European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00092.15H.1117.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Markus G***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 15. November 2014 in L***** Ingrid C***** durch minutenlang andauerndes, beidhändiges intensives Würgen, das Blutunterlaufungen im Schlüsselbein- und Halsbereich, massive Stauungsblutungen und eine Verdunsung des Gesichts, Blutungen in die Halsmuskulatur, mehrfache Kehlkopfbrüche und eine blutig wässrige Lungenschwellung zur Folge hatte, sowie dadurch, dass er ihr ein Messer mit einer 19 cm langen Klinge wuchtig gegen den Hals und in die Brust rammte und ihr eine oberflächliche, 13 cm lange Schnittwunde an der Halsvorderseite, eine Durchstichverletzung der linken seitlichen Halsregion mit einem rund 7 cm langen Stichkanal und eine Stichwunde im rechten Halsbereich sowie drei weitere Stiche im linken Brustbereich mit Durchstich des linken Lungenoberlappens mit daraus folgender starker Einblutung in den Lungenlappen und in die Brusthöhle zufügte, vorsätzlich getötet.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 5 und 6 des § 345 Abs 1 StGB erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden die vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge zu Recht abgewiesen.
Inwieweit ein spannungsgeladener, von gleichteiliger ‑ regelmäßig aus nichtigem Anlass ausbrechender ‑ Aggression geprägter, insgesamt problematischer Beziehungsverlauf zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer oder allfällige frühere Auseinandersetzungen, die „bei wesentlich größerer wechselseitiger Tension nicht zu einem Ergebnis geführt haben, welches … am 15. November 2014 eingetreten ist“, für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollen, ist nicht erkennbar und ließ sich auch dem zum Nachweis für diese Umstände gestellten Antrag auf ‑ über die ohnehin erfolgte Untersuchung (ON 36) hinausgehende ‑ forensische Auswertung und Verschriftung der auf dem sichergestellten Mobiltelefon befindlichen elektronischen Daten ab April bzw Mai 2014 (Konversation zwischen dem Angeklagten und Ingrid C***** via SMS und WhatsAPP) nicht entnehmen (ON 77 S 78 f; vgl zum Ganzen Ratz , WK-StPO § 281 Rz 327 f; RIS-Justiz RS0116987 [T1 und T2]).
Dies gilt gleichermaßen für die Begehren auf Vernehmung von Günter S*****, Martin R*****, Richard B*****, Manuela K***** sowie Pamela und Christian Ka***** im Wesentlichen zum selben Thema sowie zur Persönlichkeit der Ingrid C***** (zusammengefasst) zum Nachweis dafür, dass sich diese sowohl gegenüber dem Angeklagten als auch gegenüber Freunden und Partnern in früheren Beziehungen manipulativ verhielt und insbesonders unter Alkohol- und Drogeneinfluss regelmäßig außer Kontrolle geriet, aggressiv agierte und zu Gewaltexzessen neigte (ON 77 S 80 ff).
Die Herstellung eines Konnexes zwischen diesen Beweisthemen und einem schuld- oder subsumtionsrelevanten Umstand war mit Blick auf die Verantwortung des Angeklagten umso mehr geboten, als dieser nicht nur das Vorliegen einer Notwehrsituation ausdrücklich verneinte (ON 74 S 44 f), sondern auch jeglichen Verletzungs- oder gar Tötungsvorsatz bestritt (ON 74 S 35, 45, 65; ON 77 S 77, ON 78 S 2) und sich solcherart gar nicht darauf berief, unter dem Einfluss einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung gehandelt zu haben.
Soweit sich der Antrag auf Vernehmung von Pamela und Christian Ka***** zudem auf deren „unmittelbare persönliche Wahrnehmungen über die Ereignisse vom 14. November 2014 in der S*****“ bezog (ON 77 S 80 iVm ON 68), fehlten gleichfalls ‑ nach dem Vorgesagten aber erforderliche ‑ Ausführungen dazu, welche im genannten Lokal stattgefundenen Vorkommnisse im vorliegenden Fall von erheblicher Bedeutung für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage gewesen wären.
