Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mieczyslaw (im Urteil stets fehlerhaft "Mieczylsaw" geschrieben) U***** wurde des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt; nach dem Inhalt des Urteilsspruches hat er am 13.August 1995 in Wien, nachdem ihm wegen Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung gemäß § 76 Abs 1 KFG der Führerschein vorläufig abgenommen worden war, versucht, die Polizeirevierinspektoren Richard K***** und Karl N***** dazu zu verleiten, daß sie mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten Recht auf Strafverfolgung verwaltungsbehördlich zu ahndender Delikte zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbrauchen, indem er sie aufforderte, ihm gegen Übergabe eines Bargeldbetrages von 5.000 S den Führerschein wieder auszufolgen und von der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen, somit die Anzeige zur Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens gegen Zahlung eines Geldbetrages pflichtwidrig zu unterlassen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich eine vom Angeklagten auf § 281 Abs 1 Z 5 (der Sache nach teilweise Z 9 lit a) und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, die insoweit berechtigt ist, als sie sowohl in der Mängelrüge (I.1.d.) als auch in der Rechtsrüge (I.2.b.) - im Ergebnis - zutreffend aufzeigt, das angefochtene Urteil leide an einem Feststellungsmangel zur subjektiven Tatseite, nämlich zur Wissentlichkeit des Angeklagten um den (laut Schuldspruch) von ihm angestrebten vorsätzlichen Befugnismißbrauch der genannten Polizeibeamten.
Nach den insoweit maßgeblichen erstgerichtlichen Feststellungen (US 5) handelte der Angeklagte mit dem Vorsatz, die Sicherheitswachebeamten zur wissentlichen Pflichtwidrigkeit, somit zum Mißbrauch der Amtsgewalt zu bestimmen, wobei ihm bewußt war, daß die Unterlassung der Einleitung des verwaltungsstrafrechtlichen Verfahrens gegen Zahlung eines Geldbetrages eine Verletzung verwaltungsstrafrechtlicher Vorschriften darstellt. Er hielt es zumindest ernstlich für möglich und hat sich damit abgefunden, daß die Beamten bei Annahme des Geldes und damit Nichteinleitung des Verwaltungsstrafverfahrens wissentlich ihre Befugnis, im Namen des Bundes als deren Organe Gesetze zu vollziehen und Amtsgeschäfte vorzunehmen, mißbrauchen. Er hatte auch den Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf Strafverfolgung verwaltungsbehördlich zu ahndender Delikte zu schädigen.
Diese Konstatierungen zur subjektiven Tatseite reichen jedoch für die Erfüllung des aktuellen Verbrechenstatbestandes nicht aus.
Bestimmungs- und Beitragstäter (§ 12 zweiter und dritter Fall StGB) müssen grundsätzlich mit dem für das angesonnene Delikt geforderten Tatvorsatz handeln, d.h. in ihrer Person dessen subjektiven Tatbestand zur Gänze erfüllen. Bei unrechtsbezogenen Sonderdelikten (Mißbrauch der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und Untreue nach § 153 Abs 1 StGB) hat sich der Vorsatz des Extraneus zudem auf eine (zumindest bedingt) vorsätzliche (nicht aber wissentliche) Mitwirkung des Intraneus (Beamten; Machthabers) zu erstrecken. Verlangt der Tatbestand eines Sonderdeliktes aber einen spezifizierten Vorsatz (z.B. Wissentlichkeit nach § 5 Abs 2 StGB), so muß dieser besondere Vorsatz auch bei den (extranen) Beteiligten gegeben sein (Leukauf/Steininger Komm3 RN 36, 54; Fabrizy im WK Rz 60 jeweils zu § 12 und Foregger/Serini StGB5 Anm IV zu § 153).
Ein Bestimmungstäter zum Mißbrauch der Amtsgewalt (wie im konkreten Fall der im alkoholisierten Zustand ein Fahrzeug lenkende Angeklagte U*****) muß demnach, um als solcher strafrechtlich zu haften, nach nunmehr herrschender Rechtsprechung nicht nur für gewiß halten, daß der als unmittelbarer Täter in Frage kommende Polizeibeamte bei pflichtwidrigem Unterlassen der im Gesetz zwingend vorgeschriebenen Anzeigeerstattung objektiv seine Befugnis mißbraucht (wobei ein grundsätzliches Wissen um die objektive Pflichtverletzung genügt und eine darüber hinausgehende besondere Kenntnis über den genauen Inhalt und die Reichweite der Befugnis im Innenverhältnis nicht erforderlich ist), sondern gleichermaßen auch, daß der Intraneus (Beamte) dies (wenigstens) vorsätzlich tut. Wenngleich "doppelte Wissentlichkeit" (also auch Wissentlichkeit auf Seiten des extranen Bestimmungstäters, daß der Beamte seine Befugnis wissentlich mißbraucht) nicht mehr gefordert wird, genügt es andererseits nicht, daß der Extraneus einen Befugnismißbrauch des Beamten (Intraneus) bloß ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (Leukauf/Steininger aaO RN 48, Foregger/Serini aaO, Tschulik im WK ErgH Rz 26 a, 26 c je zu § 153 sowie Fabrizy aaO Rz 61 mit jeweils zahlreichen Judikatur- und Literaturhinweisen).
Daraus erhellt, daß dem Erstgericht tatsächlich ein materiellrechtlicher Feststellungsmangel zur subjektiven Tatseite insofern unterlaufen ist, als es rechtsirrig keine Konstatierung darüber getroffen hat (wiewohl Verfahrensergebnisse in diese Richtung weisen, vgl 15, 19, 56 ff), ob der als Bestimmungstäter zum Mißbrauch der Amtsgewalt angeklagte Beschwerdeführer einen (zumindest) vorsätzlichen Befugnismißbrauch der einschreitenden Polizeibeamten auch für gewiß hielt. Ein im Urteil festgestellter (bedingter) Vorsatz des Angeklagten, daß die Polizeibeamten wissentlich ihre Befugnis mißbrauchen (US 5), genügt für die hier geforderte besondere Vorsatzform der Wissentlichkeit vom vorsätzlichen Befugnismißbrauch der Polizeibeamten nicht.
Dieser vom Nichtigkeitswerber zu Recht aufgezeigte Feststellungsmangel zwingt den Obersten Gerichtshof zur Kassierung des angefochtenen Urteils und zum Auftrag der Verfahrenserneuerung durch das Erstgericht, weil sich zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat (§ 285 e StPO). Eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdeausführungen in der Mängel- und Rechtsrüge bedarf es daher nicht mehr.
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