Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Die Berufung des Angeklagten Hakan P***** wird zurückgewiesen
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und es werden die Freiheitsstrafen bei Muammer R***** und Ferudun E***** auf je 9 (neun) Monate, bei Hakan P***** auf 6 (sechs) Monate erhöht.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch der beiden Mitangeklagten Boris S***** und Slavko T***** enthaltenden Urteil wurden Muammer R***** (geboren am 1.September 1975), Ferudun E***** (geboren am 3.März 1976) und Hakan P***** (geboren am 27.Juni 1978) des Verbrechens des teilweise beim Versuch gebliebenen Raubes nach §§ 142 Abs 1 und 15 StGB schuldig erkannt.
Darnach haben sie am 26.Dezember 1992 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannt gebliebenen weiteren Tatbeteiligten nachgenannten Personen mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem sie diese umstellten, ihnen Schläge ins Gesicht und gegen den Körper sowie Kopfstöße versetzten und mit schweren Mißhandlungen drohten, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen bzw abgenötigt, und zwar dem Thomas S***** 300 S, dem Michael W***** 100 S, dem Gerald W***** 420 S und dem Anton N***** eine Kappe im Wert von 200 S sowie wegzunehmen bzw abzunötigen versucht, und zwar dem Alexander P***** Bargeld und dem Michael H***** einen Ring im Wert von ca 100 S.
Nach den wesentlichen Urteilsannahmen bestiegen Muammer R*****, Ferudun E*****, Hakan P***** und ein unbekannt gebliebener Jugoslawe in Begleitung der beiden Mitangeklagten Boris S***** und Slavko T***** am 26.Dezember 1992 in Wien einen Straßenbahnzug der Linie 71 mit dem bereits vorher gefaßten Entschluß, dort Passagieren mit Gewalt Geld abzunehmen. In Ausführung dieses vorher besprochenen Tatplanes umstellten die drei Beschwerdeführer sowie der unbekannt gebliebene Jugoslawe die im hinteren Teil des Straßenbahnwaggons aufhältigen etwa 14jährigen Schüler Thomas S*****, Michael und Gerald W*****, Anton N*****, Alexander P***** und Michael H*****. Im arbeitsteiligen Zusammenwirken wurden der unbekannte Jugoslawe gegen Thomas S***** sowie in der Folge auch gegen Michael W***** und der Angeklagte E***** gegen Alexander P***** tätlich, indem sie auf die Genannten mit den Fäusten einschlugen, während die Angeklagten R***** und P***** der angegriffenen Schülergruppe im Wageninneren den Fluchtweg zum Ausgang versperrten. Bei der Endstation de Linie 71 angelangt, blieben die Schüler im Straßenbahnwaggon. Die Angreifer stiegen zunächst aus, verblieben aber in der Nähe der Straßenbahn, stiegen dann wieder ein und setzten auf der Rückfahrt die weiterhin vom schon vorher gefaßten Raubvorsatz getragene Tatausführung fort, indem die drei Beschwerdeführer sowie der unbekannte Jugoslawe durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben sich der eingangs angeführten Sachen bemächtigten bzw diese an sich zu bringen versuchten.
Die Angeklagten bekämpfen diesen Schuldspruch mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, die durchwegs unbegründet sind.
Zur Beschwerde des Muammer R*****
(§ 281 Abs 1 Z 5, 5 a und 9 lit a StPO)
Unter dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Z 5) verweist der Beschwerdeführer zunächst auf die im Beweisverfahren hervorgekommene, im angefochtenen Urteil angeblich aber unberücksichtigt gebliebene Tatsache, daß "zwischen dem Ende der Tätlichkeiten und dem Verlangen nach Übergabe von Geld zehn bis fünfzehn Minuten vergangen sind". Dieses Vorbringen berührt indes keinen entscheidungswesentlichen Umstand, wird doch dadurch die dem Schuldspruch zugrunde liegende Annahme eines zwar in zwei Phasen zerfallenden, dessenungeachtet aber eine Einheit bildenden und von Anfang an vom Raubvorsatz getragenen Gesamtgeschehens nicht in Frage gestellt.