Im Antrag auf Ausforschung und Vernehmung des Geschäftsführers des Lokals B***** zum Beweis der Unrichtigkeit der Aussage des Zeugen Edmund Sc*****, er sei in der Tatnacht im genannten Etablissement „längere Zeit“ in kurzer Distanz zum Angeklagten gestanden und habe dabei dessen im Zuge eines Selbstgesprächs geäußerte Ankündigung, heimzufahren und „sie“ abzustechen („die drah i ham“) gehört (ON 75 S 30 f; ON 77 S 79 f), wurde hinwieder nicht dargelegt, auf welcher Wahrnehmungsgrundlage der Genannte imstande sein sollte, trotz laufenden Betriebs des Nachtlokals lückenlos Auskunft über die konkrete Position eines Security-Mitarbeiters und des Beschwerdeführers zu geben, womit er auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet war (RIS-Justiz RS0118444; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 330 f).
Die zur Fundierung der Anträge nachgetragenen Beschwerdeausführungen sind unbeachtlich, weil die Antragsberechtigung stets auf die bei der Antragstellung genannten Gründe zu prüfen ist (RIS-Justiz RS0099618).
Kritik am Unterlassen einer Zusatz- oder Eventualfrage an die Geschworenen (§§ 313, 314 Abs 1 StPO) wird nur dann prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht, wenn die Beschwerde in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 302 Abs 1 StPO iVm § 258 Abs 1 StPO) deutlich und bestimmt bezeichnet, die einen Sachverhalt, der nach den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen Anlass zur begehrten Fragestellung geboten hätte, indizieren (vgl Ratz , WK-StPO § 345 Rz 23, 42 f; RIS-Justiz RS0117447).
Diesen Kriterien wird die Fragenrüge (Z 6), die das Unterbleiben von Eventualfragen nach den Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und des Totschlags nach § 76 StGB moniert, nicht gerecht.
Mit dem Verweis auf die länger andauerndes Würgen unter festem Zudrücken mit dem alleinigen Ziel, Ingrid C***** vom weiteren Schreien abzuhalten, zugestehende Einlassung des Beschwerdeführers und eine Passage aus dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen (wonach ein Angriff gegen den Hals in Form von länger dauerndem Würgen mit Stauungsblutungen im Gesicht gesetzt worden sei) wird kein die Stellung einer Eventualfrage nach § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB nahelegendes Tatsachensubstrat bezeichnet. Dem Beschwerdestandpunkt zuwider indizieren diese Beweisergebnisse nämlich eine ‑ vom Angeklagten stets geleugnete (ON 74 S 35, 45, 65; ON 77 S 77, ON 78 S 2) ‑ Absicht, dem Opfer eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zuzufügen, gerade nicht.
Indem die Beschwerde weiters die Verantwortung des Angeklagten, nach der Ingrid C***** im Zuge eines der Tat unmittelbar vorangegangenen Streits versucht habe, ihm sein Handy wegzunehmen, um darin Einsicht zu nehmen, woraufhin er ‑ aus seiner Sicht verständlich ‑ „narrisch gewesen sei“, sowie einzelne ‑ durch eigene Erläuterungen ergänzte ‑ Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen (wonach sich der Beschwerdeführer und das spätere Opfer in einer komplexen Verstrickungssituation befanden, bei der ein „Nullachtfünfzehn-Auslöser“ als „einmal zu viel“ [gleich einem Tropfen auf ein übervolles Glas, das übergeht] zur Eskalation und zu einer Extremlösung im Sinn eines „Alles oder Nichts“ führen konnte [„katathyme Krise“]) ins Treffen führt, dabei aber ein weiteres Mal prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0120766) übergeht, dass Markus G***** ‑ wie dargelegt ‑ einen für das Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB tatbestandsessentiellen Tötungsvorsatz im gesamten Verfahren explizit in Abrede stellte und zudem angab, dass die Beziehung zu Ingrid C***** bereits seit mehreren Tagen beendet und das Zusammentreffen in der Tatnacht rein zufällig war, wobei er der Genannten schon im Zuge dessen mehrere Ohrfeigen versetzt hatte und in der Folge dennoch ihrer via SMS erfolgten Aufforderung, zu ihr nach Hause zu kommen, gefolgt war, obwohl er bereits erkannt hatte, dass sie unter Suchtgifteinfluss stand, was regelmäßig Grund für heftige Auseinandersetzungen gewesen sei (ON 74 S 6 ff), spricht sie gleichfalls kein die begehrte Eventualfragestellung nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizierendes Verfahrensergebnis (konkret: für das Vorliegen eines nicht nur heftigen, sondern auch allgemein begreiflichen tiefgreifenden Affekts zur Tatzeit; vgl dazu auch RIS-Justiz RS0092271, RS0092259) an.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 344, 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)