OGH 15Os109/89

OGH15Os109/8921.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.November 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Edelmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Gottlieb Emanuel L***-T*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und § 15 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29.März 1989, GZ 9 d Vr 4241/88-287, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens des vollendeten Diebstahls durch Einbruch lt. Pkt. A.1. sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs nach § 38 StGB) aufgehoben; die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch den erfolglos gebliebenen Teil der Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gottlieb Emanuel L***-T*** (zu A.) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und § 15 StGB sowie (zu B.) des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt der Schuldsprüche liegt ihm zur Last, in Wien (A.1.) nachts zum 14.April 1988 einen Einbruch in die Büroräumlichkeiten der Firma Friedrich P*** GesmbH verübt und dort Bargeld, Briefmarken, Straßenbahnfahrscheine und Stampiglien gestohlen sowie (A.2.) am 25.Juli 1988 einen weiteren Einbruchsdiebstahl dadurch versucht zu haben, daß er zusammen mit dem deswegen bereits rechtskräftig abgeurteilten Peter F*** in das Baubüro der Firma Z*** eindrang, indem er durch ein von ihnen eingeschlagenes Fenster einstieg und die Räumlichkeiten nach verwertbaren Sachen durchsuchte. Überdies verleitete er darnach vier Taxilenker betrügerisch zu vermögensschädigenden Handlungen, und zwar zu Transportleistungen sowie durch die Übergabe nachgemachter Schecks unter Benützung von beim zuerst angeführten Einbruch erbeuteten Scheckvordrucken zur Ausfolgung von Bargeld in der Höhe der jeweiligen Differenz zwischen Fahrpreis und Schecksumme (B.1. bis 4.).

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 5 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt teilweise Berechtigung zu.

Nicht zielführend ist die einleitende Verfahrensrüge (Z 4) zu den Fakten A.2. sowie B.1. bis 4.

Von einer positiven Leistung des Angeklagten im Rahmen der sozialen Gerichtshilfe ist nämlich das Erstgericht mit Bezug auf eine in der Hauptverhandlung verlesene dementsprechende Mitteilung des Zeugen S*** (ON 284) bei der Feststellung seiner dortigen Tätigkeit (US 25) deutlich genug ohnehin ausgegangen. Durch die bekämpfte Abstandnahme von einer persönlichen Vernehmung des genannten Zeugen hiezu (Z 4) wurden demnach seine Verteidigungsinteressen nicht beeinträchtigt; daß die Tatrichter aus diesem Verfahrensergebnis in Ansehung seiner (von ihm geleugneten) Täterschaft in den hier aktuellen Schuldspruch-Fakten (unter Auswertung ihn belastender konkreter Beweismittel) keinen Schluß auf seine Schuldlosigkeit zogen, hat mit der aufgezeigten Entbehrlichkeit der urgierten Beweisaufnahme nichts zu tun. Zum Faktum A.2. jedoch ist vom Beschwerdeführer ein Antrag auf Vernehmung des (inzwischen rechtskräftig) als Mittäter abgeurteilten Peter F*** in der Hauptverhandlung nach dem Inhalt der darüber aufgenommenen Protokolle (ON 248, 286) in Verbindung mit dem Ergebnis der vom Obersten Gerichtshof veranlaßten Aufklärungen (§ 285 f StPO) - demzufolge in bezug auf den Gegenstand der im Hauptverhandlungsprotokoll (S 61/IV) angeführten "Antragstellung Nr. 12 vom 26.3.1988" (soll heißen: 1989) der vom Angeklagten vorgelegten Abschrift jenes Antrags gefolgt wurde - nicht gestellt worden. Eine derartige Antragstellung wäre aber nach der Prozeßordnung für eine erfolgreiche Geltendmachung des reklamierten Nichtigkeitsgrundes als unerläßlich vorauszusetzen.

