OGH 15Os118/95

OGH15Os118/959.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Unterrichter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wilhelm T***** wegen des Finanzvergehens der Hinterziehung von Eingangsabgaben als Beteiligter nach §§ 11 dritter Fall, 35 Abs 2 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 14.Juni 1995, GZ 24 Vr 2666/93-43, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wilhelm T***** von der ihm das Finanzvergehen der Hinterziehung von Eingangsabgaben nach § 35 Abs 2 FinStrG zur Last legenden Anklage, er habe in Linz in bewußtem und gewollten Zusammenwirken - als Beteiligter nach § 11 dritter Fall FinStrG - mit dem gesondert verfolgten Adolf K***** durch Verletzung der in den §§ 119 ff BAO und 52 ff ZollG normierten abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Eingangsabgaben dadurch bewirkt,

1. daß Adolf K***** am 27.Juli 1988 im Einverständnis mit Wilhelm T***** anläßlich der beantragten Eingangsvormerkbehandlung hinsichtlich des Flugzeuges Piper PA 16 Serial Nummer 62 P-0892-8165024, Baujahr 1981, Machen Superstar 700 Conversion, unrichtige Angaben über die Art des Vormerkverkehrs machte, wodurch Abgaben in der Höhe von 968.135 S hinterzogen wurden, und

2. daß er am 24.August 1990 anläßlich der Verzollung des unter Punkt 1. bezeichneten Flugzeuges zum freien Verkehr durch Adolf K***** eine Bestätigung namens der U***** GesmbH über einen zu geringen Kaufpreis vorlegen ließ, wodurch Abgaben im Ausmaß von 428.686 S hinterzogen wurden,

wegen Unzuständigkeit des Schöffengerichtes "gemäß § 214 FinStrG in Verbindung mit § 259 Z 3 StPO" freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang sogleich, daß die Zitierung des § 259 Z 3 StPO im Urteilsspruch ebenso wie die Ausführungen in den Entscheidungsgründen, wonach das Schöffengericht seine Unzuständigkeit festzustellen "und daher mit einem Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO vorzugehen" gehabt habe, rechtlich verfehlt ist, weil § 214 FinStrG einen von § 259 StPO unabhängigen Freispruch eigener Art bedeutet (vgl Dorazil/Harbich FinStrG § 214 Anm 1 und E 3; Sommergruber/Reger FinStrG Bd 2 S 760).

Nach den Urteilsfeststellungen waren der gesondert verfolgte Adolf K***** und der Angeklagte zu den jeweiligen Tatzeiten Miteigentümer des tatgegenständlichen Flugzeuges, das im Sommer 1988 erstmals nach Österreich gebracht wurde. Bei diesem Import bewirkte K*****, dem vom Angeklagten die alleinige Veranlassung der zollrechtlichen Maßnahmen überlassen worden war, beim Hauptzollamt Linz die (begünstigte) Behandlung des Flugzeuges als bloßes Muster im Rahmen des Eingangsvormerkverkehrs, indem er unrichtige Angaben sowohl über den Verwendungszweck als auch über den Wert des Flugzeuges machte. Daß auf diese Weise eine Hinterziehung von Eingangsabgaben bewirkt würde, habe - nach den Annahmen des Schöffengerichtes - der Angeklagte, der dem Miteigentümer K***** vorbehaltslos vertraut und sich an dessen Finanzvergehen somit nicht vorsätzlich beteiligt habe, nicht erkannt.

Nachdem - wie das Schöffengericht weiters feststellte - das Flugzeug in der Folge wieder vorübergehend in das Ausland gebracht worden war, wurde es im Jahr 1990 neuerlich nach Österreich eingeführt. Auch diesmal übernahm K***** im Einvernehmen mit dem Angeklagten die Antragstellung gegenüber dem Hauptzollamt Linz, dem er dabei eine vom Angeklagten ausgestellte Bestätigung vorlegte, in der wahrheitswidrig ein geringerer als der tatsächliche Wert des Flugzeuges deklariert wurde. Bezüglich der hiedurch bewirkten Hinterziehung der Eingangsabgaben - in Abweichung von der Anklage wurde aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.Ing.Dr.S***** lediglich ein Hinterziehungsbetrag von 86.925 S als erwiesen angenommen - handelte der Angeklagte zumindest mit bedingtem Vorsatz.

