OGH 15Os135/05z

OGH15Os135/05z16.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Februar 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gomez Reyes als Schriftführer, in der Strafsache gegen Vlada R***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Nikolaj B***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieses Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. Mai 2005, GZ 23 Hv 32/05z-113, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Nikolaj B***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche der Angeklagten Vlada R***** und Misa P***** sowie einen rechtskräftigen (Teil-)Freispruch des Beschwerdeführers enthält, wurde Nikolaj B***** der Verbrechen des teils vollendeten, teilweise versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB (III./B./) und des versuchten schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs l Z l (richtig:) zweiter Fall, 148 erster Fall StGB (III./C./) sowie der Vergehen der Annahme, der Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter unbarer Zahlungsmittel nach § 241b StGB (III./D./) und der Hehlerei nach § 164 Abs 2 StGB (III./E./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

III./B./ gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen, nämlich übertragbare Fahrscheine, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, „dadurch, dass er an Fahrscheinautoamten mit gefälschten Kreditkarten Mastercard 5489 ***** und 5262 *****, lautend auf David D*****, ausgegeben angeblich von der L***** Bank, zu zahlen vorgab;

l./ am 28. Juli 2004 der W***** KG einen Fahrschein im Wert von 45 Euro weggenommen;

2./ zwischen 16. Juli und 1. August 2004 in elf Angriffen der Ö***** AG und der W***** & Co KG Fahrscheine im Gesamtwert von 723 Euro wegzunehmen versucht;"

III./C./ am 28. Juli 2004 versucht, Verfügungsberechtigte der Fa. S***** durch Täuschung über die Echtheit der Kreditkarte Mastercard 5262 *****, lautend auf David D*****, ausgegeben angeblich von der L***** Bank, indem er „diese Urkunde" (gemeint: dieses falsche unbare Zahlungsmittel) vorlegte, mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, zur vermögensschädigenden Herausgabe von Waren im Wert von 337,90 Euro zu verleiten;

III./D./ falsche unbare Zahlungsmittel mit dem Vorsatz, dass sie im Rechtsverkehr wie echte verwendet werden, besessen, und zwar

l./ am 16., 19. und 28. Juli, am 1. August und am 25. November 2004 die zu III./B./ angeführten Kreditkarten,

2./ am 25. November 2004 darüber hinaus fünf im Urteil im einzelnen bezeichnete auf David D***** sowie eine auf K. T***** lautende Visa-Karten;

E./ im September 2003 an einem nicht mehr feststellbaren Ort in Österreich zehn Mobiltelefone in einem nicht mehr feststellbaren Wert, die der Täter durch Diebstahl, somit eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hat, gekauft.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs l Z 4, 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; diese schlägt fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Beweisantrags auf Einholung eines graphologischen (gemeint: schriftvergleichenden) Sachverständigengutachtens (S 85, 87, 91/III) der Sache nach zum Beweis dafür, dass nicht der Angeklagte, sondern eine andere Person die gegenständliche Kreditkarte verwendet habe Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Der Beschwerde zuwider hat das Schöffengericht sein in der Hauptverhandlung ergangenes Zwischenerkenntnis ordnungsgemäß begründet und daher nicht gegen § 238 Abs 2 StPO verstoßen (S 93/III). Im Übrigen steht die Einhaltung der Formvorschrift des § 238 Abs 2 StPO per se nicht unter Nichtigkeitssanktion und kann nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO nur dann releviert werden, wenn der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung einen just darauf abzielenden Antrag gestellt hat (vgl Danek, WK-StPO § 238 Rz 8).

Der Antrag wurde auch inhaltlich zu Recht abgewiesen. Das von der Beschwerde (nur mehr) relevierte (einzige vollendete) Diebstahlsfaktum III./B./1./ betrifft einen Fahrscheinkauf bei einem Automaten der Wiener Linien. Es ist allgemein bekannt, dass es bei Zahlungsvorgängen mittels Kreditkarte bei Fahrscheinautomaten der ÖBB und der Wiener Linien generell zu keiner Unterfertigung von Belegen durch den Kreditkarteninhaber kommt. Anhaltspunkte dafür, dass es im konkreten Fall anders gewesen sei, sind weder den vorliegenden Verfahrensergebnissen zu entnehmen, noch wurden sie im Antrag dargetan, dem somit nicht zu entnehmen ist, warum zu erwarten sei, dass die begehrte Beweisaufnahme das gewünschte Ergebnis erbringen könne. Die Beschwerdebehauptung, der Angeklagte habe in seiner Verantwortung die Existenz eines unterschriebenen Kreditkartenbelegs behauptet, ist falsch (S 529/II).

