Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Christian M***** (früher: S*****, geborener P*****) wurde des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB schuldig erkannt, weil er am 11.April 1996 in Klagenfurt eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Gelbgoldring im Wert von 40.000 S, der Karin Sch***** mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er, beim Diebstahl auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen eine Person angewendet hat, um sich die weggenommene Sache zu erhalten, indem er der ihn verfolgenden und ihn an der Bekleidung erfassenden Karin Sch***** einen kräftigen Stoß gegen die Brust versetzte.
Das Erstgericht verurteilte ihn hiefür zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe, von der es gemäß § 43 a Abs 3 StGB einen Teil von acht Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde der Privatbeteiligten Karin Sch***** ein Schadenersatzbetrag von 40.000 S zugesprochen.
Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf Z 4, 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Die Aussprüche über die Strafe sowie über die privatrechtlichen Ansprüche bekämpft er mit Berufung; die Staatsanwaltschaft ficht die Gewährung der teilbedingten Strafnachsicht mit Berufung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Verfahrensrüge (Z 4) versagt.
Der Zeitpunkt der telefonischen Anzeige bei der Bundespolizeidirektion Klagenfurt, Wachzimmer St.Ruprecht, ergibt sich - wie die Beschwerde selbst einräumt - zweifelsfrei aus der polizeilichen Anzeige (9) und bedurfte keiner Bestätigung durch die beantragte zeugenschaftliche Einvernahme der Anzeigeverfasser Ferdinand "B*****" (gemeint: P*****) und Paul Pr*****.
Der Versuch des Beschwerdeführers hinwieder, einerseits durch die Vernehmung dieser beiden Polizeibeamten die inkriminierte Tat exakt auf 18,30 Uhr zu fixieren, andererseits durch die angestrebte Zeugenaussage Doris Helga F***** beweisen zu wollen, er sei um 18.30 Uhr bei ihr gewesen und somit - im Zusammenhang betrachtet - als Täter auszuschließen, mußte von vorneherein scheitern. Denn die Zeugin Sch***** wies in der Hauptverhandlung ausdrücklich darauf hin, daß sie nur "ungefähre" Zeitangaben machen und sich zeitlich "nicht genau" festlegen könne (155), weshalb im Urteil eine genaue Eingrenzung mangels Relevanz unterblieb. Demnach bedurfte es auch nicht der Ladung der Zeugin Dr.F*****, weil dahingestellt bleiben kann, ob der Angeklagte um 18,30 Uhr tatsächlich bei ihr war oder nicht, zumal er selbst in der Hauptverhandlung angegeben hat, daß er "um ca 18,30 Uhr" bei einer Klientin eingetroffen sein "dürfte" (133 unten). Im übrigen wurde vom Angeklagten sein Zusammentreffen mit den Zeuginnen Sch***** und A*****, bei welchem es nach deren Aussagen zur Tat kam, bis "gegen 18 Uhr" nicht in Abrede gestellt (125 ff), sodaß jener Umstand, der unter Beweis zu stellen getrachtet wurde, nicht zu einer Entlastung des Beschwerdeführers geeignet war.
Sonach wurde der Nichtigkeitswerber durch das bekämpfte - indes sachgerecht begründete - Zwischenerkenntnis des Gerichtshofes (171) in seinen Verteidigungsrechten nicht verkürzt. Dies umsoweniger, als die Beweisthemen unerheblich, also ungeeignet sind, auf die Entscheidung der Strafsache irgendeinen Einfluß zu üben (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 63, 64).
Die in der Mängelrüge (Z 5) behaupteten (angeblichen) formellen Begründungsfehler werden nicht prozeßordnungsgemäß dargestellt.
