OGH 15Os130/97

OGH15Os130/972.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Oktober 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rohan als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter B***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 24.Juni 1997, GZ 9 Vr 1935/96-12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter B***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1.) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (2.) schuldig erkannt.

Danach hat er zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt Ende November/Anfang Dezember 1995 in Voitsberg die Elke P***** dadurch, daß er sie am linken Handgelenk erfaßte, gewaltsam über die Hofwiese des Objektes Hauptplatz Nr 16 zerrte, ihr eine Ohrfeige versetzte und das T-Shirt auszog, sich ca 15 Minuten lang auf sie legte und sein Glied zum Teil in die Scheide einführte, sie weiters am Kopf erfaßte und zur Vornahme eines Oralverkehrs an ihm zwang, wobei er

1) wiederholt ankündigte, daß er sie auch umbringen werde, eine Person mit Gewalt und "durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben" zur Duldung des Beischlafes und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt und

2) nach der vorangeführten Tat durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Unterlassung der Anzeigeerstattung genötigt, indem er wiederholt ankündigte, daß er sie für den Fall des Aufsuchens der Polizei umbringen werde.

Gegen diese Schuldsprüche richten sich die auf die Z 4,5, 5 a, 10 und 11 (zweiter Fall) des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) behauptet eine Verletzung der Verteidigungsrechte des Angeklagten dadurch, daß das Erstgericht nicht den Ortsaugenschein durchgeführt hat, der zum Beweis dafür beantragt worden war, daß auf Grund der örtlichen Gegebenheiten die Schilderung des Tatortes durch die Zeugin P***** nicht zutreffen könne, weil sich aus einem im Akt ergebenden Lichtbild ergebe, daß der Tatort auf einer belebten, von Häusern umgebenen Straße liege.

Im Hinblick darauf, daß die Zeugin P***** bereits vor der Gendarmerie eine Stelle als Tatort bezeichnet hatte, in deren Umgebung keine Häuser liegen (Lichtbild 7 S 73 mit Begleittext) und in der Hauptverhandlung bekräftigte, daß der Vorhalt des Verteidigers, der Tatort sei im Bild 5 (S 71) dargestellt, unzutreffend ist (S 111 iVm S 73 bzw 71), bedurfte es nicht einer weiteren Beweisaufnahme hiezu. Im übrigen läßt die Beschwerde erkennen (S 244), daß der Antrag lediglich auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis abzielt, der eine Grundlage für Spekulationen über allfällige, nach Ansicht des Angeklagten im Falle der - von ihm bestrittenen - Tatbegehung notwendig eintretenden Verletzungen bilden soll.

Die von der Mängelrüge (Z 5) behauptete Unvollständigkeit liegt nicht vor, weil die Tatrichter Widersprüche zwischen den Aussagen der Zeugin P***** und jenen der Zeugin U***** und Po***** nicht übergangen, sondern mit - entgegen der Beschwerde richtig - als für die Lösung der Schuldfrage belanglose Details betreffend angesehen haben. Dem Umstand, daß die Zeugin U***** keine Verletzungen am Tatopfer wahrgenommen hat, haben sie beweiswürdigend - was mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht bekämpfbar ist - keine wesentliche Bedeutung zugemessen.

Die Tatsachenrügen (Z 5 a), die im wesentlichen die Argumente der Verfahrens- und Mängelrüge wiederholt, vermag keine erheblichen, sich aus den Akten ergebenden Bedenken gegen die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen zu erwecken.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) strebt eine Beur- teilung des festgestellten Sachverhaltes nach § 201 Abs 2 StGB an und meint, daß schon der Urteilsspruch nur den Begriff "Gewalt" und nicht "schwere Gewalt" enthalte. Die Beschwerde übersieht jedoch, daß der bekämpfte Schuld- spruch gar nicht mit "schwerer Gewalt" begründet wird.

Die Rüge hingegen, die "einfache Androhung" das Opfer umzubringen, stelle keine gegenwärtige angedrohte Gefahr im Sinne der angewendeten Gesetzesstelle dar, weil für diese Annahme das Opfer mit einer mangels Deckung im Beweisverfahren auch nicht festgestellten umgehenden Verwirklichung des angedrohten Übels rechnen müsse, die Zeugin jedoch den Ort des Geschehens völlig ohne Behinderung verlassen konnte, ignoriert - in Verletzung der Verpflichtung, bei Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes den festgestellten Sachverhalt (in seiner Gesamtheit) zugrunde zu legen - die Urteilskonstatierungen (US 6), wonach dem Opfer die Flucht nur dadurch gelang, daß der Angeklagte sich zu einem Gebüsch begab, um seine kleine Notdurft zu verrichten.

Demnach sei nur noch am Rande darauf verwiesen, daß - entgegen der Beschwerdemeinung - eine Drohung mit dem Umbringen und dem Tod als solche mit schwerer Gefahr für Leib oder Leben zu werten ist (Pallin im WK § 201 Rz 13 a).

Soweit die Rechtsrüge insgesamt auf die Duldung des Beischlafes oder einer beischlafsähnlichen Handlung gerichtete drohende Äußerungen des Angeklagten in Abrede stellt, orientiert sie sich einmal mehr nicht an den gesamten und unmißverständlichen Urteilskonstatierungen, wie dies jedoch bei der Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes unbedingt erforderlich ist.

Die Strafbemessungsrüge (Z 11 zweiter Fall) behauptet einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, weil das Schöffengericht als besonderen Erschwerungsgrund noch das skrupellose und erniedrigende Vorgehen des Angeklagten gewertet hätte, obwohl dieses bereits strafsatzbestimmend gewesen wäre.

Abgesehen davon, daß dieser Vorwurf für das mitverurteilte Verbrechen der schweren Nötigung nicht zutrifft, ist er auch zum Verbrechen der Vergewaltigung nicht berechtigt. Der Angeklagte zwang das Tatopfer zum Schlucken des Samens, erniedrigte es also weit über mit dem Tatbild des § 201 Abs 1 StGB im allgemeinen einhergehende Demütigungen hinaus; dadurch, daß dies (nur) als Erschwerungsumstand gewertet wurde und nicht zu einer Verfolgung des Angeklagten wegen des nach § 201 Abs 3 StGB qualifizierten, in die Zuständigkeit des Geschworenen- gerichtes fallenden Verbrechens führte, ist er jedenfalls nicht beschwert.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit teils als unbegründet, teils als nicht den Prozeßgesetzen entsprechend ausgeführt bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d StPO). Entgegen der in der Äußerung gemäß § 35 Abs 2 StPO vertretenen Meinung, daß die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 10 StPO die Notwendigkeit der Anordnung eines Gerichtstages nach sich ziehe, führen dazu nur prozeßordnungsgemäß dargestellte Rechtsrügen (Mayerhofer StPO4 § 285 a E 61; EvBl 1997/154 uam). Über die außerdem erhobene Berufung des Angeklagten (wegen der Aussprüche über die Strafe und über privatrechtliche Ansprüche) hat das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden (§ 285 i StPO), das allerdings vorerst im Hinblick auf die bisher unterbliebene Zustellung der Rechtsmittelschrift an die Privatbeteiligte als Gegnerin der Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis zur allfälligen Gegenausführung (§ 294 Abs 2 letzter Satz StPO) dem Erstgericht die Nachholung dieses Verfahrensschrittes aufzutragen hätte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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