Gleiches gilt auch für die weiteren Umstände, deren Erörterung der Beschwerdeführer vermißt. Daß die angegriffenen Schüler "nach dem Ende der Tätlichkeiten während des Aufenthaltes in der Endstation - zunächst, wie das weitere Geschehen zeigte, zu Unrecht - der Meinung waren, die Sache sei schon vorbei", ist nämlich ebenso wie der Tatsache, daß der Beschwerdeführer dem Michael W***** etwa eine Woche nach dem Tatgeschehen 100 S zurückerstattete, für die Lösung der Schuldfrage, die rechtliche Beurteilung der Tat oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes ohne maßgebliche Bedeutung.
Die vom Beschwerdeführer bemängelte Urteilsannahme, daß der unbekannt gebliebene Mittäter dem Zeugen Thomas S***** mit erhobener Faust und der Drohung, er werde ihn, wenn er etwas sagen sollte, umbringen, zur Herausgabe seiner Barschaft von 300 S nötigte (US 7), findet in der Aussage dieses Zeugen entgegen dem in der Beschwerde vertretenen Standpunkt Deckung (S 188); im übrigen kann es dahingestellt bleiben, ob die einzelnen (zum Teil nur beim Versuch gebliebenen) Aneignungshandlungen auch jeweils von einer konkreten Drohung begleitet waren. Für die rechtliche Beurteilung als Raub bzw Raubversuch ist vielmehr das Gesamtverhalten in Verbindung mit dem Vorhaben, von dem sich die Täter hiebei leiten ließen, maßgebend. Unerörtert gebliebene Beweisergebnisse, die in subjektiver Beziehung der den Schuldspruch tragenden Feststellung entgegenstünden, daß sämtliche Angeklagten ihr räuberisches Vorhaben zunächst mit Gewaltanwendung, Versperren des Fluchtweges und sodann mit einem tätergewollt als Drohung mit unmittelbar bevorstehender weiterer Gewaltanwendung aufzufassenden Gesamtverhalten in die Tat umsetzten, vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen.
Den ausdrücklich auch unter dem Gesichtspunkt einer Tatsachenrüge (Z 5 a) vorgebrachten Argumenten in der Mängelrüge fehlt angesichts der auf Grundlage der gesamten Verfahrensergebnisse schlüssig und lebensnah begründeten Urteilsannahmen aber auch jede Eignung, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.
Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die von der urteilsfremden Annahme ausgeht, daß die vom Erstgericht festgestellte Gewaltanwendung für das spätere, die - zum Teil beim Versuch gebliebene - Sachwegnahme betreffende Tatgeschehen belanglos sei, bedarf angesichts dieses prozeßordnungswidrigen Vorbringens keiner nähere Erörterung. Eine gesetzmäßige Darstellung des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert nämlich, daß der im angefochtenen Urteil festgestellte Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz verglichen und daraus ein dem erkennenden Gericht unterlaufener Rechtsirrtum nachgewiesen wird.
Zur Beschwerde des Ferudun E*****
(§ 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO)
Den Vorwurf mangelhafter Begründung (Z 5) eines von Anfang an bestehenden gemeinsamen Raubvorsatzes der drei Angeklagten und des unbekannt gebliebenen Mittäters will der Beschwerdeführer daraus ableiten, daß seine auch insoweit leugnende Verantwortung und die mit dieser Urteilsannahme gleichfalls im Widerspruch stehenden Dastellungen der Mitangeklagten R*****, T***** und S***** im Ersturteil übergangen worden seien. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß die Tatrichter die bekämpfte Urteilsfeststellung auf die in diesem Punkte uneingeschränkt geständige Verantwortung des Angeklagten P***** stützten (S 182; US 5 unten, 10). Damit brachten sie aber der Sache nach unmißverständlich zum Ausdruck, daß sie der eine solche Verabredung leugnenden Darstellung der übrigen Angeklagten den Glauben versagten, womit sie dem in § 270 Abs 2 Z 5 StPO normierten Gebot einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe entsprachen. Die in der Beschwerde zitierte Aussage des Zeugen P*****, daß seinem Eindruck nach nicht alle gemeinsam gewaltsam Geld abnehmen wollten, bedurfte schon deshalb keiner näheren urteilsmäßigen Erörterung, weil es sich hiebei bloß um eine subjektive Einschätzung dieses Zeugen und nicht um die Wiedergabe von Wahrnehmungen durch ihn handelte und dieser Zeuge letztlich einräumen mußte, sich "von allen bedroht gefühlt zu haben" (S 197).
