OGH 15Os107/11s

OGH15Os107/11s19.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Steinbichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alexander W***** und andere wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Prabhjot S***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieses Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 12. April 2011, GZ 612 Hv 1/11f‑182, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält, wurde Prabhjot S***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zur Ausführung der strafbaren Handlung des Alexander W*****, der Harald We***** durch einen Schuss aus einer Pistole in den Kopf vorsätzlich tötete, beigetragen, indem er einerseits Alexander W***** die Tatwaffe verschaffte und andererseits an der Gegensprechanlage des Wohnhauses We*****s läutete, sodass W*****, welcher vor der Wohnungstüre des We***** mit der Waffe im Anschlag bereit stand, unmittelbar nach Öffnen der Türe den Schuss abgeben konnte.

Die Geschworenen haben die nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 12 dritter Fall, 75 StGB gestellte Hauptfrage bejaht und demgemäß die nach dem Vergehen der Körperverletzung nach §§ 12 dritter Fall, 83 Abs 1 StGB gestellte Eventualfrage unbeantwortet gelassen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte S***** bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf Z 6, 8, 10a und 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Diese verfehlt ihr Ziel.

Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert das Unterbleiben der Stellung (weiterer) Eventualfragen nach schwerer Körperverletzung (§§ 83 Abs 1, 84 StGB), absichtlicher schwerer Körperverletzung (§ 87 StGB), Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83 Abs 1, 86 StGB) und fahrlässiger Tötung (§ 80 StGB), jeweils als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB, unterlässt es aber - allein mit der Behauptung, der Angeklagte habe nur von einer „Abreibung“ gewusst -, jenen konkreten Sachverhalt deutlich und bestimmt zu bezeichnen, auf den die Rechtsbegriffe der vermissten Tatbestände abstellen. Da die Fragenrüge somit kein eine Eventualfrage indizierendes Tatsachensubstrat benennt, wird sie nicht prozessförmig zur Geltung gebracht (RIS-Justiz RS0117447). Gleiches gilt für die daran anschließende Spekulation, „ein weiteres Spektrum an Eventualfragen hätte eine intensivere Beschäftigung der Geschworenen mit dem vorgeworfenen Sachverhalt und der Rolle des Drittangeklagten in dem Konstrukt der Tatausführungen mit sich gebracht“.

Soweit die Fragenrüge weiters kritisiert, die Hauptfrage hätte „keinerlei Fragepunkte bzw Umstände“ enthalten, ob der Rechtsmittelwerber hinsichtlich der Ausführungshandlung oder des Tatbeitrags vorsätzlich gehandelt habe, ist sie darauf zu verweisen, dass der bedingte Vorsatz unterstellt wird, wenn in einem Tatbestand auf der subjektiven Tatseite keine vom Mindesterfordernis des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB abweichende Vorsatzform verlangt wird. Eine dem Text des § 75 StGB entsprechende Formulierung der Hauptfrage bringt daher die erforderliche subjektive Tatseite unmissverständlich zum Ausdruck, weil zufolge § 7 Abs 1 StGB nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt (RIS‑Justiz RS0113270 [vor allem T1]). Dies gilt ‑ sind die Täterschaftsformen doch rechtlich gleichwertig ‑ auch für jeden Beteiligten an der strafbaren Handlung (§ 12 StGB).

Eine prozessordnungsgemäße Ausführung der Instruktionsrüge (Z 8) verlangt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit dem nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichen Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der behaupteten Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS‑Justiz RS0119549). Gegenstand der Instruktionsrüge ist somit der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, die Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage bezogene Inhalt der im Gesetz genannten Belehrung (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 53). Mit der spekulativen Behauptung, die Laienrichter würden die ‑ im allgemeinen Teil der Rechtsbelehrung vorkommenden ‑ Begriffe „normgemäßes Verhalten“ (bei Erklärung der Schuld) und „wesentliche Deliktsmerkmale“ (bei Erläuterung der Beitragstäterschaft) nicht verstehen oder missverstehen, wird daher keine Undeutlichkeit oder Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung dargetan.

Die Angabe des Strafsatzes der in Rede stehenden strafbaren Handlung fordert die Rechtsbelehrung nach § 321 Abs 2 StPO nicht, sodass das hierauf gerichtete Vorbringen zu den Eventualfragen ins Leere geht. Im Übrigen wird der Strafsatz für das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB bei der Eventualfrage 1 - durch Wiedergabe der Gesetzesbestimmung - angeführt.

Die Belehrung zu der den Angeklagten betreffenden Hauptfrage findet sich unmissverständlich und ausreichend durch einen Verweis auf die Erklärung zur Hauptfrage 2. Dass die Geschworenen dadurch „in ihrer Objektivität und ihrer Urteilsfindung“ beeinflusst würden, bleibt unsubstantiierte Behauptung der Beschwerde.

Auch bei ihrer Kritik an den Ausführungen zu dem für einen Beitragstäter notwendigen Vorsatz geht die Rüge nicht von der Rechtsbelehrung in ihrer Gesamtheit aus, vernachlässigt sie doch die hiezu gegebenen Erläuterungen im Rahmen der Belehrung über die Vorsatzformen (S 3 iVm 6 f der Rechtsbelehrung).

Mit der Wiederholung seiner Verantwortung, er habe nur von einer „Abreibung“ gewusst, der Erstangeklagte habe ihm beim Verkauf der Waffe nichts über die beabsichtigte Verwendung derselben gesagt, sowie der eigenständigen Erwägung, bei Mitwisserschaft (des Rechtsmittelwerbers) hätte auch der Viertangeklagte von den Mordplänen wissen müssen, gelingt es der Tatsachenrüge nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken (Z 10a).

Mit der bloßen Behauptung, der Spruch des Erstgerichts sei undeutlich und unvollständig, weil daraus nicht zu entnehmen sei, ob der Nichtigkeitswerber die ihm angelastete Tat vorsätzlich als Beitragstäter begangen hätte, wird mangels Festhaltens am Wahrspruch der in Anspruch genommene Nichtigkeitsgrund nicht prozessförmig dargestellt (im Übrigen gilt ‑ wie schon zur Fragenrüge ausgeführt ‑ der Vorsatz als subintelligiert, wenn die Deliktsbeschreibung keine subjektiven Merkmale enthält, der zur Anwendung gelangte Tatbestand also durch § 7 Abs 1 StGB ergänzt wird; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 12; SSt 59/83).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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