Das Schöffengericht vertrat die Rechtsansicht, daß eine gerichtliche Zuständigkeit zur Aburteilung von Finanzvergehen nur bei Vorliegen eines vorsätzlich begangenen Finanzvergehens unter gleichzeitiger Überschreitung des Wertbetrages von (hier gemäß § 53 Abs 2 lit a FinStrG) 500.000 S gegeben wäre, und gelangte angesichts eines bloß als Fahrlässigkeit angenommenen Beitrages des Angeklagten zur Abgabenhinterziehung laut dem ersten Anklagepunkt und einer vorsätzlichen Beteiligung an einer Abgabenhinterziehung im zweiten Anklagepunkt in der Höhe von lediglich 86.952 S zu einem Freispruch gemäß § 214 Abs 1 FinStrG.

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft moniert zu Recht - der Sache nach einen Feststellungsmangel geltend machend - die vom Erstgericht rechtsirrig unberücksichtigt gelassene Gerichtszuständigkeit infolge objektiver Konnexität nach § 53 Abs 4 FinStrG.

Nach dieser Bestimmung begründet nämlich die Zuständigkeit des Gerichtes zur Durchführung des Strafverfahrens gegen den (unmittelbaren) Täter (hier: Adolf K*****) auch die gerichtliche Zuständigkeit gegenüber den anderen vorsätzlich an der Tat Beteiligten (§ 11 zweiter und dritter Fall FinStrG). Die gerichtliche Strafbarkeit der im erstgerichtlichen Urteil festgestellten vorsätzlichen Beteiligung des Angeklagten an der dem Adolf K***** als unmittelbaren Täter angelasteten Abgabenhinterziehung vom 24.August 1990 (Faktum 2.) hängt demnach - unabhängig von der abgesonderten Führung des Verfahrens gegen K***** - lediglich von der materiellrechtlichen Frage ab, ob dem K***** als unmittelbaren Täter (Haupttäter) im Sinn des § 53 Abs 4 FinStrG ein nach § 53 Abs 1 bis 3 FinStrG in die gerichtliche Kompetenz ressortierendes strafbares Verhalten zur Last fällt (Dorazil/Harbich aaO § 53 E 9 und 18; Sommergruber/Reger aaO Bd 2 § 53 Rz 26).

Die gerichtliche Zuständigkeit zur Aburteilung des Adolf K***** wird durch die vorliegenden Verfahrensergebnisse jedoch indiziert, nach denen ihm einerseits die vorsätzliche Hinterziehung von Eingangsabgaben in einem 500.000 S übersteigenden Ausmaß (§ 53 Abs 2 lit a FinStrG) zur Last liegt und er andererseits verdächtig ist (vgl ON 10), die vorliegenden beiden Finanzvergehen gewerbsmäßig begangen zu haben (§ 53 Abs 1 lit a FinStrG iVm § 38 Abs 1 lit a FinStrG). Da die gerichtliche Strafbarkeit gemäß § 53 Abs 4 FinStrG hinsichtlich der Beteiligten auch besteht, wenn über die die Zuständigkeit des Gerichtes begründende Tat des unmittelbaren Täters noch nicht urteilsmäßig erkannt worden ist (Dorazil/Harbich aaO § 53 E 13; Sommergruber/Reger aaO § 53 Rz 26), hätte es zur rechtsrichtigen Beurteilung der Frage nach der gerichtlichen Strafbarkeit des Angeklagten in Ansehung der vorliegenden Tathandlungen der Feststellung bedurft, welchen strafbestimmenden Wertbetrag insgesamt K***** zu verantworten hat und ob dieser gewerbsmäßig gehandelt hat. Die Gerichtszuständigkeit für den Angeklagten T***** infolge objektiver Konnexität nach § 53 Abs 4 FinStrG hat auch die Anwendung der Bestimmung des § 53 Abs 3 FinStrG über die subjektive Konnexität zur Folge, die dem Gericht auch die Aburteilung aller anderen vom selben Täter verübten Finanzvergehen zuweist, wenn alle diese Vergehen in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde fielen, und zwar auch dann, wenn es sich zum Teil um fahrlässig verübte Finanzvergehen handelt (Dorazil/Harbich aaO § 53 Anm 5 und E 22; Sommergruber/Reger aaO § 53 Rz 23).

Da das Erstgericht Konstatierungen zum strafbestimmenden Wertbetrag, der dem Haupttäter K***** zur Last fällt, und zur Frage der gewerbsmäßigen Tatbegehung durch K***** rechtsirrig unterlassen hat, ist das angefochtene Urteil insoweit mit einer Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO behaftet.

Im erneuerten Verfahren wird sich das Erstgericht damit auseinanderzusetzen haben und - die Annahme der gerichtlichen Strafbarkeit der Finanzvergehen des unmittelbaren Täters vorausgesetzt - auch entsprechende Feststellungen zu dem im angefochtenen Urteil nicht näher beschriebenen Tatverhalten des Angeklagten im Faktum 1. zu treffen haben.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher das angefochtene Urteil zu kassieren und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung aufzutragen.

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