Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Mischa E***** und Dominik S***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (1.), letzterer weiters (richtig:) der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (2.), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (3.) sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB
(4.) schuldig erkannt.
Danach haben
1) Mischa E***** und Dominik S***** am 15. Oktober 2006 in Schärding in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken Klaus H***** eine schwere Körperverletzung (verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Berufsunfähigkeit), nämlich einen Bruch der rechten Augenhöhle, einen Bruch des rechten Kiefers, einen Leberriss rechts, einen Nierenriss rechts, eine Gehirnerschüttung und eine Verbrennung zweiten Grades des gesamten linken Unterschenkels und des Fußes absichtlich zugefügt, indem sie ihm mehrere Faustschläge und Fußtritte versetzten sowie seine Hose im Bereich des linken Unterschenkels und Fußes anzündeten,
2) Dominik S***** in der Zeit von Jänner bis 17. Mai 2006 in Neuhaus/Inn mit der unmündigen, am 18. Mai 1992 geborenen Viktoria D***** wiederholt den Beischlaf unternommen,
3) Dominik S***** am 24. September 2006 in Schärding Samuel P***** durch Versetzen eines Faustschlages in das Gesicht, wodurch dieser eine Nasenbeinverletzung erlitt, am Körper „leicht verletzt",
4) Dominik S***** etwa Mitte September 2006 in Schärding dadurch, dass er gegenüber Kathrin K***** äußerte, Klaus H***** und Stefanie M***** bräuchten in Schärding nicht mehr fortzugehen, weil sie dann ihr Gesicht nicht mehr kennen würden, Klaus H***** und Stefanie M***** gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die von beiden Angeklagten auf Z 5, 5a und 10, vom Zweitangeklagten auch auf Z 2 und 3 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden; sie verfehlen ihr Ziel.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Mischa E*****:
Unvollständig im Sinne der Z 5 ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421). Der Alkoholisierung des Tatopfers Klaus H***** kommt fallaktuell für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage aber ebensowenig Bedeutung zu wie der genauen Trinkmenge des Erstangeklagten, zumal das Erstgericht bei beiden Personen von einer Trunkenheit ausgegangen ist (US 5, 12), eine volle Berauschung des Mischa E***** aber ausgeschlossen hat (US 12).
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ließen es die Tatrichter nicht unerwähnt, dass Klaus H***** in jener Nacht nicht nur eine Auseinandersetzung gehabt haben soll (US 7 letzter Absatz). Sie setzten sich mit den diesbezüglichen Aussagen der Zeugen Stefanie M***** und Michael S***** auch beweiswürdigend auseinander (US 7, 8). Eine Diskrepanz zwischen der Verantwortung der Angeklagten und darauf bezugnehmenden beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichtes stellt keinen Widerspruch im Sinn des dritten Falles der Z 5 dar (zu den verschiedenen Möglichkeiten eines nichtigkeitsbegründenden Widerspruchs vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 437). Im Übrigen sind die Ausführungen des Erstgerichtes, wonach die Angeklagten bestritten hätten, Klaus H***** schwere Verletzungen zugefügt zu haben, und die Einlassung des Erstangeklagten, er habe drei- bis viermal auf Klaus H***** hingeschlagen, nach den Denkgesetzen nicht unvereinbar. Die Verwertung einer geständigen Verantwortung anlässlich der sicherheitsbehördlichen Vernehmung im Rahmen der Beweiswürdigung steht wiederum mit der Verweigerung des Milderungsgrundes des reumütigen Geständnisses nicht in Widerspruch im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes. Die insgesamt bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichtes angreifende Argumentation der Beschwerde versucht dadurch in Wahrheit lediglich, für den Angeklagten einen zusätzlichen Milderungsgrund (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) zu reklamieren. Warum es notwendig gewesen wäre, den - vom Erstgericht mit „nach Mitternacht" festgemachten - Tatzeitpunkt präziser zu fassen, legt die Beschwerde - zumal die Tat ausreichend individualisiert ist - nicht dar (inhaltlich Z 3).
