OGH 15Os124/10i

OGH15Os124/10i13.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mechtler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Norbert S***** wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 31. Mai 2010, GZ 37 Hv 30/10t-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Hallein verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Abweichend von der wider ihn wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB erhobenen Anklage wurde Norbert S***** mit dem angefochtenen Urteil des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Abtenau am 7. Juli 2009 und um den 24. August 2009 „je einen an ihn selbst gerichteten RSb-Brief des Bezirksgerichts Hallein, mithin Urkunden, nämlich die Rückscheine, über die er nicht allein verfügen durfte“, mit dem Vorsatz unterdrückt, den Zustellnachweis für das Bezirksgericht Hallein zu verhindern, indem er die Briefe samt Rückscheinen in seiner Schreibtischlade deponierte.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 7, 8, 9 lit a und 10a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Zutreffend macht der Beschwerdeführer aus Z 8 einen Verstoß gegen § 262 StPO geltend.

Das Erstgericht ging rechtsrichtig davon aus, dass der Angeklagte nicht das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, sondern (nur) das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB zu verantworten hat, weil er bei der Übernahme der RSb-Briefe nicht in seiner Eigenschaft als Postbeamter, sondern als Privatperson gehandelt hat.

Zur Sicherstellung der Verteidigungsrechte nach Art 6 Abs 3 lit a und b MRK hätte es in diesem Fall der Einhaltung der Vorschrift des § 262 StPO bedurft (RIS-Justiz RS0121419, RS0113755; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 545). Eine Anhörung des Angeklagten über den geänderten rechtlichen Gesichtspunkt fand jedoch nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls nicht statt. Diese Unterlassung führt zur Nichtigkeit des angefochtenen Urteils.

Dieses war daher aufzuheben und die Sache gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das sachlich und örtlich zuständige Bezirksgericht Hallein zu verweisen (vgl RIS-Justiz RS0100271).

Mit seinem weiteren Beschwerdevorbringen und seiner Berufung war der Angeklagte auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass das Bezirksgericht das Vorliegen der Voraussetzungen einer Einstellung des Verfahrens nach dem 11. Hauptstück der Strafprozessordnung zu prüfen haben wird.

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