Dem Antrag auf "Beischaffung des Erkenntnisses (gemeint wohl: Ergebnisses) der Spurensicherung ... bezüglich der Fingerabdrücke und Handballenabdrücke (Beischaffung des Ergebnisses Seite 243 umseits)" hinwieder (S 368/III) hat das Erstgericht ohnehin entsprochen, indem es die darauf bezogene, zudem als S 349/I schon längst beim Akt erlegene Mitteilung des EKF neuerlich (in Photokopie) beischaffte (ON 277) und zur Verlesung brachte (S 48/IV). Von einer "bloß mündlichen - nicht

protokollierten - Mitteilung der Vorsitzenden, es gebe kein brauchbares Ergebnis", kann daher keine Rede sein. Die nunmehr vom Beschwerdeführer vermißte Einholung "näherer Auskünfte" darüber und die Beschaffung der "Spuren selbst" (gemeint wohl: der Folien mit den nach dem Ergebnis der polizeilichen Auswertung daktyloskopisch nicht verwertbaren Spuren) indessen ist von ihm gleichfalls in erster Instanz nicht beantragt worden, sodaß sich auch dazu nach dem zuvor Gesagten weitergehende Erörterungen erübrigen. Einen Lokalaugenschein am Tatort schließlich hat das Schöffengericht mit Recht abgelehnt, weil er bei seinem darauf gerichteten Antrag (S 62/IV, 505/III) in keiner Weise dargelegt hat, aus welchen Gründen sich hiebei entgegen der Darstellung des Zeugen K***, der darnach vom Fenster aus freie und ausreichende Sicht auf den Tatort hatte, doch Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung von dessen Sichtmöglichkeit zur Tatzeit hätten ergeben sollen. Selbst der nunmehrige Beschwerdehinweis auf die "bekanntermaßen in den Wiener Außenbezirken zu dieser Nachtzeit sehr unterschiedliche Beleuchtung" ändert nichts daran, daß der in Rede stehende Antrag ersichtlich bloß der Erkundung allfälliger - aus der begehrten Beweisaufnahme erst abzuleitender - entlastender Argumente dienen sollte.

Auch die Verfahrensrüge (Z 4) und die Mängelrüge (Z 5) zu den Fakten B.1. bis 4. gehen fehl.

Die Vernehmung jenes Angestellten der C***-B***

(vgl. ON 257), bei dem - ohne daß dieser Vorgang inkriminiert wäre - schon am Morgen nach dem Einbruch ins Büro der Firma P*** unter Benützung eines dort erbeuteten Vordrucks (mit der Endnummer 465) ein nachgemachter Scheck eingelöst wurde, zur Erlangung einer Personsbeschreibung des Einlösers konnte das Schöffengericht deshalb mit gutem Grund ablehnen, weil der Beschwerdeführer bei der Antragstellung (S 497/III, 61 f./IV) keinerlei konkrete Umstände vorgebracht hat, denen zufolge sich ein Bankangestellter im Schalterdienst nach fast einem Jahr noch an das Aussehen irgendeines der zahlreichen von ihm bedienten Kunden zu entsinnen vermöchte, zumindest in den Bereich einer realen Wahrscheinlichkeit gerückt worden wäre. Auch jener Antrag zielte sohin lediglich auf die - als Gegenstand geschützter Verteidigungsrechte (Z 4) nicht in Betracht kommende - Durchführung eines reinen Erkundungsbeweises ab.