Zunächst reißt die Beschwerde nämlich wahllos einzelne, ihr genehm scheinende Satzteile aus dem Gesamtgefüge der erstgerichtlichen Feststellungen heraus (US 8), kombiniert sie unter Vernachlässigung wesentlicher Sachverhaltselemente nach Gutdünken zu einem neuen Satz und zieht daraus den Schluß, der Versuch, eine Wohnung verlassen zu wollen, stelle keinen strafbaren Tatbestand dar. Zudem verkennt sie, daß der Dieb auch dann auf frischer Tat betreten ist, wenn ihm - wie vorliegend - die bestohlene Karin Sch***** unmittelbar nach Ansichnahme des Ringes am Tatort ("instinktiv und weil ich meine Mutter dort stehen und auf ihre leeren Hände starren sah, ...", wie sie vor der Sicherheitsbehörde zu Protokoll gab - 17 oben -) verfolgte und festhielt, obwohl sie noch nicht sicher wußte, daß M***** das Beutestück bei sich hatte, ihn also noch nicht als Dieb erkannt hatte (vgl hiezu Leukauf/Steininger Komm3 § 131 RN 6). Eine nähere Auseinandersetzung mit der wiederholt aufgeworfenen, jedoch keinen entscheidenden Umstand berührenden Frage, "weshalb sie ihn dennoch festhalten wollte", bedurfte es daher - der Beschwerde zuwider - im Urteil nicht. Der Angeklagte übergeht zudem die Urteilsfeststellung, daß Karin Sch***** ein "seufzendes Geräusch" ihrer Mutter wahrgenommen hatte (US 8) und deshalb Grund zur Anhaltung des Beschwerdeführers sah.
Entgegen einem weiteren Beschwerdeeinwand hat sich das Erstgericht sehr ausführlich und kritisch sowohl mit den für glaubwürdig beurteilten, in wesentlichen Punkten übereinstimmenden Aussagen der Zeugin Sch***** und A***** als auch mit der damit in Widerspruch stehenden und für unglaubwürdig erachteten Verantwortung des Angeklagten (auf welche die Beschwerdeargumentation immer wieder unzulässig zurückgreift) auseinandergesetzt (US 8 ff) und auch zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) dargelegt, weshalb er nicht nur "annehmen mußte", sondern geradezu mit Sicherheit wußte, daß ihn Sch***** wegen des weggenommenen Ringes festhielt (vgl insbesonders US 10 zweiter Absatz bis 9 zweiter Absatz).
Keine entscheidende Tatsache (vgl hiezu EvBl 1972/17), wie schon bei Erledigung der Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO angedeutet wurde, betrifft die ihm Urteil fehlende minutenmäßige Fixierung der Tatzeit, soferne - wie im aktuellen Fall - kein Zweifel daran besteht, daß Anklage und Urteil ein und dieselbe Tat zum Gegenstand haben, deretwegen der Angeklagte nicht noch einmal verurteilt werden kann (Mayerhofer aaO § 260 E 31 b f; § 281 Z 5 E 18 f). Hingegen ergibt sich (der an sich für die Schuldfrage gleichfalls irrelevante Umstand) sehr wohl aus dem Urteilsspruch (US 3 oben), daß der Angeklagte am 11.April 1996 um "21,00 Uhr", mithin mehrere Stunden nach der Tat und nach der aktenkundigen Anzeigeerstattung um 19 Uhr, festgenommen wurde.
Verfehlt ist ferner auch das Beschwerdevorbringen, die Konstatierung, wonach sich Karin Sch***** als Folge des vom Angeklagten erhaltenen (zweiten) Stoßes ein kleines Hämatom im Rückenbereich zugezogen habe (US 8 dritter Absatz), sei aktenwidrig; denn zum einen ist diese (nicht einmal bei der Strafbemessung als erschwerend berücksichtigte) Feststellung unwesentlich für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes; zum anderen findet sie in den Aussagen der Zeugen Karin Sch***** und Margit A***** ihre beweismäßige Deckung (149 Mitte und 165 Mitte). Im übrigen hatte die Zeugin Sch***** - was der Rechtsmittelwerber übergeht - bereits bei ihrer Vernehmung am Tattag um 20 Uhr 40 angegeben, Schmerzen im Rückenbereich verspürt zu haben (17).
