OGH 15Ns104/15k

OGH15Ns104/15k20.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in der Strafsache gegen Oleksandr A***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, AZ 512 U 55/15z des Bezirksgerichts Amstetten, über den Kompetenzkonflikt zwischen den Bezirksgerichten Amstetten und Steyr nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Für die Führung des ursprünglich zu AZ 512 U 55/15z des Bezirksgerichts Amstetten anhängig gewesenen Strafverfahrens gegen Oleksandr A***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB ist das Bezirksgericht Amstetten zuständig.

Gründe:

Mit am 23. September 2015 beim Bezirksgericht Amstetten zu AZ 512 U 55/15z erhobenem Strafantrag legt die Staatsanwaltschaft St. Pölten Oleksandr A***** ein dem Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB subsumiertes Verhalten zur Last, das dieser am 19. Juli 2015 gesetzt haben soll. Mit (nicht journalisiertem und nicht in der Verfahrensautomation Justiz aufscheinendem) Beschluss vom 16. Oktober 2015 stellte dieses Gericht das Strafverfahren gemäß § 199 iVm § 204 Abs 3 StPO zur Durchführung eines Tatausgleichs vorläufig ein.

Die Staatsanwaltschaft Steyr wiederum brachte am 14. Oktober 2015 beim Bezirksgericht Steyr zu AZ 5 U 193/15z einen Strafantrag ein, der Oleksandr A***** den Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG unterstellte Verhalten „seit etwa zwei Jahren bis zuletzt am 17. Juli 2015“ zur Last legt. Der Richter des angerufenen Gerichts verfügte am 19. Oktober 2015 die Übermittlung des Akts an das Bezirksgericht Amstetten „gemäß § 37 Abs 2 StPO“, das am 4. November 2015 die Einbeziehung dieses Strafverfahrens „gemäß § 37 StPO“ in sein zu AZ 512 U 55/15z geführtes Verfahren und zugleich die „Abtretung der Strafsache (…) an das Bezirksgericht Steyr gemäß § 37 Abs 2 StPO (frühere Straftat gemäß § 27 SMG)“ verfügte.

Hierauf legte das Bezirksgericht Steyr den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt mit der Begründung vor, „für die Führung des Verfahrens 512 U 55/15z des BG Amstetten örtlich unzuständig“ zu sein, weil dieses gemäß § 204 Abs 3 StPO vorläufig eingestellt worden und damit eine gemeinsame Verfahrensführung aufgrund Konnexität ausgeschlossen sei. Durch den Beisatz, dass „nur mehr das ursprüngliche Verfahren '5 U 193/15z' vor dem Bezirksgericht Steyr zu führen“ sei, nahm dieses Gericht der Sache nach (§ 35 Abs 2 zweiter Fall StPO) eine Ausscheidung dieses ‑ nicht vom Kompetenzkonflikt betroffenen ‑ Verfahrens vor.

Nach der ‑ auch im Verfahren vor dem Bezirksgericht geltenden (Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 7) ‑ Bestimmung des § 37 Abs 3 StPO sind, sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird (im bezirksgerichtlichen Verfahren der Strafantrag eingebracht wird [vgl §§ 450 f StPO]), ein Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist, die Verfahren ‑ mittels prozessleitender Verfügung (§ 35 Abs 2 zweiter Fall StPO) ‑ zu verbinden, wobei sich die Zuständigkeit des Gerichts auch in diesem Fall nach § 37 Abs 1 und 2 StPO bestimmt. Seit Inkrafttreten des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes 2014 (BGBl I 2014/71) am 1. Jänner 2015 ist § 37 Abs 1 StPO im Fall „eines vorläufigen Rücktritts von der Verfolgung“ (zur Begrifflichkeit im gerichtlichen Verfahren vgl §§ 199, 209 Abs 2 StPO) nicht anzuwenden (§ 37 Abs 2 letzter Satz StPO). Damit ist die Verbindung zweier anhängiger Hauptverfahren, von denen sich eines im Stadium der diversionellen Erledigung gemäß § 199 iVm § 204 Abs 3 StPO (oder iVm §§ 200 Abs 4, 201 Abs 1, 203 Abs 1 StPO [vgl 14 Ns 32/15i]) befindet, ausgeschlossen.

Rechtliche Beurteilung

Im vorliegenden Fall stand daher (schon) der Einbeziehung des Verfahrens AZ 5 U 193/15z des Bezirksgerichts Steyr in das vom Bezirksgericht Amstetten zu AZ 512 U 55/15z geführte Verfahren dessen (vorläufige) diversionelle Erledigung entgegen. Bei Zweifel seiner Zuständigkeit für das ihm überwiesene Verfahren wäre dieses Gericht vielmehr verpflichtet gewesen, eine Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof zu erwirken (§ 38 letzter Satz StPO; Oshidari, WK‑StPO § 38 Rz 18). Die dennoch erfolgte (gesetzwidrige) Verbindung der anhängigen Hauptverfahren begründete keine Zuständigkeit des Zusammenhangs iSd § 37 Abs 3 StPO, sodass bei nachträglicher Trennung dieser Verfahren die ‑ eine Ausscheidung aus einem gesetzmäßig gemeinsam geführten Verfahren voraussetzende ‑ Zuständigkeitsnorm des § 36 Abs 4 StPO nicht greift (vgl Oshidari, WK‑StPO § 36 Rz 9; RIS‑Justiz RS0127578). Demnach bleibt das Bezirksgericht Amstetten für die Führung des ursprünglich bei ihm zu AZ 512 U 55/15z anhängig gewesenen Strafverfahrens zuständig.

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