Dem Beschwerdestandpunkt zuwider liegt kein innerer Widerspruch des Urteils darin, daß die laut Darstellung des Angeklagten P***** gleichfalls mit dem räuberischen Vorhaben ursprünglich einverstanden gewesenen Mitangeklagten S***** und T***** letztlich vom Raubvorwurf freigesprochen wurden; denn dieser Freispruch schließt nicht aus, daß die anderen Angeklagten und der unbekannt gebliebene Mittäter - anders als die freigesprochenen Angeklagten S***** und T***** - die zuvor zur Verübung des Raubes getroffene Vereinbarung in der Folge auch in die Tat umsetzten.
In der Subsumtionsrüge (Z 10), das Erstgericht hätte den Beschwerdeführer bei richtiger rechtlicher Beurteilung der ersten Phase des Tatgeschehens nur der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB bzw der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig sprechen dürfen und den von der zweiten Ausführungsphase erfaßten Sachverhalt dem Tatbestand des Diebstahls nach § 127 StGB unterstellen müssen, setzt sich der Beschwerdeführer darüber hinweg, daß der im Urteil festgestellte Geschehensablauf nach Überzeugung des Schöffengerichtes auf einem einheitlichen Tätervorsatz beruhte und demzufolge auch bei der rechtlichen Beurteilung eine Einheit bildete. Solcherart entbehrt dieser Teil der Subsumtionsrüge mangels Festhaltens am gesamten Urteilssachverhalt der gesetzmäßigen Ausführung.
Der Beschwerdeführer ist schließlich auch nicht im Recht, wenn er die Beurteilung des seinem Schuldspruch zugrunde liegenden Tatverhaltens bloß als minderschwerer Raub nach § 142 Abs 2 StGB reklamiert. Unabdingbare Voraussetzung dafür wäre ua, daß die Raubtat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde und nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat. Da diese Prämissen kumulativ gegeben sein müssen (Leukauf-Steininger Komm3 § 142 RN 27), kommt die angestrebte Privilegierung schon im Hinblick auf den Wert der Raubbeute von mehr als 1.000 S nicht in Betracht. Die Grenze der Geringwertigkeit liegt nämlich nach gesicherter Rechtsprechung bei maximal 1.000 S (aaO RN 31).
Zur Beschwerde des Hakan P*****
(§ 281 Abs 1 Z 1, 4, 5 und 10 StPO)
Den erstgenannten Nichtigkeitsgrund leitet der Beschwerdeführer daraus ab, daß in der letzten Hauptverhandlung am 23.November 1993 eine Neudurchführung des Verfahrens verabsäumt wurde, obgleich die Zusammensetzung des Schöffensenates zufolge Richterwechsels eine andere als jene in der (ersten) Hauptverhandlung am 16.September 1993 war. Somit hätten nicht alle Richter der ganzen Verhandlung beigewohnt (Z 1). Mit dieser Argumentation läßt der Beschwerdeführer die am 4.November 1993 abgeführte Hauptverhandlung außer acht, in welcher vor den dann auch in der zum Urteil führenden Hauptverhandlung vom 23.November 1993 tätigen Richtern das Verfahren gemäß § 276 a StPO neu durchgeführt wurde (S 213 und 214). Die (letzte) Hauptverhandlung am 23.November 1993 wurde aber innerhalb der Monatsfrist des § 276 a StPO aF fortgesetzt.
Die weitere in diesem Zusammenhang "vorsichtshalber" unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Rüge der Verletzung des Gebotes eines fairen Verfahrens scheitert schon daran, daß dieser Nichtigkeitsgrund - auch nach seiner Neufassung durch das erst später (am 1.Jänner 1994) in Kraft getretene StPÄG 1993 - nur unter der Voraussetzung geltend gemacht werden kann, daß in der Hauptverhandlung über einen entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers nicht oder nicht in seinem Sinne entschieden worden ist, was hier nicht der Fall war.