Nicht zielführend ist der Versuch des Beschwerdeführers, einen selektiv aus den Urteilskonstatierungen zitierten Satz (US 8 zweiter Absatz letzter Satz) einem anderen aus der Beweiswürdigung isoliert herausgegriffenen Satz (US 11 Mitte) gegenüberzustellen und daraus einen - in Wahrheit gar nicht vorliegenden - Widerspruch zu behaupten. Der prozeßordnungsgemäße Nachweis eines formellen Begründungsmangels kann indes nur auf der Grundlage der gesamten Entscheidungsgründe geführt werden. Dieses Gebot mißachtet die Beschwerde auch bei ihrem weiteren Vorwurf, das Gericht erörtere nicht ausreichend, warum es davon ausgehe, der Angeklagte habe den Ring weggenommen und diesen notfalls durch Gewaltanwendung auch behalten wollen, und woraus es ableite, der Angeklagte habe der Zeugin Sch***** einen kräftigen Stoß versetzt. Die Antworten auf all diese Fragen finden sich jedoch in den Gründen auf US 10 f, weshalb dieses Vorbringen, welches sich erneut mit der unwesentlichen Frage des von Sch***** erlittenen Hämatoms auseinandersetzt, nach Inhalt und Zielrichtung lediglich unzulässig Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung übt.
Gleiches gilt für die Beschwerdeausführungen, die gegen den konstatierten Wert des inkriminierten Ringes von 40.000 S remonstrieren. Dabei hat das Schöffengericht lediglich von seinem Recht der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) Gebrauch gemacht und seinen Feststellungen (US 4 iVm 11) erkennbar die für objektiv verläßlich erachtete "Versicherungsschätzung" jenes Goldschmiedes vom 15. April 1996 (57) zugrunde gelegt, der den nach der Tat unauffindbaren Ring kurz vorher persönlich umgeändert hatte, daher dessen Wert am besten beurteilen konnte. Weitere Erörterungen im Zusammenhang mit anderen Wertangaben waren entbehrlich, weil dadurch keine Qualifikationsgrenze berührt wird. Davon abgesehen können (allfällige) Mängel von Feststellungen, die nur für die Höhe des Privatbeteiligtenzuspruchs, aber nicht für die Schuldfrage entscheidend sind, nicht mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO gerügt, sondern nur mit (ohnehin erhobenen) Berufung bekämpft werden (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 26 a).
Sonach wurde das bekämpfte Urteil formell einwandfrei begründet.
Die Rechtsrügen (Z 9 lit a und 9 lit b) entbehren zur Gänze einer gesetzmäßigen Darstellung, weil sie nicht, wie dies für die erfolgreiche Geltendmachung der relevierten materiellen Nichtigkeitsgründe unabdingbar Voraussetzung ist, am gesamten objektiven und subjektiven Tatsachensubstrat festhalten und nicht auf dessen Basis nachweisen, daß dem Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhaltes Rechtsfehler und beweismäßig indizierte Feststellungsmängel unterlaufen sind. Dabei darf die Beschwerde weder eine festgestellte Tatsache bestreiten oder übergehen, noch sich auf einen Umstand stützen, den zu konstatieren das Gericht abgelehnt hat.
