OGH 15Os11/11y

OGH15Os11/11y16.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. März 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jakup I***** wegen des Vergehens der sexuellen Belästigung und öffentlicher geschlechtlicher Handlungen nach § 218 Abs 1 Z 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 29. September 2010, GZ 20 Hv 76/10f-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung (wegen Strafe) werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jakup I***** des Vergehens der sexuellen Belästigung und öffentlicher geschlechtlicher Handlungen nach § 218 Abs 1 Z 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im Oktober 2009 in A***** Isabella P***** durch eine geschlechtliche Handlung vor ihr unter Umständen, unter denen dies geeignet war, berechtigtes Ärgernis zu erregen, belästigt, indem er sie in einem Seminarraum des Hotels L***** in eine Nische zog, festhielt, sie zum Oralverkehr aufforderte und sich letztlich vor ihr bis zum Samenerguss befriedigte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 9 lit a und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Rechtliche Beurteilung

Der Behauptung der Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) zuwider wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung erhobenen Antrags auf „Einholung eines Einzelgesprächsnachweises des Telefons der Isabella P***** zum Beweis dafür, dass das Opfer von sich aus mehrmals Kontakt“ mit dem Angeklagten aufgenommen hätte (ON 22 S 37), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Nach § 55 Abs 1 StPO sind Beschuldigte im Ermittlungsverfahren berechtigt, die Aufnahme von Beweisen zu beantragen, wobei Beweisthema, Beweismittel und jene Informationen, die für die Durchführung der Beweisaufnahme erforderlich sind, zu bezeichnen sind und, soweit dies nicht offensichtlich ist, zu begründen ist, weswegen das Beweismittel geeignet sein könnte, das Beweisthema zu klären. Unter anderem darf eine Beweisaufnahme unterbleiben, wenn das beantragte Beweismittel nicht geeignet ist, eine erhebliche Tatsache zu beweisen, oder wenn das Beweisthema als erwiesen gelten kann. Diese Grundsätze gelten auch für in der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge (RIS-Justiz RS0124908; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 300). Demgemäß hat das Erstgericht den Antrag auf Einholung der Gesprächsnachweise zu Recht abgewiesen, weil es ohnedies von „wechselseitigen telefonischen Kontakten“ (US 5) ausging und die angestrebte Beweisaufnahme überdies keine erheblichen, den Angeklagten entlastenden Tatsachen beweisen hätte können.

Die Argumentation der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die die Eignung des Masturbierens vor einem sexuell nicht unerfahrenen Mädchen, berechtigtes Ärgernis zu erregen, anzweifelt, übergeht die erstgerichtlichen Konstatierungen, aus denen die für die Erfüllung des objektiven Tatbestands erforderliche, nicht unerhebliche negative Gefühlsempfindung (Philipp in WK2 § 218 Rz 15; Kienapfel/Schmoller, BT III2 § 218 RN 18) mit hinreichender Deutlichkeit hervorgeht (US 6, 7 und 9 iVm S 12). Soweit sie behauptet, es hätten bereits sexuelle Kontakte zwischen dem Angeklagten und Isabella P***** stattgefunden, ist sie ebenfalls nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil dies das Festhalten am gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt (der einen früheren solchen Kontakt nicht enthält), dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz und die Behauptung zur Voraussetzung hätte, dass das Gericht bei Beurteilung des Sachverhalts einem Irrtum unterlegen sei (RIS-Justiz RS0119583; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Aus welchem Grund die anlässlich der kontradiktorischen Vernehmung - gegenüber dem Einzelrichter und der Staatsanwältin in Anwesenheit des Angeklagten und des Verteidigers - abgegebene Erklärung des Opfers (ON 13 S 13, 14) nicht als nach § 218 Abs 3 StGB erforderliche und im Urteil (US 7) konstatierte Ermächtigung (im Sinn einer Zustimmung der Berechtigten zur Strafverfolgung gemäß § 92 StPO; vgl Fabrizy, StPO10 § 92 Rz 1) anzusehen sei, vermag die Beschwerde (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO, der Sache nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO) nicht nachvollziehbar darzutun.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (angemeldete, ON 26) Berufung wegen Schuld (§§ 280 erster Satz, 283 Abs 1 StPO) - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (wegen Strafe) ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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