Zur Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten bei den Betrugsfakten gelangte das Erstgericht primär durch die Bekundungen der getäuschten Taxilenker (US 20 bis 22); mit Bezug auf den Beweiswert der Gegenüberstellungen maß es der Aussage des Zeugen S*** insofern keine Bedeutung bei, als es eine dabei unterlaufene Beeinflussung der Agnoszierungszeugen ausschloß (US 24). Von einer Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe (Z 5) deswegen, weil es diese Aussage bloß durch die Beschreibung ihres Themas wiedergegeben habe, kann daher gleichfalls keine Rede sein. Eben das gilt auch für eine mit der Mängelrüge (Z 5) urgierte Erörterung des bereits vorher ergangenen Urteils gegen den wegen Mittäterschaft in drei Fällen abgesondert verfolgten Josef B***, welches in der Hauptverhandlung nicht verlesen wurde und dessen Auswertung bei der hier bekämpften Entscheidung demnach gar nicht zulässig gewesen wäre (§ 258 Abs. 1 StPO). Zu einer Einordnung jener Ergebnisse des Schriftsachverständigen-Gutachtens jedoch, wonach der vom Täter an den Zeugen E*** begebene Scheck "mit Wahrscheinlichkeit" vom Beschwerdeführer ausgefüllt wurde (US 22), in die der Expertise zugrunde gelegte Wahrscheinlichkeits-Skala (S 35/IV) war das Schöffengericht deshalb nicht verhalten (Z 5), weil es der in Rede stehenden graphologischen Beurteilung ohnehin nur einen die Zeugenaussagen der Taxilenker ergänzenden Beweiswert zuerkannte (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO).

Gerade in Anlehnung an die vom Angeklagten relevierte Skala hinwieder, in der zwar zwischen "sehr hoher" und "hoher", aber nicht zwischen "hoher" und "mittelhoher" Wahrscheinlichkeit differenziert wird, konnte es den vom Sachverständigen attestierten "etwa mittelhohen" positiven Beweiswert bestimmter graphischer Gemeinsamkeiten (S 31/IV) sprachlich und logisch zwanglos als einen "hohen" bezeichnen (US 22), ohne damit den Inhalt des Gutachtens aktenwidrig (Z 5) zu umschreiben.

Im bisher erörterten Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde nach Anhörung der Generalprokuratur schon in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 und Z 1 iVm § 285 a Z 1 StPO). Auf vom Beschwerdeführer selbst verfaßte Ergänzungen zu diesem Rechtsmittel, war dabei nicht einzugehen, weil im Gesetz nur eine einzige Beschwerdeausführung vorgesehen ist (§ 285 Abs. 1 StPO).

Mit Recht hingegen remonstriert der Angeklagte gegen den Schuldspruch zum Faktum A.1.

Insoweit ist seinen im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5 a) vorgebrachten Argumenten dahin beizupflichten, daß die Annahme (US 15 f.), allein schon die Verwendung der beim Einbruch ins Büro der Firma P*** erbeuteten Scheckvordrucke durch ihn "kurz" nachher weise auf seine Täterschaft hin, deswegen mit allgemeiner gleichwie mit forensischer Erfahrung nicht im Einklang steht (sachlich Z 5), weil dazwischen doch immerhin ein Zeitraum von zumindest mehreren Stunden verstrich, innerhalb dessen er die Formulare - gerade in Anbetracht seiner ständigen Kontakte zu Kriminellen - sehr wohl von einem Dieb erhalten haben kann, ohne an jener Tat beteiligt gewesen zu sein. (So war etwa Josef B*** nach den Urteilsannahmen wohl an drei Scheckbetrügereien, nicht aber an der Wegnahme der Schecks beteiligt.)

Unlogisch ist insoweit das ergänzende Argument, nur der Dieb, der ja wisse, wo er eingebrochen habe, könne die Vordrucke mit der Unterschrift P*** versehen haben (US 16); denn abgesehen davon, daß auf den inkriminierten Schecks jeweils auch ein Abdruck des Firmenstempels angebracht war (US 14 iVm S 141, 143/I), liegt klar auf der Hand, daß ein Dieb zugleich mit der Übergabe der Formulare auch deren Herkunft bekanntgegeben haben kann.

Der aufgezeigte Nichtigkeitsgrund macht im davon betroffenen Umfang eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich, sodaß auch dazu (ebenfalls nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei der nichtöffentlichen Beratung) sogleich wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung der darauf bezogenen weiteren Beschwereeinwände bedarf.

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