Diesen prozessualen Geboten zuwider argumentiert der Beschwerdeführer unter Heranziehung der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO aber - unter weitgehender Wiederholung der bereits in der Mängelrüge erhobenen Einwände sowie unter Berufung auf seine als unglaubwürdig verworfene Verantwortung, der Ring sei ihm von seiner Lebensgefährtin geschenkt worden - gerade an all jenen unbedenklich getroffenen und mängelfrei begründeten Konstatierungen zu den für die Erfüllung des in Rede stehenden Verbrechens geforderten spezifischen Vorsatzformen vorbei. Ferner bringt er eine im gesamten Verfahren nie behauptete urteilskonträre Tatversion, demnach eine unzulässige Neuerung (Mayerhofer aaO § 281 E 15 a ff), ins Spiel, derzufolge er sich "offensichtlich in einer Notwehr- bzw Putativnotwehrsituation befunden" habe und nur den Ring, den er als Geschenk betrachtete, bzw sich selbst gegen den Angriff der Zeugin Sch***** schützen wollte. Schließlich bestreitet er einen "Verletzungsvorsatz gegenüber der Zeugin Sch*****", obwohl ein solcher weder im Urteilsspruch noch in den Gründen angeführt ist und der - wie nur der Vollständigkeit halber bemerkt sei - für die Tatbestandsverwirklichung des räuberischen Diebstahls in der hier aktuellen Erscheinungsform des § 131 erster Fall StGB nicht erforderlich ist.
Auch in objektiver Hinsicht geht der Nichtigkeitswerber von urteilsfremden Prämissen aus, indem er einwendet, aus den Feststellungen lasse sich nicht ableiten, daß er auf frischer Tat betreten worden sei, und "das Losreißen" des Angeklagten von der Zeugin Sch***** könne nicht als Anwendung von Gewalt im Sinne des § 131 StGB qualifiziert werden, da dieser den Einsatz nicht ganz unerheblicher physischer Kraft verlange.
Indes ist von einem "Losreißen des Angeklagten" im Urteil nicht die Rede, sondern vielmehr von einem aktiven Angriff. Denn die Erkenntnisrichter konstatierten in diesem Zusammenhang (vgl US 8 iVm 11): "Sie erreichte den Angeklagten bei der Wohnungstüre und erfaßte ihn an seiner Bekleidung. Der Angeklagte, der annahm, daß ihn Karin Sch***** wegen des Ringes festhielt, versetzte dieser einen so kräftigen Stoß gegen die Brust, daß Sch***** die Bekleidung des Angeklagten loslassen mußte und rückwärts gegen die Schiebetüre ... fiel. Bei diesem Stoß ist es dem Angeklagten darauf angekommen, den bereits erlangten Ring weiterhin für sich zu behalten und darüber hinaus aus der Wohnung entkommen zu können". Alle diese Tatsachenfeststellungen übergeht die Beschwerde.
Das auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützte Vorbringen trachtet erneut, sich teils tatsachenwidrige, teils bloß einzelne, isoliert, mithin sinnentstellt, aus dem Gesamtzusammenhang gerissene Feststellungspassagen für ihren urteilsfremden Standpunkt zunutze zu machen, wonach das Verlassen einer Wohnung keinen strafbaren Tatbestand herstelle, die Zeugin Sch*****, da sie nicht wußte, daß der Angeklagte den Ring hatte, einen rechtswidrigen Angriff gegen seine Person im Sinne des § 3 StGB geführt habe und der Beschwerdeführer nicht hätte wissen können, daß der körperliche Angriff der Zeugin dem Ring gegolten habe, wobei er sich dagegen auch nicht unangemessen gewehrt habe.
Auch solcherart verläßt der Nichtigkeitswerber den Boden der unmißverständlichen und anderslautenden Urteilskonstatierungen, sodaß auf ein derart prozeßordnungswidriges, sohin unbeachtliches Beschwerdevorbringen, welches nach ihrer Art und Zielsetzung lediglich die tatrichterliche Beweiswürdigung zu bekämpfen sucht, nicht weiter einzugehen ist (Mayerhofer aaO § 281 E 30, 52; § 281 Z 9 b E 29, 31, 32 a).
Sonach war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus folgt, daß die Kompetenz zur Entscheidung über die Berufungen dem Oberlandesgericht Graz zufällt (§ 285 i StPO).
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