Auch die Mängelrüge (Z 5) versagt. Mit dem Einwand, die Annahme eines bewußten und gewollten Zusammenwirkens der Angeklagten allein auf der Grundlage seiner (hinsichtlich der Verabredung zur gewaltsamen Geldabnahme geständigen) Verantwortung wäre "völlig unverständlich", zeigt der Beschwerdeführer ebensowenig wie mit dem Hinweis auf einzelne, aus dem Zusammenhang gelöste Passagen der Aussagen der Zeugen S***** und P***** einen formellen Begründungsmangel des Urteils in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes auf. Dieses Vorbringen erschöpft sich vielmehr in einem im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Versuch, die Lösung der Beweisfrage durch das Erstgericht in Frage zu stellen. Die Rüge wiederum, im Urteil fehle jeder Hinweis, daß er selbst 20 S "genommen" habe (vgl die Verantwortung des Beschwerdeführers S 181, 182), geht ins Leere, wurde diese Geldaneignung dem Schuldspruch des Beschwerdeführers doch gar nicht zugrunde gelegt (vgl insb US 7).
Soweit der Beschwerdeführer schließlich in rechtlicher Beziehung meint, daß nach den erstgerichtlichen Feststellungen offen bleibe, ob nicht allenfalls bloß ein (Raub-)Komplott im Sinn des § 277 Abs 1 StGB gegeben sei (Z 10), vernachlässigt er die eindeutigen Urteilsannahmen, denenzufolge die Angeklagten (also auch der Beschwerdeführer) die verabredete Raubtat tatsächlich ausgeführt haben; somit verbleibt für die Annahme bloß eines verbrecherischen Komplotts kein Raum (Leukauf-Steininger Komm3 § 277 RN 7).
Die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Muammer R*****, Ferudun E***** und Hakan P***** waren sohin zu verwerfen.
Der Jugendschöffensenat verhängte über die Angeklagten nach der durch § 5 Z 4 JGG geänderten Strafdrohung des § 142 Abs 1 StGB Freiheitsstrafen von jeweils 4 Monaten, die es für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachsah. Dabei nahm es keinen Umstand als erschwerend an; als mildernd berücksichtigte es das bisher tadelsfreie Vorleben, daß es zum Teil beim Versuch geblieben ist, das Geständnis des Angeklagten Hakan P***** und das Schuldbekenntnis der beiden anderen Angeklagten sowie eine (teilweise) Schadensgutmachung bei den Angeklagten Muammer R***** und Ferudun E*****.
Diesen Strafausspruch bekämpft von den Angeklagten nur Hakan P***** mit Berufung, die er allerdings nicht angemeldet hat (§ 294 Abs 1 iVm § 284 Abs 1 StPO), weshalb sie zurückzuweisen war (§ 294 Abs 4 StPO).
Die Staatsanwaltschaft begehrt mit ihrer Berufung eine Erhöhung der über die drei Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen und ist damit auch im Recht. Als erschwerend ist nämlich noch zu berücksichtigen, daß die Angeklagten die Wehrlosigkeit der ihnen schon körperlich unterlegenen Schüler ihrer auch zahlenmäßigen Übermacht gegenüber ausgenützt und mehrere Personen beraubt haben. Dazu kommt die besondere Rücksichtslosigkeit und Unverfrorenheit der Angeklagten, die in einem Straßenbahnzug ihre Opfer längere Zeit räuberisch terrorisiert haben und sich auch durch Zureden und Bitten von ihrem Vorhaben nicht abhalten ließen. Die Strafen waren daher entsprechend dem tatsächlichen Grad der Schuld (§ 32 StGB) anzuheben, wobei jedoch in Ansehung des Angeklagten Hakan P***** wegen dessen der Unmündigkeit nahen Alters und im Hinblick auf sein Geständnis differenziert wurde.
Die Kostenersatzpflicht ist in § 390 a StPO begründet.
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