Höhe der ihm angelasteten Abgabenverkürzung, die von der Finanzbehörde im Rahmen einer Betriebsprüfung durch Schätzung (§ 184 BAO) ermittelt worden ist (vgl. den betreffenden Prüfungsbericht, S 2 ff des angeschlossenen Einkommensteueraktes sowie die entsprechenden Festsetzungsbescheide und Rechtsmittelentscheidungen in den angeschlossenen finanzbehördlichen Akten), ungeachtet der ausdrücklichen Berufung des Angeklagten auf weitaus geringere als von der Steuerbehörde veranschlagte Einspielergebnisse von Spielautomaten nicht argumentativ auseinandergesetzt, sondern sich insoweit mit dem bloßen Hinweis auf die sachlich demnach als bindend erachteten Ergebnisse des finanzbehördlichen Festsetzungsverfahrens beschränkt (US 8).

Gleichfalls zu Recht weist der Angeklagte auf einen den Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite anhaftenden formalen Begründungsmangel hin. Die betreffenden Ausführungen des Erstgerichtes beschränken sich nämlich darauf, die verspätete Vorlage der erforderlichen Unterlagen durch den Angeklagten als ungerechtfertigt zu bezeichnen und dessen Aufzeichnungen in einigen Punkten als unvollständig bzw. als "objektiv" unrichtig zu kritisieren. Davon ausgehend werden die Angaben des Angeklagten, soweit sie vom Ergebnis der Betriebsprüfung abweichen, undifferenziert als Schutzbehauptungen abgetan. Daraus wird ohne weitere Begründung gefolgert, daß der Angeklagte mit Verkürzungsvorsatz gehandelt habe. In Wahrheit kann jedoch aus den als erwiesen angenommenen objektiven Tatkomponenten allein keineswegs auf das Vorliegen der subjektiven Tatseite geschlossen werden. Die Tatrichter hätten vielmehr unter Berücksichtigung der bloß fahrlässiges Handeln reklamierenden Einlassungen des Angeklagten sowie aller sonstigen in subjektiver Hinsicht relevanten Verfahrensergebnisse näher begründen müssen, auf Grund welcher Erwägungen sie die Verantwortung des Angeklagten für widerlegt und damit eine vorsätzliche Abgabenverkürzung für erwiesen erachteten.

Angesichts dieser dem Ersturteil anhaftenden Begründungsmängel zeigt sich, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, weswegen gemäß § 285 e StPO der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei der nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben und wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden war.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die auch den Strafausspruch erfassende kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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