OGH 15Os102/87

OGH15Os102/8724.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Juli 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Swoboda als Schriftführer in der Strafsache gegen Goran K*** wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1, 130 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8.April 1987, GZ 11 Vr 4275/86-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die gewerbsmäßige Begehung und in der rechtlichen Beurteilung der zu Punkt 1 bezeichneten Diebstähle (auch) nach § 130 erster Fall StGB sowie demzufolge im Strafausspruch und dem davon abhängenden Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft aufgehoben und die Strafsache - zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang - an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

III. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die zu

I. getroffene Entscheidung verwiesen.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die durch den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der jugoslawische Staatsangehörige Goran K*** des Verbrechens des (zu ergänzen: versuchten) gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1, 130 erster Fall StGB und der Vergehen des Gebrauches fremder Ausweise nach § 231 Abs. 1 StGB sowie nach § 14 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz schuldig erkannt.

Darnach hat er

1) am 10.Dezember 1986 in Graz an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel in fünf Angriffen versucht, fremde bewegliche Sachen unbekannt gebliebenen Personen mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung der Diebstähle fortlaufende Einnahmen zu verschaffen,

2) am 9.Dezember 1986 in Graz einen amtlichen Ausweis, der für einen anderen ausgestellt war, nämlich den jugoslawischen Reisepaß mit der Nummer HO. 436.190, lautend auf Danijl K***, durch Vorlage bei der Anmeldung in einem Hotel im Rechtsverkehr gebraucht, als wäre er für ihn ausgestellt, und

3) Anfang Dezember 1986 einem unbefristeten Aufenthaltsverbot zuwider das Bundesgebiet (der Republik Österreich) betreten, obwohl er innerhalb der letzten drei Jahre der gleichen Tat wegen von der Verwaltungsbehörde bestraft wurde.

Der gegen dieses Urteil gerichteten auf die Z 3, 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt nur teilweise Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Unberechtigt ist die Ansicht des Beschwerdeführers, eine Nichtigkeit (Z 3) liege deshalb vor, weil das Hauptverhandlungsprotokoll nur vom Vorsitzenden, nicht aber auch vom Schriftführer unterschrieben sei (S 120).

Wenngleich die Unterschrift des Schriftführers, eines zum Zeitpunkt der Herstellung der Urteilsausfertigung nicht mehr beim Erstgericht beschäftigten Rechtspraktikanten (S 130), auf dem Hauptverhandlungsprotokoll fehlt, ist der angerufene Nichtigkeitsgrund nicht verwirklicht. Dieser wäre nämlich nur dann gegeben, wenn die Aufnahme eines Hauptverhandlungsprotokolls überhaupt unterlassen worden wäre (vgl. Mayerhofer/Rieder, StPO2, E 51 zu § 281 Abs. 1 Z 3 = E 22 zu § 271 ua). Darüberhinaus ist unzweifelhaft erkennbar, daß die gerügte Formverletzung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs. 3 StPO), behauptet doch der Beschwerdeführer selbst der Sache nach das Protokoll entspreche seinen in der Hauptverhandlung gemachten Angaben. Auch im Akteninhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit des Hauptverhandlungsprotokolls. Es ist daher kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß es anders ausgefallen wäre, wenn es (auch) der Schriftführer unterfertigt hätte (11 Os 46/86). Insoweit war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich in diesem Beschwerdepunkt ihrem Wesen nach auf den gesamten Urteilsinhalt bezieht, sofort bei der nichtöffentlichen Beratung als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO). Der gegen die Urteilsfeststellung gewerbsmäßiger Verübung der dem Angeklagten zur Last liegenden Diebstähle erhobenen Mängelrüge (Z 5) kann allerdings Berechtigung nicht versagt werden. Das Schöffengericht stützte diese Annahme auf die mehrmaligen Diebstahlsversuche in kürzesten Abständen und auf die Konstatierung, der Angeklagte sei keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen, habe also über kein Einkommen verfügt (Seite 128 f.). Mit Recht rügt der Beschwerdeführer, daß das Schöffengericht hiebei jede Begründung dafür unterließ, aus welchen Gründen es über seine in der Hauptverhandlung vorgebrachte (S 114 und 117) Behauptung hinwegkam, daß er bis zu seiner Festnahme als Kellner und Elektroinstallateur in Jugoslawien mit einem Nettoeinkommen von (umgerechnet) S 3.000,-- monatlich beschäftigt gewesen sei (S 47 und 117 iVm S 114).

Im Hinblick auf die Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte erst Anfang Dezember 1986 nach Österreich eingereist war (S 124) und hier bereits am 10.Dezember 1986 festgenommen wurde, kann auch nicht unterstellt werden, das Schöffengericht habe als evident angenommen, daß das Beschäftigungsverhältnis aufgelöst gewesen sei. Im aufgezeigten Umfang ist daher das schöffengerichtliche Urteil zwar nicht - wie der Beschwerdeführer meint - mit Aktenwidrigkeit, aber doch mit einem der Sache nach aufgezeigten Begründungsmangel behaftet.

Dieser Mangel nötigt den Obersten Gerichtshof zur Aufhebung des Ausspruches über die gewerbsmäßige Begehung der Diebstaten und über die dementsprechende rechtliche Qualifikation sowie demzufolge auch des Strafausspruches und des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung. In diesem Umfang war somit eine Verfahrenserneuerung anzuordnen, ohne daß es noch erforderlich gewesen wäre, auf die gegen die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung gerichtete Rechtsrüge (Z 10) einzugehen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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