Die Absicht des Erstangeklagten, Klaus H***** am Körper schwer zu verletzen, blieb - der Beschwerde zuwider - nicht unbegründet, sondern wurde - logisch und empirisch mängelfrei - auf das nach der Überzeugung der Tatrichter starke Motiv des Zweitangeklagten sowie auf die Art der Tathandlungen gegründet (US 11 f). Eine offenbar unzureichende Begründung vermag die Beschwerde in diesem Zusammenhang nicht aufzuzeigen.
Die ebenfalls gegen die Annahme der Absichtlichkeit gerichtete Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit der Wiederholung der Verantwortung des Erstangeklagten und Spekulationen darüber, welche Körperteile ein absichtlich handelnder Täter wohl angezündet hätte, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofes gegen die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tatsachen zu wecken.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) bestreitet die konstatierte Willensausrichtung der Angeklagten und begehrt eine Verurteilung nach § 84 StGB, übergeht hiebei aber die eindeutigen, von einem absichtlichen (§ 5 Abs 2 StGB) Handeln ausgehenden Urteilsannahmen (US 5). Soweit sie sich in eigenständigen Beweiswerterwägungen ergeht und die Anwendung des Zweifelsgrundsatzes einfordert, entfernt sie sich von den Feststellungen des Erstgerichtes und verfehlt so den tatsächlichen Bezugspunkt der Anfechtung.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dominik S*****:
Soweit die aus „Z 2 und 3" erhobene Rüge ein „volles Entschlagungsrecht" der Viktoria D***** postuliert, weil diese mit dem Angeklagten ein gemeinsames Kind habe, ist sie bloß darauf hinzuweisen, dass die Zeugin D***** zwar vom Zweitangeklagten schwanger wurde, die Leibesfrucht aber abgetrieben hat. Ein zur Entschlagung berechtigendes Verwandtschaftsverhältnis des außerehelichen Vaters wird aber erst durch die Geburt des Kindes begründet (Jerabek in WK2 § 72 Rz 9). Das in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen zu - nach Ansicht des Beschwerdeführers - rechtswidrigen Verlesungen und Vernehmungen kann somit auf sich beruhen.
Indem die Beschwerde behauptet, das Urteil zitiere die Aussage des Zeugen S***** selektiv (US 9 f), bezieht sie sich nicht auf die Feststellung entscheidender Tatsachen, sondern auf beweiswürdigende Erwägungen des Erstgerichtes. Solcherart bekämpft sie bloß dessen Beweiswürdigung, ohne eine Unvollständigkeit, Widersprüchlichkeit oder Aktenwidrigkeit des Urteils aufzuzeigen.
Der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftssätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht.
Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) somit den Urteilsannahmen bloß eigene Erwägungen und Hypothesen über den Tathergang und das mögliche Nachtatverhalten des Zweitangeklagten sowie spekulative Rückschlüsse aus den fehlenden Verletzungen an den „Knöcheln der Schlaghand" der Angeklagten und den von ihnen getragenen (die absichtliche Zufügung schwerer Verletzungen nach Auffassung der Beschwerde offenbar hindernden) „weichen" Turnschuhen gegenüberstellt, zielt sie gerade auf eine Überprüfung des Beweiswürdigungsermessens des erkennenden Schöffengerichtes, ohne damit erhebliche Bedenken im Sinne des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes zu wecken. Dass sich der Zeuge H***** nicht mehr an die Tat erinnern kann, wurde von den Tatrichtern zudem ebenso bedacht wie sie die Vernehmungssituation anlässlich des Geständnisses des Erstangeklagten hinterfragt haben (US 9 f).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) meint, das Erstgericht habe den Sachverhalt irrig § 87 StGB unterstellt, übergeht hiebei aber die eindeutigen Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 5). Warum nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in diesem Fall § 84 StGB herangezogen werden müsste, legt das Rechtsmittel in keiner Weise dar.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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