Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Radica J***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat sie - zusammengefasst - von Oktober bis Dezember 2005 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Sasa V***** mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich und Dritte unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Mitarbeiter der B***** in 13 Angriffen durch Täuschung über Tatsachen, überwiegend unter Verwendung falscher Urkunden und Beweismittel, nämlich durch die Behauptung für rückzahlungswillige und -fähige Kreditnehmer bzw Kontoinhaber Kredite zu beantragen unter gleichzeitiger Vorlage von gefälschten Lohn- und Gehaltsbestätigungen, Reisepasskopien, ZMR-Auszügen und Meldezetteln sowie manipulierten Kontoauszügen zu Handlungen, nämlich zur Auszahlung von Kreditsummen und Kontoüberziehungsbeträgen verleitet, die die B***** in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf Z 3, 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die Verfahrensrüge kritisiert zutreffend einen Verstoß gegen § 252 Abs 1 Z 1 StPO (Z 3).
In der Hauptverhandlung vom 30. April 2009 gab die Staatsanwaltschaft „informativ" bekannt, dass Milisav Z*****, der die Angeklagte in einer polizeilichen Vernehmung belastet hatte, aus der Haft entlassen, mit einem Aufenthaltsverbot belegt und nach Serbien abgeschoben worden sei (S 6 in ON 105). Entgegen dem erklärten Widerspruch der Verteidigung wurde seine am 16. Jänner 2007 vor der Polizei abgelegte Aussage (S 55 ff in ON 31) in der Hauptverhandlung vom 15. Juni 2009 verlesen (S 15 f in ON 111); ein Versuch, den Zeugen in der Zwischenzeit auszuforschen, ist nicht aktenkundig. Nach § 252 Abs 1 Z 1 StPO ist - in Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes - die Verlesung einer früheren Aussage eines Zeugen oder Mitbeschuldigten (ua) zulässig, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Der Annahme tatsächlicher Unerreichbarkeit hat aber zumindest ein Versuch zur Ausforschung, etwa durch die Sicherheitsbehörden vorauszugehen, der - wie hier - bei Anhaltspunkten für einen Aufenthalt in einem europäischen Land (serbische Nationalität, Serbien als Zielland der Abschiebung aus Österreich) nicht von vornherein aussichtslos erscheint (vgl Kirchbacher WK-StPO § 252 Rz 61 ff; RIS-Justiz RS0108361, RS0101349). Dass fallbezogen keine Anstrengungen unternommen wurden, Milisav Z***** auszuforschen, ihn gegebenenfalls - unter Veranlassung der zeitweiligen Aufhebung des Aufenthaltsverbots - vor das erkennende Gericht zu laden oder um seine Vernehmung im Rechtshilfeweg zu ersuchen, war für die Angeklagte zweifellos nachteilig (§ 281 Abs 3 erster Satz StPO), weil sich die Tatrichter zur Begründung des Schuldspruchs auch auf dessen, die Angeklagte pars pro toto (Faktum ./13) erheblich belastende Aussage vor der Polizei stützten (US 10; vgl Ratz WK-StPO § 281 Rz 734, 740).
Das angefochtene Urteil war demnach zur Gänze aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt sich.
Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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