Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird nicht, jener des Angeklagten hingegen dahin Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafe auf 20 Monate herabgesetzt wird.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang A***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall und Abs 3 StGB (I./) und des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien
I./ am 8. August 2008 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich das Vorliegen eines durch einen Einbruchsdiebstahl in eine näher bezeichnete Wohnung in Wien entstandenen und von der Z*****-AG zu ersetzenden Sachschadens, wobei er zur Bekräftigung seiner Tatsachenbehauptung falsche Einbruchsspuren in der Wohnung hinterließ, Verfügungsberechtigte der genannten Versicherung zur Bezahlung von 168.000 Euro, sohin zu einer Handlung, die die genannte Versicherung in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt hätte, zu verleiten versucht, indem er im Namen seiner Mutter Mag. Inge A***** den in Wirklichkeit nicht eingetretenen Schaden per Internet der genannten Versicherung meldete und am 18. August 2008 der Höhe nach mit 202.044 Euro präzisierte, wobei es jedoch beim Versuch blieb, da die Versicherung die Versicherungssumme von 168.000 Euro nicht ausbezahlte;
II./ am 7. August 2008 gegenüber Exekutivbediensteten des Landeskriminalamts Wien, mithin gegenüber zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten, durch die unrichtige Behauptung, es habe ein Diebstahl durch Einbruch in eine näher bezeichnete Wohnung in Wien stattgefunden, die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung wissentlich vorgetäuscht.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, sie schlägt fehl.
Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) behauptet eine offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten durch die beweiswürdigende Erwägung in Bezug auf die Angaben des Angeklagten zum eingetretenen Schaden, wonach Werks-, Gehäusenummern oder Seriennummern von Uhren verschiedener Marken aus einschlägigen Unterlagen und dem Internet in Erfahrung gebracht werden können (US 23 erster Absatz). Die Beschwerde vernachlässigt dabei, dass diese Annahme der Tatrichter nur Teil ihrer im Rahmen der Kriterien logischen Denkens und empirischer Erkenntnisse der Sache nach gezogenen und insoweit insgesamt nicht unzulässigen Schlussfolgerungen ist, wonach im konkreten Fall - offenkundig in Zusammenhang mit den im Urteil detailliert aufgelisteten weiteren gegen den Angeklagten sprechenden Verfahrensergebnissen - durch die vom Beschwerdeführer vorgelegte Liste mit Nummern (sowie durch Lichtbilder) ein rechtmäßiger Erwerb der Uhren für sie nicht glaubhaft gemacht werden konnte, was im hypothetischen Fall einer Vorlage von Rechnungen der Uhren anders gewesen wäre (US 22 f). Eine Beweislastumkehr lag darin - der Äußerung des Verteidigers gemäß § 24 StPO zuwider - nicht begründet. Diese Annahme steht auch zur Aussage des Zeugen Christian S***** nicht in Widerspruch (ON 36, S 63), weil nach den weiteren Angaben dieses Zeugen „Fälschungen“ der Nummern und Nachbauten der Uhren vorkommen würden (ON 36, S 63 unten ff).
Die Erwägung des Schöffengerichts, neben den im Urteil dargestellten weiteren Indizien würde auch das mit einem Einbruchsdiebstahl in der konkreten Fallkonstellation verbundene ungewöhnlich hohe Risiko gegen das Stattfinden eines solchen sprechen (US 24 vorletzter Absatz), stellt keine Scheinbegründung, sondern einen unter Beachtung der Kriterien logischen Denkens und grundlegender Erfahrungen zulässig gezogenen Wahrscheinlichkeitsschluss dar (vgl Lendl, WK-StPO § 258 Rz 26).
Die gegen die Qualifikation des § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) ist mit dem Vorbringen, die von der Polizei entsprechend dem äußeren Anschein wahr- und aufgenommenen Beweismittel seien weder falsch noch verfälscht und die unrichtige Behauptung des Angeklagten zu deren Entstehen fiele in die Tathandlung der Täuschung des Grunddelikts, nicht im Recht.
