Spruch:
I. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen.
II. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch vom Anklagevorwurf des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Wilfried J***** ist (überdies) schuldig, er hat im Herbst 1993 in Innsbruck versucht, Gerhard K***** und Gerhard M***** durch gefährliche Drohung zu einer Handlung zu nötigen, welche die S***** am Vermögen schädigen sollte, indem er die Genannten aufforderte, 5 % des Jahresumsatzes des Unternehmens auf ihn abzurechnen und behauptete, ein Unbekannter habe dieses Verlangen gestellt und für den Fall der Ablehnung angekündigt, er würde die Kunden "der Firma" über die unterschiedliche Preisgestaltung unterrichten, sodaß die "Firma kaputtgehen" werde, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich durch das Verhalten der Genötigen unrechtmäßig zu bereichern.
Er hat hiedurch das Verbrechen der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihm nach dem aufrecht gebliebenen Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB weiterhin zur Last liegende strafbare Handlung gemäß §§ 28 Abs 1, 144 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 (neun) Monaten verurteilt.
Gemäß § 43 a Abs 3 StPO wird ein Teil der Freiheitsstrafe von 6 (sechs) Monaten für eine Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.
III. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verworfen.
IV. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.
V. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wilfried J***** des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er zwischen 25. und 27.Juni 1993 in Innsbruck Urkunden, über die er nicht bzw nicht alleine verfügen durfte, unterdrückte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes bzw einer Tatsache gebraucht werden, indem er aus dem Büro der S***** zwei Typenscheine, Kundenaufträge über Warenverkauf, Kassenbelege, offene Rechnungen, Gesellschaftsverträge, Kaufverträge, Pacht- und Leasingverträge und Agenturverträge entnahm und für sich behielt.
Hingegen wurde er vom weiteren Anklagevorwurf, er habe zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Herbst 1993 versucht, Gerhard K***** und Gerhard M***** als Geschäftsführer der S***** durch gefährliche Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz zu einer Handlung, die diese Gesellschaft am Vermögen schädigen sollte, zu nötigen, indem er verlangte, daß 5 % des Jahresumsatzes auf ihn abzurechnen wären und behauptete, ein Mann sei in seiner Wohnung gewesen und hätte dieses Verlangen gestellt; wenn die Firma dem Ansinnen nicht nachkomme, würde der Unbekannte Kunden über die unterschiedlichen Preise unterrichten und die Firma werde dann sowieso "kaputtgehen", wobei er mit dem Vorsatz handelte, durch das Verhalten der Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern und hiedurch das Verbrechen der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15 Abs 1, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1, vorletzter Fall StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch aus den Nichtigkeitsgründen der Z 5, 5 a und 9 lit a, die Staatsanwaltschaft den Freispruch aus dem Grund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wilfried J*****:
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider stützten sich die Tatrichter nicht nur auf das aus dem ungenügenden Einkommen abgeleitete Motiv des Angeklagten, mit den erbeuteten Urkunden die beiden Geschäftsführer der Gesellschaft unter Verwertung der ihm als Handelsreisender des betreffenden Unternehmens zugänglichen Informationen zum Zwecke der Einkommensverbesserung zu erpressen, sondern auch auf die Vertrautheit des Wilfried J***** mit den örtlichen Gegebenheiten und die ihm auf Grund seines getrübten Vorlebens attestierte Fähigkeit, die vorhandene "Schloßfalle" ohne Schwierigkeiten zu überwinden (US 4, 6 und 7). Auf Grund des Zusammentreffens der dargelegten Faktoren konnte das Erstgericht davon ausgehen, daß der Angeklagte selbst der anonyme Anrufer vom 27. und 28.Juni 1993 war, ohne dabei die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, zu welcher genauen Zeit er am Vormittag des 28.Juni 1993 die Firmenräumlichkeiten verließ und inwieweit seine Stimme verändert war, näher erörtern zu müssen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).
Auch die behauptete "Aktenwidrigkeit" (der Sache nach: unvollständige Begründung) liegt nicht vor, zumal die Feststellung, daß der Angeklagte erst nach der Unterdrückung der Geschäftsunterlagen die beiden Geschäftsführer der S***** anrief, durch die Aussagen der Zeugen K***** (S 88 f) und M***** (S 90 f) gedeckt ist, während die als Widerspruch dazu gerügten Darlegungen des Zeugen K***** in den Anzeigeunterlagen (S 25 und 35) offenkundig auf ein Mißverständnis zurückzuführen sind, das im Beweisverfahren als solches aufgeklärt wurde.
Es bestehen - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der entscheidenden Tatsachenfeststellungen.
Die im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) behaupteten Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite liegen gleichfalls nicht vor. Die ausdrücklich konstatierten Tatmodalitäten ("... beschloß, aus der Firma Geschäftsunterlagen zu holen" - US 4 und "... Unterlagen ohne Bereicherungsabsicht mitzunehmen" - US 5) im Zusammenhalt mit der im Urteilstenor dargestellten Vorgangsweise (US 3) samt dem dort festgehaltenen erweiterten Unterdrückungsvorsatz reiche hin, auch in subjektiver Beziehung den Tatbestand des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB als erfüllt anzusehen.
