OGH 14Os95/87 (14Os96/87)

OGH14Os95/87 (14Os96/87)16.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Dezember 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Plachy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert W*** wegen des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 23.Juli 1986, GZ 12 U 753/86-9 und des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 20. Jänner 1987, AZ 4 Bl 284/86, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Verurteilten Herbert W*** und des Verteidigers Dr. Helmut Sommer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 23.Juli 1986, GZ 12 U 753/86-9, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 450, 447 Abs 1, 261 Abs 1 StPO in Verbindung mit § 41 MedienG. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 20.Jänner 1987, 4 Bl 284/86, wurde der am 12.September 1952 geborene Lehrer Herbert W*** in Stattgebung einer Berufung des Privatanklägers Dr. Otto B*** gegen das freisprechende Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 23.Juli 1986, GZ 12 U 753/86-9, des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Herbert W*** in Klagenfurt durch Versendung des von ihm verfaßten Rundschreibens vom 11.April 1986 mit der Überschrift "Information an die Kollegen und Kolleginnen des Bezirkes Klagenfurt-Stadt" an ca 750 Lehrer, mithin öffentlich, durch die Textstelle "(daß) solche Funktionen im Schulbereich zur Besetzung der Lehrerschaft überlassen bleiben müßten, daß es nicht angeht, daß Akademiker, die eine ausbildungsadäquate Position in ihrem Berufsleben nicht erreichen konnten, in die Bezirksschulverwaltung abgeschoben werden", Dr. Otto B*** beschimpft.

Die Generalprokuratur vermeint in ihrer gemäß § 33 StPO erhobenen Beschwerde, daß in dem bezeichneten Verfahren das Gesetz mehrfach verletzt wurde. Ihren Standpunkt begründet sie (wörtlich) wie folgt:

"Die in der Privatanklage behauptete, darnach durch Versendung eines hektographierten Rundschreibens an ca. 750 Lehrer begangene Tat ist ein Medieninhaltsdelikt gemäß § 1 Abs 1 Z 12 MedienG, weil sie in einer an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung besteht. Demzufolge gilt für das bezügliche Strafverfahren die im § 41 Abs 2 MedienG angeordnete (sachliche) Sonderzuständigkeit des mit der Gerichtsbarkeit in Strafsachen betrauten Landesgerichtes, in dessen Sprengel die Tat begangen wurde. Dies ist im vorliegenden Fall das Landesgericht Klagenfurt, das seine Tätigkeit durch einen Einzelrichter (§ 41 Abs 3 MedienG) hätte ausüben sollen. Diese Verletzung der sachlichen Zuständigkeit konnte sich zum Nachteil des Angeklagten auswirken, weil ihm dadurch der Rechtszug zum zuständigen Oberlandesgericht als Berufungsgericht abgeschnitten wurde; sie bewirkte Nichtigkeit gemäß § 468 Abs 1 Z 2 StPO, die vom Angeklagten allerdings nicht geltend gemacht werden konnte, weil ihm gegen das freisprechende Erkenntnis des Bezirksgerichtes kein Rechtsmittel zustand.

Rechtliche Beurteilung

Die deshalb an sich gebotene Verfahrenserneuerung ist aber entbehrlich, weil die Strafsache entscheidungsreif ist. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß die unter Anklage gestellte Tat nicht dem § 111 Abs 1 (und 2) StGB entspricht, weil der Privatankläger weder einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung geziehen noch eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt wurde. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes liegt aber auch eine Beleidigung gemäß § 115 Abs 1 StGB nicht vor: Die inkriminierte Aussage, es gehe nicht an, daß Akademiker, die eine ausbildungsadäquate Position in ihrem Berufsleben nicht erreichen konnten, in die Bezirksschulverwaltung abgeschoben werden, richtet sich primär gegen den Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt, der aufgefordert wird, Dienstposten im Schulbereich den Lehrern zu überlassen und nicht für höher eingestufte Beamte in Anspruch zu nehmen. Freilich könnte die darin enthaltene Unterstellung, der zwar nicht namentlich angeführte, aber den mit der Informationsschrift angesprochenen Lehrern wohl eindeutig kenntliche Privatankläger habe in seinem Berufsleben eine ausbildungsadäquate Position nicht erreichen können (wenn auch gewiß nicht als dessen Beschimpfung, wie das Berufungsgericht vermeinte), unter Umständen als Spott über berufliche Erfolglosigkeit verstanden werden.

Das Ziel der Verspottung ist es, den Verspotteten lächerlich zu machen, unseres Mitgefühls zu berauben, ihn in unseren Augen herabzusetzen, ohne daß freilich seiner Ehrenhaftigkeit nahegetreten wird. "Milder Spott" reicht nicht aus (vgl Kienapfel, BT I2, RN 7 und Foregger, WK, Rz 11 zu § 115 StGB). Mit dem Hinweis, daß der Privatankläger in seinem Berufsleben keine ausbildungsadäquate Position erreichen konnte, wird dieser aber (noch) nicht lächerlich gemacht und in der öffentlichen Meinung nicht herabgesetzt, weil der berufliche Mißerfolg nicht auf Unfähigkeit, mangelnde Tüchtigkeit oder ähnliche (geistige) Schwächen zurückgeführt wird. Dazu kommt, daß der Privatankläger nicht direkt angesprochen ist, sondern sein Fall nur als Beispiel für eine aus standespolitischen Gründen abgelehnte Personalpolitik des Dienstgebers angeführt wird. Das Urteil des Berufungsgerichtes ist daher (auch) materiellrechtlich verfehlt und verletzt das Gesetz zum Nachteil des Angeklagten in der Bestimmung des § 115 Abs 1 StGB."