Beweismittel ist grundsätzlich alles, was dazu dienen kann, jemanden von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung zu überzeugen (Kirchbacher in WK2 § 147 Rz 31 mwN). Darunter fallen auch Augenscheinsobjekte wie zB Tatortspuren (hier: eingeschlagenes Fenster, am Boden verstreuter Inhalt der Kästen, US 7; vgl Plöchl/Seidl in WK2 § 293 Rz 16). Die Forderung eines Teils der Lehre, den Beweismittelbegriff des § 147 StGB auf „im Rechtsverkehr anerkannte Gewährschaftsträger“ einzuschränken (Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 147 RN 55, 58 ff) und somit bloße Augenscheinsobjekte aus dem Begriff auszuscheiden (s Kirchbacher in WK² § 147 Rz 34), gibt keinen Anlass, von der - auf der Entscheidung eines verstärkten Senats des Obersten Gerichtshofs vom 5. Oktober 1994, AZ 13 Os 81/93 (EvBl 1995/21) basierenden - ständigen Rechtsprechung zur Identität des (prozessualen) Beweismittelbegriffs in § 147 und § 293 StGB abzugehen, bedarf es doch zur Täuschung bloß einer unwahren Erklärung (ohne dass Erkennbarkeit der wahren Sachlage die Täuschung ausschließen würde; vgl Kirchbacher in WK2 § 146 Rz 17), während § 147 StGB nach dem Sinn der Bestimmung den zusätzlichen Einsatz aller über die falsche Erklärung hinausgehenden und diese zu verstärken geeigneten sachlichen Mittel extra pönalisieren soll.
Ob ein Beweismittel falsch ist, ist nicht nach den Kriterien des § 223 StGB zu beurteilen; maßgebend ist vielmehr, ob es bei seinem Gebrauch geeignet ist, die zu ziehenden Schlussfolgerungen in eine andere Richtung zu lenken oder den Beweiswert zu verstärken, gleich ob es unecht ist (= den Schein anderen Ursprungs erweckt) oder einen unrichtigen Inhalt hat (Kirchbacher in WK² § 147 Rz 38; Plöchl/Seidl in WK2 § 293 Rz 17; Fabrizy StGB10 § 293 Rz 3; RIS-Justiz RS0104980; EvBl 1995/21). Die fallaktuell nach den Konstatierungen zur Vortäuschung eines Versicherungsfalls (zusätzlich) erfolgte Benützung von falschen Beweismitteln wird somit als besondere Täuschungsmodalität von der Qualifikation des § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB (Beweismittelbetrug) erfasst.
Der in der Berufungsausführung enthaltenen Behauptung, das Erstgericht habe mit der Strafzumessungserwägung, die völlige Uneinsichtigkeit des Angeklagten erfordere eine empfindliche unbedingte Freiheitsstrafe (US 27), in „beinahe“ Nichtigkeit (Z 11) begründender Weise den durch MRK und Verfassung abgesicherten Grundsatz des Selbstbelastungsverbots berührt, genügt der Hinweis auf das in den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung (§ 32 Abs 2 StGB) enthaltene Gebot der Berücksichtigung spezialpräventiver Gesichtspunkte (vgl Ebner in WK² § 32 Rz 27, 38).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten eine zweijährige Freiheitsstrafe und wertete bei der Strafbemessung das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend, als mildernd wiederum den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist.
Dagegen richten sich die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Während der Angeklagte eine Reduktion der Strafe und deren zumindest teilweise bedingte Nachsicht begehrt, fordert die Staatsanwaltschaft eine schuldangemessene Erhöhung der Freiheitsstrafe.
Als erschwerend tritt weiters hinzu die mehrfache Qualifikation der strafbaren Handlung; zugunsten des Angeklagten war jedoch zu berücksichtigen, dass die einschlägigen Vorverurteilungen allesamt schon längere Zeit zurückliegen.
Unter Berücksichtigung aller für und wider den Angeklagten sprechenden Umstände erachtet der Oberste Gerichtshof - vor allem in Hinblick auf das lange Zurückliegen der Vorstrafen - eine 20-monatige Freiheitsstrafe als tat- und tätergerecht und sah daher Anlass zu einer dementsprechenden Reduktion der Strafe. Zutreffend hat das Schöffengericht jedoch schon aufgrund der einschlägigen Vorstrafen und damit verbundenen Wirkungslosigkeit bisher gegen den Angeklagten verhängter Sanktionen eine spezialpräventiv günstige Prognose verneint, sodass eine bedingte Nachsicht (auch nur eines Teils) der Strafe nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)