OGH 15Os131/21k

OGH15Os131/21k9.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. November 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen ***** S***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB, AZ 9 St 139/21z der Staatsanwaltschaft Feldkirch, über die Grundrechtsbeschwerde der Beschuldigten ***** S***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 5. Oktober 2021, AZ 6 Bs 230/21f, 6 Bs 231/21b (ON 19 der Ermittlungsakten) nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00131.21K.1109.000

 

Spruch:

 

***** S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

 

Gründe:

[1] ***** S***** wurde am 5. September 2021 von der Kriminalpolizei aus eigenem festgenommen (ON 1 S 1). Nach seitens der Staatsanwaltschaft Feldkirch zu AZ 9 St 139/21z erfolgter Anordnung der Einlieferung in die Justizanstalt wurde über die Genannte über Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 7. September 2021, AZ 28 HR 287/21m (ON 7 der Ermittlungsakten), die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO verhängt.

[2] Mit Beschluss vom 20. September 2021 (ON 14) wurde die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO fortgesetzt.

[3] Den gegen die erwähnten Beschlüsse gerichteten Beschwerden der ***** S***** (ON 15, 16) gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 5. Oktober 2021, AZ 6 Bs 230/21f, 6 Bs 231/21b (ON 19) nicht Folge und setzte seinerseits die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO fort.

[4] Dabei erachtete das Beschwerdegericht ***** S***** dringend verdächtig, am 5. September 2021 in ***** F***** an einer fremden Sache, nämlich an den baulich verbundenen Einfamilienhäusern ***** im Eigentum der ***** W***** und ***** im Eigentum des ***** We*****, ohne Einwilligung der Eigentümer eine Feuersbrunst verursacht zu haben, indem sie in einem Wohnraum im Erdgeschoss des Hauses ***** einen Polsterstuhl in Brand setzte, wobei sich der ursprüngliche Zimmerbrand ausbreitete und über die Fassade und das Treppenhaus auf das erste Obergeschoss und den Dachstuhl des Hauses ***** sowie in weiterer Folge auch auf das Haus ***** übergriff.

[5] In rechtlicher Hinsicht subsumierte das Oberlandesgericht die Verdachtslage zu diesem (als hafttragend erachteten) Verhalten dem Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der dagegen gerichteten Grundrechtsbeschwerde der Beschuldigten ***** S***** (ON 23) kommt keine Berechtigung zu:

[7] Die Begründung des dringenden Tatverdachts kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren in sinngemäßer Anwendung der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (RIS‑Justiz RS0110146).

[8] Undeutlichkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 erster Fall StPO iVm § 10 GRBG) – im Sinn mangelnder Eindeutigkeit – liegt vor, wenn den Feststellungen im Beschluss des Beschwerdegerichts nicht klar zu entnehmen ist, welche entscheidenden Tatsachen dieses Gericht als erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen dies geschehen ist. Dazu ist stets die Gesamtheit der Entscheidungsgründe in den Blick zu nehmen (RIS‑Justiz RS0089983, RS0117995).

[9] Dem Beschwerdeeinwand (Z 5 erster Fall) zuwider lassen die Ausführungen des Oberlandesgerichts zweifelsfrei erkennen, dass dieses von einer bewussten und gewollten Verursachung des Feuers durch die Beschuldigte mittels bewusster und aktiver Entzündung eines im Erdgeschoss im Wohnzimmer situierten (Polster-)Stuhls ausgegangen ist (BS 2, 5 f).

[10] Im Gesamtkontext ist auch klar erkennbar, dass die Polizei nach Ansicht des Beschwerdegerichts zunächst von der Beschuldigten wegen des Verdachts des Diebstahls ihrer Geldtasche gerufen wurde (BS 4), bald danach aber auch von ***** Wi***** wegen des zwischenzeitig im Haus verursachten Brandes (BS 4 f). Ein innerer Widerspruch (§ 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO iVm § 10 GRBG; RIS‑Justiz RS0117402) ist darin gerade nicht zu erblicken.

