OGH 14Os87/03

OGH14Os87/035.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 2003 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Habl, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Allmayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Manfred W***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 25. Feber 2003, GZ 22 Hv 8/03y-21, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred W***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB

(1) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 (richtig: zweiter Fall; vgl Schick WK2 § 212 Rz 25) StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er in der Zeit von Juli 1999 bis Juli 2000 in Graz wiederholt

1) mit den unmündigen Kindern seiner damaligen Lebensgefährtin Margrit K*****, nämlich der am 18. Oktober 1993 geborenen Jasmin K***** und der am 31. August 1995 geborenen Tamara K***** dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er "neben Betasten und Stimulieren ihrer Scheide und der Aufforderung, seinen Penis anzugreifen und zum Teil bis zum Samenerguss zu onanieren", einen Finger in ihre Scheide einführte und

2) durch die angeführten Tathandlungen die genannten seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Personen unter Ausnützung seiner Stellung ihnen gegenüber als Lebensgefährte ihrer Mutter zur Unzucht missbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen erhobene und auf § 281 Abs 1 Z 2 und 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Der vom Beschwerdeführer unter der Z 2 erhobene Einwand, wonach § 162a Abs 4 StPO zuwider anlässlich der kontradiktorischen Vernehmung der Zeuginnen Jasmin und Tamara K***** (ON 8, 9) deren Erklärungen betreffend ihr Entschlagungsrecht nicht ins Protokoll aufgenommen worden seien, versagt schon deshalb, weil den beiden Mädchen bei diesen Vernehmungen - jeweils mangels vorangegangener gerichtlicher Vernehmung - noch kein Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 2a und 3 StPO zustand. Im Übrigen fällt eine Verletzung der Vorschrift des § 162a Abs 4 StPO betreffend Belehrung (s auch S 84) und darüber abgegebene Erklärung nicht unter Nichtigkeitssanktion und fehlte außerdem für eine erfolgreiche Geltendmachung der Z 2 die erforderliche Verwahrung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung.

Zu Unrecht bringt der Beschwerdeführer nominell unter dem in Rede stehenden Nichtigkeitsgrund (der Sache nach Z 3) vor, dass die Angaben der genannten Zeuginnen anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung (ON 8, 9) in der Hauptverhandlung nicht hätten verlesen werden dürfen (S 183). Denn der Vorsitzende hat sich erkennbar auf das gefaxte Erhebungsergebnis der Polizei (ON 19) gestützt, wonach Tamara und Jasmin K***** erklärt hatten, von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch zu machen.

Die seiner prozessleitenden Verfügung, deren Entschlagungsrecht anzuerkennen, zugrundeliegende Sachverhaltsannahme aber wurde vom Beschwerdeführer nicht (nach Maßgabe der in den Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO genannten Anfechtungskriterien) in Frage gestellt. Stellt sich die Verfügung beim Vergleich mit den erkennbar herangezogenen Sachverhaltsannahmen als rechtsrichtig dar, überprüft der Oberste Gerichtshof den zugrunde gelegten Sachverhalt ohne darauf bezogene Anfechtung nicht (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 49 f). Soweit der Beschwerdeführer durch die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf "nochmalige Ladung der Jasmin und der Tamara K***** zwecks Befragung durch das Gericht, ob sie von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch machen wollen" (S 183), Nichtigkeit nach der Z 4 geltend macht, fehlt es dem Antrag an der für die Beurteilung durch das Schöffengericht erforderlichen formellen Voraussetzung einer Darlegung, warum trotz der bisher vorliegenden gegenteiligen Erklärung (ON 19) die beiden Mädchen nunmehr doch bereit sein sollten, als Zeuginnen auszusagen. Auch die Abweisung des vom Verteidiger in der Hauptverhandlung (S 183) gestellten Antrages auf Vernehmung des Arthur M***** zum Beweis dafür, "dass allenfalls dieser die dem Angeklagten zur Last gelegten Delikte begangen hat", eignet sich nicht als Basis für die erfolgreiche Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach der Z 4, fehlt es diesem Beweisantrag doch an der Ausführung, warum die beantragte Zeugenvernehmung das behauptete Ergebnis erwarten lasse (Erkundungsbeweis; Ratz WK-StPO § 281 Rz 330).

Schließlich versagt auch die Rüge der Abweisung des vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens über den Angeklagten zum Beweis dafür, "ob bzw dass die ihm zur Last gelegten Sexualdelikte nicht seinem Persönlichkeitsprofil entsprechen" (S 183 f), weil, vom Erkundungscharakter auch dieses Antrages abgesehen, darin nicht dargelegt ist, warum der unter Beweis zu stellende Umstand für die Schuldfrage von Bedeutung sein soll. In der Nichtigkeitsbeschwerde nachgeschobene Ausführungen können dafür nicht berücksichtigt werden. Die teils offenbar unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgericht Graz zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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