OGH 15Os100/13i

OGH15Os100/13i13.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Henry A***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. Februar 2013, GZ 141 Hv 4/13m-190, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Henry A***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG als Beitrags- (A./I./) und Bestimmungstäter (A./II./) nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB, der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (B./), des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 und Abs 3 SMG als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB (C./I./) sowie des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Fall und Abs 3 SMG (C./II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien und anderen Orten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, bestehend aus im Spruch des Urteils bezeichneten (sieben) Mitgliedern,

A./ zur vorschriftswidrigen Aus- und Einfuhr von Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus Belgien und den Niederlanden sowie aus bzw durch Deutschland und teilweise über die Tschechische Republik zur Einfuhr nach Österreich

I./ beigetragen, indem er gemeinsam mit Mittätern die Suchtgiftlieferungen organisierte und sich vor Beginn der Schmuggelfahrten bereit erklärte, das nach Österreich verbrachte Suchtgift zur Verteilung zu übernehmen, die Suchtgifterlöse einzusammeln und den Suchtgiftkurieren bis Juni 2012 seine Wohnung zur Ausscheidung des Suchtgifts zur Verfügung zu stellen, und zwar

1./ im Mai 2012 zur Einfuhr von 500 Gramm Kokain mit zumindest 20 % (100 Gramm) Reinsubstanz Cocain;

2./ im Juli 2012 zur Einfuhr von 500 Gramm Kokain mit zumindest 25 % (125 Gramm) Reinsubstanz Cocain;

3./ im Juli 2012 zur Einfuhr von 908,9 Gramm Kokain mit zumindest 328 Gramm Reinsubstanz Cocain;

II./ andere bestimmt, und zwar im Mai 2012 Daniel Ab***** zur Einfuhr von 1.145,6 Gramm Kokain mit zumindest 205 Gramm Reinsubstanz Cocain;

B./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge unbekannten Abnehmern überlassen, und zwar

I./ im Mai 2012 das unter A./I./1./ genannte Kokain;

II./ im Juli 2012 das unter A./I./2./ genannte Suchtgift (abzüglich 123,4 Gramm sichergestellten Kokains);

C./I./ zum vorschriftswidrigen Besitz und zur vorschriftswidrigen Beförderung von Suchtgift in einer insgesamt das 15-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 908,9 Gramm Kokain mit zumindest 328 Gramm Reinsubstanz Cocain mit dem Vorsatz beigetragen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er die zu A./I./ beschriebenen Beitragshandlungen setzte;

C./II./ Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz vorschriftswidrig erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am oder nach dem 7. Juli 2012 123,4 Gramm Kokain mit zumindest 30,6 Gramm Reinsubstanz Cocain zum Weiterverkauf übernahm und bis 17. Juli 2012 in seiner Wohnung verwahrte.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus den Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.

Der Mängelrüge zuwider ist die Begründung zu den die Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG tragenden Feststellungen weder unvollständig noch unzureichend (Z 5 zweiter und vierter Fall). Vielmehr konnten die Tatrichter die Urteilsannahmen, der Angeklagte habe sich durch die zur Last gelegten Straftaten an einer auf Suchtgifthandel ausgerichteten kriminellen Vereinigung beteiligt (US 9 f), mängelfrei aus dem - auch von ihm selbst teilweise zugestandenen - Tatablauf, aus den Ergebnissen der Telefonüberwachung und aus den allgemeinen Überlegungen über internationalen Drogenschmuggel ableiten (US 14 ff). Dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend waren sie dabei nicht verpflichtet, sich mit den einzelnen Details der Verantwortung des Angeklagten gesondert auseinanderzusetzen. Eines „Nachweises einer Einbindung des Angeklagten in den Entscheidungsprozess der Organisation“ bedurfte es nicht. Dass der Schöffensenat in seiner Begründung auch auf allgemeine, in der Hauptverhandlung nicht ausdrücklich erörterte Überlegungen und Erfahrungswerte zurückgegriffen hat, ist weder unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit bedenklich noch verstößt dies gegen das Überraschungsverbot (vgl dazu RIS-Justiz RS0119094).

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt - entgegen den weiteren Beschwerdeeinwänden - dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099431). Die von den Erstrichtern aus den erhobenen Beweisen mängelfrei gezogenen Schlussfolgerungen können indes nicht unter dem Aspekt einer Aktenwidrigkeit angefochten werden (RIS-Justiz RS0099524). Warum dem Protokoll über die Vernehmung des Angeklagten vor der Polizei bloß deshalb kein Beweiswert zukommen sollte, weil er seine Unterschrift verweigert hatte (ON 62 S 99), und die Bezugnahme darauf aktenwidrig sein sollte, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Die Erwägungen der Tatrichter zum Zustand des Angeklagten bei seiner Festnahme (nicht, wie von der Rüge fälschlich behauptet, bei der polizeilichen Vernehmung) betreffen keine entscheidende Tatsache, sodass Aktenwidrigkeit von vornherein nicht in Betracht kommt. Im Übrigen wurde die Aussage des Zeugen H***** in den Urteilsgründen richtig zitiert (US 14 iVm ON 189 S 12).

Soweit die Rüge einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) darin sieht, dass die Tatrichter der Verantwortung des Angeklagten, er habe nur einen Teil der Lieferung für sich und zur Weitergabe bekommen, keinen Glauben schenkten, andererseits davon ausgingen, er habe gewusst, dass das geschmuggelte Suchtgift unterschiedlich gekennzeichnet und für unterschiedliche Abnehmer bestimmt war, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung nach Art einer Berufung wegen Schuld, ohne einen Widerspruch im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzeigen zu können.

Keineswegs unbegründet blieben die dem Angeklagten zu A./I./ zur Last gelegten - hier im Organisieren von Unterkünften zur Ausscheidung des geschmuggelten Suchtgifts erblickten - Beitragshandlungen (US 13 iVm ON 62 S 95 ff sowie US 17 f).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) den Urteilsannahmen bloß eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüberstellt und behauptet, „selbst ein Blinder“ könne sehen, dass „sich die Kurierfahr(t) so sicher nicht zugetragen“ habe, gelingt es ihr nicht, erhebliche Bedenken im Sinn des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen. Aus welchem Grund „durch die sich über erhebliche Bedenken hinwegsetzende Begründung auch Art 6 Abs 1 MRK verletzt“ sein soll, bleibt vollends unklar.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht mit der Behauptung, das Bereitstellen einer Wohnung könne keinen Beitrag zur Einfuhr von Suchtgift darstellen (zu den verschiedenen Arten der Beitragstäterschaft s aber Fabrizy in WK2 § 12 Rz 88 ff), weil dies mit dem Überschreiten der Grenze „abgeschlossen“ sei, die Gesamtheit der konstatierten Beitragshandlungen (US 3, 9 f, 23) und verfehlt so die prozessordnungskonforme Darstellung dieses Nichtigkeitsgrundes (vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0111410).

Gleiches gilt für die Subsumtionsrüge (Z 10), die die Feststellung eines auf die Ein- und Ausfuhr einer übergroßen Menge (§ 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG) gerichteten Wollens vermisst, dabei aber die diesbezüglichen Urteilsannahmen US 10 vernachlässigt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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