[11] Entgegen der weiteren Kritik (inhaltlich § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO iVm § 10 GRBG) ist die Begründung des dringenden Tatverdachts mit Aussagen des Zeugen Wi*****, einer dokumentierten Äußerung der Beschuldigten anlässlich ihres Telefonats mit der Polizei und dem Fehlen von nachvollziehbaren Anhaltspunkten für die Täterschaft einer anderen Person mit Zugang zum Ursprungsort des Brandes, für welchen „objektive Ursachen“ ausgeschlossen wurden (BS 4 ff), unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Der vom Beschwerdegericht bloß zusätzlich (vgl BS 6: „letztlich“) ins Treffen geführte Umstand, dass die Beschuldigte den Brandort noch vor Eintreffen der (ursprünglich) von ihr selbst (wegen ihres Verdachts des Diebstahls) herbeigerufenen Polizei verließ, stellt in diesem Kontext keine notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache dar (RIS‑Justiz RS0116737). Mit ihrer Kritik an den vom Oberlandesgericht (auch) aus diesem Umstand in Zusammenschau mit anderen Beweismitteln gezogenen Schlussfolgerungen bekämpft die Beschuldigte bloß die Beweiswürdigung, ohne einen Begründungsmangel iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufzuzeigen.

[12] Die von der Beschwerdeführerin vermissten Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen, zum Fehlen des Einverständnisses der Eigentümer und zur Verursachung des Feuers durch (aktives) Entzünden eines Polsterstuhls („subjektives Handeln“ im Sinn des auf S 5 dargestellten Spurenberichts) finden sich auf Seite 2 des Beschlusses (vgl auch Seite 6 zum In‑Brand‑Stecken des Polsterstuhls). Hinreichend deutlich jene zur subjektiven Tatseite, welche aus den (im Beschluss dargestellten) äußeren Tatumständen und der gegenüber ***** Wi***** geäußerten Ankündigung, die „ganze Hütte“ anzuzünden, abgeleitet wurde, auf Seite 6.

[13] Die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren überprüft der Oberste Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens darauf, ob sich diese angesichts der zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, mit anderen Worten als nicht oder nur offenbar unzureichend begründet darstellt (RIS‑Justiz RS0117806).

[14] Das Beschwerdegericht gründete seine Einschätzung, die Beschuldigte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen sie geführten Strafverfahrens weiterhin strafbare Handlungen (mit nicht bloß leichten oder schweren Folgen) gegen fremdes Vermögen begehen, auf die Schwere der ihr angelasteten Tat im Vergleich zu dem als geringfügig eingestuften Anlass sowie auf das Vorliegen von ua bereits sechs Vorstrafen beruhend auf gegen fremdes Vermögen gerichtete Taten (BS 7 iVm ON 2). Damit hat es bestimmte Tatsachen angeführt, die nach den Kriterien folgerichtigen Denkens und allgemeinen Erfahrungssätzen geeignet sind, die daraus abgeleitete Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO zu tragen.

[15] Mit der Berufung auf die Suchterkrankung der Beschuldigten, auf den durch die Untersuchungshaft unterbrochenen Kontakt zu den „einschlägigen Kreisen“, auf Mutmaßungen zur „Erfolgswahrscheinlichkeit“ einer (fortgesetzten) Teilnahme an einem „Drogen‑Ersatzprogramm“ und auf die Auswirkungen des Verlusts der Geldtasche samt Inhalt auf die Existenz der Beschuldigten vermag die Beschwerde keine Grundrechtsverletzung durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts aufzuzueigen, das angesichts des erheblich getrübten Vorlebens und des mutmaßlichen Anlasses für eine Brandstiftung (Aufregung über den vermeintlichen Diebstahl der Geldtasche) keine (substanzielle) Änderung jener Verhältnisse erkennen konnte, unter welchen die angelastete Tat begangen worden sein soll (BS 7).

[16] ***** S***** wurde somit in ihrem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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