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs ist die Beschwerde nur teilweise begründet.

Durchaus beizupflichten ist der Beschwerdeführerin zunächst darin, daß in der Versendung des genannten Rundschreibens an ca 750 Lehrer eine an einen größeren Personenkreis gerichtete Mitteilung im Sinne des § 1 Abs 1 Z 12 MedienG zu erblicken ist, und daß daher infolge der in § 41 Abs 2 MedienG normierten sachlichen Sonderzuständigkeit des mit der Gerichtsbarkeit in Strafsachen betrauten Landesgerichtes, in dessen Sprengel die Tat begangen wurde, vorliegend das Landesgericht Klagenfurt zur Führung der Sache zuständig gewesen wäre.

Da das Bezirksgericht Klagenfurt seine damit gegebene sachliche Unzuständigkeit weder vor noch in der Hauptverhandlung wahrnahm, verstieß es gegen die in den §§ 450, 447, 261 Abs 1 StPO, § 41 MedienG normierten Bestimmungen und war dies antragsgemäß festzustellen.

Nicht gefolgt werden kann hingegen der Ansicht der Generalprokuratur, auch das Berufungsgericht habe durch seine Entscheidung gegen § 41 Abs 2 MedienG und darüber hinaus gegen die Bestimmung des § 115 Abs 1 StGB verstoßen.

In Ansehung des ersten Punktes ist davon auszugehen, daß die sachliche Unzuständigkeit eines (Bezirks-)Gerichtes seit der Neufassung der §§ 363, 468 und 475 StPO durch Art I Z 105, 135 und 136 StPAG (BGBl 423/1974) keine materielle, von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit begründet (vgl SSt 48/17), sondern vom Berufungsgericht nur im Falle der Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 468 Abs 1 Z 2 StPO wahrgenommen werden kann (siehe auch § 477 Abs 1, erster Satz, StPO); ferner davon, daß eine solche Rüge vorliegend unterblieb. Demzufolge hatte sich der im Instanzenzug zuständige Berufungssenat (§ 463 StPO), der sohin das Urteil des Bezirksgerichtes nicht nach § 475 Abs 2 StPO aufheben und auch sonst die Sache nicht an das zuständige Gericht verweisen konnte, in Ermangelung einer anderen rechtlichen Möglichkeit der Verweigerung einer Sachentscheidung - die Erhebung einer Beschwerde nach § 33 StPO durch den Generalprokurator kann er zwar anregen, aber nicht erzwingen - unbeschadet der sachlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes, die zufolge Verschweigung seitens der Parteien saniert worden war, der Entscheidung über das die Zuständigkeitsfrage gar nicht berührende Rechtsmittel des Privatanklägers zu unterziehen.

Im übrigen hätte der Oberste Gerichtshof - was hier der Vollständigkeit halber eingefügt sei - bei einer in diesem Stadium erhobenen Beschwerde nach § 33 StPO angesichts der gegen den Freispruch gerichteten Berufung des Privatanklägers durch eine allfällige Aufhebung des noch nicht rechtskräftigen bezirksgerichtlichen Urteiles (wegen Unzuständigkeit) und die Zuweisung der Sache an den Einzelrichter des zuständigen Gerichtshofes zu neuer Verhandlung und Entscheidung zwar das Berufungsgericht von seiner Verpflichtung zur Sachentscheidung entbunden, gleichzeitig aber auch dem Rechtsmittel des Anklägers zum Nachteil des Beschuldigten zu dem darin angestrebten Erfolg verholfen, was aber nicht im Sinne des § 292, letzter Satz, StPO liegt. Eine Sachentscheidung über die Berufung aber wäre dem Obersten Gerichtshof im vorliegenden Fall verwehrt gewesen, weil das Urteil vom Ankläger unter anderem wegen des Ausspruches über die Schuld bekämpft wurde und der Oberste Gerichtshof auch im Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes keine Tatsacheninstanz ist.

Ausgehend von der sohin zweifelsfrei gegebenen funktionellen Zuständigkeit des Landesgerichtes Klagenfurt zur Entscheidung über die vorliegende Berufung und von den vom Berufungsgericht - auf Grund der mit den erhöhten Garantien eines Rechtsmittelverfahrens abgeführten Beweisaufnahme - getroffenen Feststellungen kann in der rechtlichen Beurteilung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes - wonach die inkriminierte Information objektiv als Vorwurf der (fachlichen) Unfähigkeit des Privatanklägers zu verstehen und subjektiv (seitens des Beschuldigten) auch so gemeint war - als ein keiner Sonderregelung unterliegendes Vergehen der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB - das auch dann vorliegt, wenn man darin anders als das Berufungsgericht keine Beschimpfung, sondern eine das Ansehen des Beleidigten in der Umwelt erheblich mindernde, daher keineswegs "milde" Verspottung erblickt - statt als ein nach den (weitergehende Sanktionen vorsehenden) Bestimmungen des MedienG zu ahndendes Medieninhaltsdelikt jedenfalls ein Gestzesverstoß zum Nachteil des Beschuldigten nicht erblickt werden. Ein solcher war demnach nicht festzustellen. Soweit die Generalprokuratur in der Beschwerde aber mit der eingangs wiedergegebenen Begründung den gänzlichen Freispruch des Beschuldigten anstrebt, geht sie nicht von den im Urteil des Rechtsmittelgerichtes enthaltenen Konstatierungen, sondern von den Urteilsannahmen des Erstgerichtes aus, weshalb in diesem Umfang der Beschwerde der Erfolg zu versagen war.

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