OGH 15Ns6/95

OGH15Ns6/9530.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.März 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Schaumberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Maria H***** wegen des Verbrechens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 zweiter Fall StGB über den Ablehnungsantrag der Beschuldigten betreffend sämtliche Richter des Oberlandesgerichtes Innsbruck, GZ 29 Vr 2659/94-15 des Landesgerichtes Innsbruck, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die (pauschale) Ablehnung der Richter des Oberlandesgerichtes Innsbruck ist nicht gerechtfertigt.

Text

Gründe:

Noch ehe die Staatsanwaltschaft Innsbruck am 2.Februar 1995 beim Einzelrichter des Landesgerichtes Innsbruck gegen Maria H***** Strafantrag wegen Verbrechens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB erhoben hatte, weil sie am 28.Juli 1994 in Telfs (anläßlich einer beabsichtigten gerichtlichen Schätzung ihrer Eigentumswohnung) durch die Bedrohung eines Rechtspflegers des Bezirksgerichtes Telfs, eines Sachverständigen und eines Vertreters der betreibenden Partei mit einer Gaspistole in Verbindung mit der Äußerung: "Einen Schritt näher und ich erschieße Euch ! Rechts habe ich eine Bombe und dann sprenge ich mich selbst in die Luft" Beamte des Bezirksgerichtes Telfs durch Drohung mit dem Tod und mit einer Gefährdung durch Sprengmittel an einer Amtshandlung, nämlich der ordnungsgemäßen Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens, gehindert haben soll (ON 16), langte am 27.Jänner 1995 beim Landesgericht Innsbruck eine Eingabe der Beschuldigten ein (ON 15), in der sie "sich gezwungen sieht, die Ablehnung der für mein Verfahren zuständigen Richterin Mag.W***** und Herrn Mag.O*****, Herrn Staatsanwalt Dr.P***** sowie des gesamten Gerichtshofes zu beantragen". Als "Grund für die Ablehnung des Landes- und Oberlandesgerichtes" führte die Einschreiterin unter anderem an, daß das Landesgericht (Innsbruck) das Urteil des Bezirksgerichtes Telfs bestätigt habe, obwohl sie die Staatsanwaltschaft und das Oberlandesgericht im Jahre 1992 über den Fall informiert habe.

Das Oberlandesgericht Innsbruck legte die Akten gemäß § 74 Abs 2 letzter Halbsatz StPO dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Die (pauschale) Ablehnung aller Richter des Oberlandesgerichtes Innsbruck ist nicht gerechtfertigt.

Mit ihrem Vorbringen vermag nämlich die Einschreiterin keinen konkreten Umstand darzutun, der Grund für die Annahme einer Befangenheit sämtlicher Richter des (zur Entscheidung über die pauschale Ablehnung des Landesgerichtes Innsbruck berufenen) Oberlandesgerichtes Innsbruck bilden könnte. Das Wesen der Befangenheit besteht darin, daß Umstände vorliegen, die den objektiven Beurteiler an der Unbefangenheit eines Richtern zweifeln lassen. Befangen ist, wer an eine Sache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 72 E 6 und 9). Die Ablehnung eines Richters ist demnach nur dann gerechtfertigt, wenn Umstände vorliegen, die - objektiv - die volle Unvoreingenommenheit des Betreffenden in Zweifel ziehen und zur Befürchtung Anlaß geben, der Abgelehnte könnte sich bei der Entscheidung von anderen als sachlichen Gründen leiten lassen (EvBl 1973/326 uva).

Daraus folgt, daß Ablehnungserklärungen - nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl ua 12 Ns 8/93, 15 Ns 26/93, 15 Ns 17/94, 15 Ns 18/94) - immer personsbezogen sein müssen; eine bloß subjektive (nicht näher konkretisierte) Besorgnis der Befangenheit (EvBl 1956/255) - wie sie hier gegen die Gesamtheit der Richterschaft des Oberlandesgerichtes Innsbruck vorgebracht wird - vermag eine Änderung in der Person des verfassungsmäßig garantierten (Art 83 Abs 2 B-VG) gesetzlichen Richters nicht zu begründen. Deshalb ist auch die Einholung von Äußerungen der Richter des genannten Gerichtshofes zweiter Instanz (§ 183 Abs 3 Geo) mit Recht unterblieben, weil schon nach dem Parteienvorbringen von solchen Stellungnahmen keine sachdienlichen Aufklärungen zu erwarten waren.

Dem Ablehnungsantrag war daher ein Erfolg zu versagen.

Nunmehr wird das Oberlandesgericht Innsbruck über die Ablehnung des (gesamten) Landesgerichtes Innsbruck zu entscheiden haben.

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