Der Mängelrüge (Z 5) zu III./B./ und III./C./ zuwider haben die Tatrichter die Täterschaft des Beschwerdeführers nicht allein auf den Umstand gestützt, dass die entsprechenden Kreditkartenfalsifikate bei seiner Festnahme in seinem Besitz waren, sondern auch aus Teilen der Verantwortung dieses Angeklagten zulässige, nämlich nicht gegen die Grundsätze logischen Denkens oder grundlegende Erfahrungen verstoßende Schlussfolgerungen gezogen (US 23). Sie waren dabei - dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - nicht verhalten, sich mit den Beweisergebnissen in Richtung aller denkbaren Schlussfolgerungen auseinander zu setzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428) und mussten sich demgemäß auch nicht argumentativ mit dem Umstand beschäftigen, dass der Angeklagte die Kreditkarten trotz ihrer Nichtakzeptanz bei verschiedenen Zahlungsversuchen weiter behielt. Dem Vorwurf unrichtiger und unzureichender Wiedergabe der Verantwortung des Angeklagten R***** zuwider hat sich das Schöffengericht mit der der Sache nach richtig dargestellten Einlassung des Genannten zureichend auseinandergesetzt (US 22). Eine Verpflichtung zum wörtlichen Referat des Inhalts der Aussage eines Angeklagten oder Zeugen im Urteil ist der Prozessordnung hingegen nicht zu entnehmen. Letztlich bekämpft die Beschwerde mit ihren Erwägungen zur Glaubwürdigkeit und Plausibilität der Angaben des genannten Mitangeklagten die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Zum Faktum III./E./ kritisiert die Mängelrüge ein Fehlen der Erörterung der Verfahrensergebnisse über die Ausweisleistung des Angeklagten sowie seine Preisgestaltung beim Weiterverkauf der Mobiltelefongeräte, übersieht aber dabei, dass dem Beschwerdeführer nicht dieser, sondern sein vorangegangener Ankauf als Vergehen der Hehlerei zur Last liegt. Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite hiezu hat das Erstgericht aber mit der „ungewöhnlichen Vorgangsweise beim Erwerb" (US 25) keineswegs unzureichend begründet, zumal der Beschwerdeführer weder gegenüber den Zeugen Nuri und Yalcin C***** noch vor Gericht imstande war, einen Herkunftsnachweis zu erbringen oder zumindest einen Namen oder sonstige Daten des behaupteten Verkäufers zu nennen.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) geht nicht von den getroffenen Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit zu III./B./ (US 17) und III./C./ (US 18) aus, sondern bekämpft diese mit eigenständigen beweiswürdigenden Erwägungen zur Einkommenssituation des Angeklagten nach Art einer Schuldberufung. Mangels Vergleichs der tatsächlichen Urteilsannahmen mit dem darauf angewendeten Gesetz ist sie daher nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt.

Soweit unter diesem Nichtigkeitsgrund behauptet wird, das Schöffengericht habe „rechtsirrig den unter Punkt III./B./ und C./ festgestellten Sachverhalt unter Punkt D./ auch unter den Vergehenstatbestand nach § 241b StGB subsumiert", dieser Schuldspruch habe aber infolge stillschweigender Subsidiarität des Vergehens der Annahme, Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter unbarer Zahlungsmittel (III./D./) zu den qualifizierten Verbrechen des Diebstahls und des Betrugs (III./B./ und III./C./) zu entfallen, entbehrt die Beschwerde zum einen einer inhaltlichen Argumentation und übersieht mit dem bloßen Verweis auf eine Kommentarstelle (Schroll in WK2 § 241a Rz 28), dass diese bloß die Verwendung des gefälschten unbaren Zahlungsmittels bei einem hiedurch qualifizierten Betrug betrifft (und als durch diesen verdrängte Begleittat ansieht), jedoch keine Aussage über die Verwendung des unbaren Zahlungsmittels zu anderen Zeitpunkten und Zwecken trifft. Zudem vernachlässigt sie, dass im Rahmen des Schuldspruchs zu II./D./ eine Verurteilung nach § 241 b StGB in Bezug auf den Besitz der gefälschten Kreditkarte Mastercard 5262 ***** bei der Begehung des qualifizierten Betrugsfaktums III./C./ - in Hinblick auf die ausdrückliche Bezugnahme nur auf die Verwendung bei den Diebstahlsfakten III./B./ (US 8 iVm 17) - gerade nicht erfolgt ist.

Zu einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO bestand in diesem Zusammenhang kein Anlass. Denn die Verwendung gefälschter unbarer Zahlungsmittel bei einem Automaten zur Erlangung von Fahrausweisen für ein öffentliches Verkehrsmittel begründet in Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der geschützten Rechtsgüter in echter (Ideal-)Konkurrenz die Vergehen des (hier: versuchten) Diebstahls nach § 127 StGB und der Annahme, Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter unbarer Zahlungsmittel nach § 241b StGB (vgl Fabrizy StGB8 ErgH § 241b Rz 6; Schroll in WK2 § 241a Rz 31), zumal die Verwirklichung des zweitgenannten Deliktstypus weder notwendiger Weise noch regelmäßig mit der Erfüllung des erstgenannten verbunden ist (Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 - 31 Rz 58).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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