Mit dem weiteren Einwand mangelnder Konkretisierung der Tatobjekte, insbesondere der Behauptung fehlender Konstatierungen, ob die inkriminierten Schriftstücke tatsächlich Absichtsurkunden waren, übergeht der Beschwerdeführer die schon im Urteilstenor vorgenommene eindeutige Beschreibung der Urkunden als diverse Verträge, Typenscheine, Rechnungen und Aufträge, aus deren jeweiligem Verwendungszweck sich die Absicht ihrer Errichtung ergibt (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 223 Rz 8, 12 und 20 b; Kienapfel in WK § 223 Rz 85 und 107).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wilfried J***** war daher zu verwerfen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Der Anklagebehörde ist beizupflichten, daß die objektive Eignung einer Äußerung als gefährliche Drohung an Hand eines objektiv individuellen Maßstabes zu beurteilen ist (Leukauf-Steininger Komm3 § 74 Rz 21). Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, ob der Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation unter Berücksichtigung allfälliger besonderer Umstände, die in seiner Person liegen, den Eindruck gewinnen konnte, daß der Täter in der Lage und willens sei, das angekündigte Übel tatsächlich herbeizuführen. Daß die Drohung den Bedrohten tatsächlich besorgt gemacht hat, ist hingegen nicht erforderlich (Leukauf-Steininger aaO; Kienapfel BT I3 § 105 Rz 43). In Anwendung dieser Kriterien ist die Androhung, mittels gezielter Informationen über eine unterschiedliche Preisgestaltung Kunden von weiteren Geschäftskontakten abzuhalten, als Ankündigung eines Angriffes auf das Vermögen der Firma zu werten (vgl Kienapfel BT I3 § 105 Rz 39). Wenn demgegenüber das Erstgericht vermeint, daß Worte wie: "ich mache die Firma kaputt" im Geschäftsleben immer wieder fallen und daher nicht als Drohung aufzufassen seien, so vernachlässigt es dabei den Umstand, daß der Angeklagte darüber hinaus ankündigte, die Kunden über die unterschiedliche Preisgestaltung zu informieren (US 5), sodaß der Äußerung sehr wohl ein drohender Charakter innewohnt. Daß sich die beiden Geschäftsführer tatsächlich nicht bedroht fühlten, vermag an der objektiven Eignung der Äußerung des Angeklagten als gefährliche Drohung mit Vermögenseinbußen für die von ihnen geleitete Gesellschaft nichts zu ändern.
Allerdings hat das vom Angeklagten angekündigte Übel nicht das qualifizierende Ausmaß einer Bedrohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Unternehmens im Sinne des § 145 Abs 1 Z 1 StGB erreicht. Damit droht, wer dem Opfer ankündigt, ihm seine Erwerbsgrundlagen zu entziehen, ohne daß es Aussicht auf alsbaldige neue, etwa gleichwertige Erwerbsmöglichkeiten hat (Schwaighofer im WK § 106 Rz 7). Die mit diesem Qualifikationstatbestand umschriebene weit gefaßte Generalklausel bedarf jedoch restriktiver Auslegung und erfordert in diesem Sinne nach ständiger Judikatur konkrete Sachverhaltsfeststellungen (Kienapfel BT II3 § 145 Rz 5). Im vorliegenden Fall wurden Konstatierungen dahin, daß die Bekanntgabe der unterschiedlichen Preisgestaltung zum Verlust eines Großteils der Kunden und damit zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz der bedrohten Gesellschaft hätte führen können, weder getroffen, noch sind sie nach der Aktenlage indiziert.
Da der Angeklagte nach dem Urteilssachverhalt - wie dargelegt - mit den von ihm unterdrückten Firmenunterlagen die Geschäftsführer erpressen und sein Einkommen aufbessern wollte (US 4) und schließlich im Herbst 1993 von beiden Geschäftsführern unter dem Vorwand, zwei Unbekannte seien jeweils mit erpresserischen Ansinnen an ihn herangetreten, forderte, 5 % des Jahresumsatzes der Firma an ihn abzurechnen, widrigenfalls diese unbekannten Personen die Kunden über die unterschiedliche Preisgestaltung unterrichten wollten, sodaß in der Folge die Firma "kaputtgehen" würde (US 5 und 6) und dabei das Geld für sich selbst beanspruchte (US 6), also mit dem Vorsatz handelte, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, liegen alle Tatbestandsmerkmale des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB vor; aus den dargestellten Erwägungen kommt allerdings die von der Staatsanwaltschaft überdies angestrebte Qualifizierung der Tat als Verbrechen der schweren Erpressung nach § 145 Abs 1 Z 1 StGB nicht in Betracht.
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher auf der Grundlage der erstgerichtlichen Feststellungen in der Sache selbst spruchgemäß zu erkennen (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).
Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art und die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten als erschwerend, als mildernd hingegen den Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist. Die verhängte Freiheitsstrafe entspricht der unrechtsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) des Wilfried J*****, wobei spezialpräventive Erfordernisse die Verbüßung zumindest eines Strafteils erforderlich machen.
Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zu verwerfen.
Mit ihrer Berufung war sie auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)