Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen (auch rechtskräftige Freisprüche enthaltenden) Urteil wurde Christian H***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I.1. und 2.) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt.
Demnach hat er im Jahr 1999 in Innsbruck
I. außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person, nämlich dem am 30. Dezember 1985 geborenen Friedrich S***** vorgenommen, indem er
1. dessen Augen und Mund verklebte und ihm Oropax in die Ohren steckte und ca. 20 Minuten lang an seinem Geschlechtsteil onanierte und
2. den entblößten Geschlechtsteil des Friedrich S***** in zahlreichen weiteren Fällen betastete;
II. unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dem seiner Ausbildung und Aufsicht unterstehenden minderjährigen Friedrich S***** durch die unter I.1. und 2. angeführten Handlungen zur Unzucht missbraucht.
Rechtliche Beurteilung
Die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Die Verfahrensrüge aus Z 4 kann nicht auf außerhalb der Hauptverhandlung gestellte Anträge bezogen werden (vgl § 238 Abs 1 StPO; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 304 f, 309 f). Die im vorliegenden Fall zum einen nach Rückleitung des Verfahrens an den Untersuchungsrichter vor Neudurchführung der Hauptverhandlung (vgl S 15/II) und zum anderen erst nach der Urteilsverkündung (ON 47) gestellten Anträge und die Entscheidungen darüber bilden daher keinen Anknüpfungspunkt für den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund. Gleiches gilt für eine „Rüge" von außerhalb der Hauptverhandlung stattgefundenen Vorgängen (S 15/II; Punkte 1.a und b der Beschwerde).
Die „Einholung" (und ersichtlich gemeint: Verlesung) zweier Akten betreffend frühere Strafverfahren gegen Friedrich S*****, die zum Beweis dafür beantragt wurde, dass der Genannte Haschisch, Ecstasy und Alkohol konsumiert habe, von Suchtgift abhängig gewesen sei und seine Aussage deshalb nicht „die erforderliche Glaubwürdigkeit" aufweise, und die zudem dartun sollte, dass er „sehr kopflastige Angaben" gemacht habe, „bei welchen er die vernehmenden Beamten belastete und nach gegenteiligen Beweisen angeben musste, dass er sich Geschichten ausgedacht haben, die nicht stimmen" (S 35/II), wurde entgegen der Beschwerde (1.c) ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten abgelehnt. Weshalb der im Antrag behauptete Umgang des Friedrich S***** mit Alkohol und Suchtgift sowie die Verantwortung, die S***** in den gegen ihn beim Bezirksgericht und beim Landesgericht Innsbruck geführten Strafverfahren wählte, geeignet sein sollten, seine Glaubwürdigkeit als Zeuge im vorliegenden Verfahren in Zweifel zu ziehen, ließ der Beweisantrag nicht erkennen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). In der Beschwerde nachgetragenes Vorbringen dazu hat bei Prüfung der Berechtigung der Verfahrensrüge ebenso außer Betracht zu bleiben wie Erwägungen in einem außerhalb der Hauptverhandlung schriftlich eingebrachten Beweisantrag (ON 31).
Einem neuerlichen Gutachten „zur Frage der Glaubwürdigkeit" des Zeugen Friedrich S***** stand dessen Weigerung entgegen, sich abermals untersuchen zu lassen (S 257/I). Wie der Angeklagte einräumt (1.d), könnte der beantragte weitere Experte (S 37/II) daher nur das Aktenmaterial auswerten. Aus welchen Gründen dazu ein Sachverständiger erforderlich sein sollte, ließ der Antrag nicht erkennen. Zudem obliegt die Beurteilung der Glaubwürdigkeit als solche ausschließlich dem erkennenden Gericht.
Zum Vorwurf von Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) bringt der Angeklagte vor (2.b), im Jahr 1993 (US 7, wo ersichtlich 1999 gemeint ist, vgl US 2, 6, 8), habe er Friedrich S***** noch gar nicht gekannt. Damit wird aber kein Fehler des Gerichtes bei Wiedergabe des Inhalts in der Hauptverhandlung vorgekommener Urkunden oder Aussagen geltend gemacht. Nur in einem solchen Versehen könnte der behauptete Begründungsmangel liegen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467). Die Passage in den Entscheidungsgründen, wonach die Tatrichter „ausschließlich die authentischen Bild- und Tonaufzeichnungen der Einvernahmen des Zeugen Friedrich S***** zugrunde" legten (US 16), bringt, wie aus den anschließenden Erwägungen klar hervorgeht, nur zum Ausdruck, dass die Protokolle jener Vernehmungen angesichts in der Hauptverhandlung festgestellter Ungenauigkeiten (S 15/II) nicht herangezogen wurden. Von einem Widerspruch dazu, dass im Urteil auch auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Ü***** Bezug genommen wurde, kann demnach entgegen der Beschwerde (2.b) keine Rede sein. Mit der Kritik am Gutachten jenes Sachverständigen haben sich die Tatrichter befasst und ihm keinen tragenden Beweiswert zugebilligt (US 13 f, 2.c der Beschwerde).
Die vom Angeklagten behauptete Vornahme einer bloßen Untersuchung der Genitalien des Minderjährigen während der Tätigkeit als Nachhilfelehrer wurde der Beschwerde (2.d) zuwider keineswegs nur im Hinblick auf seine Stellung als Aushilfspriester bei einem Orden in Innsbruck ohne medizinische Ausbildung als unglaubwürdig verworfen (US 10 f).
Indem die Tatrichter Angaben des Angeklagten vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung verglichen (US 10), zogen sie in zulässiger Weise den Akteninhalt heran. Ein Begründungsmangel wird mit Spekulationen des Beschwerdeführers über die Protokollierung im Vorverfahren nicht aufgezeigt (2.e). Den Einwand, das Erstgericht habe sich mit Widersprüchen in den Angaben des Friedrich S***** „in keiner Weise auseinandergesetzt", widerlegt der Angeklagte selbst, indem er auf die dazu angestellten Urteilserwägungen hinweist (US 11 f). Von dem als übergangen reklamierten Fragebogen Beilage 1 (siehe aber US 11) räumt er selbst ein, dass es dazu keiner weiteren Erörterung bedurfte (2.f). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der - neuerlich auf außerhalb der Hauptverhandlung gestellte Anträge Bezug nehmenden - Stellungnahme des Verteidigers bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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