OGH 14Os86/10v

OGH14Os86/10v20.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juli 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Skrdla als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alfred J***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 83 Abs 1, 107 Abs 1) StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 9. Mai 2007, GZ 12 Hv 88/06m-17, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, und des Verurteilen Alfred J***** zu Recht erkannt:

Das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Leoben vom 9. Mai 2007, GZ 12 Hv 88/06m-17, verletzt § 293 Abs 3 StPO.

Es werden das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Strafausspruch sowie demzufolge auch der unter einem gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung einer Probezeit aufgehoben und es wird in der Sache

1.) selbst erkannt:

Alfred J***** wird nach § 287 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 (fünf) Monaten verurteilt, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

2.) der

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Vom Widerruf der im Verfahren AZ 9 U 100/05f des Bezirksgerichts Knittelfeld gewährten bedingten Strafnachsicht wird abgesehen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Leoben vom 24. Oktober 2006, GZ 12 Hv 88/06m-11, wurde Alfred J***** des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 83 Abs 1, 107 Abs 1) StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Mit zugleich gefasstem Beschluss wurde gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die im Verfahren AZ 9 U 100/05f des Bezirksgerichts Knittelfeld gewährte bedingte Strafnachsicht (im Ausmaß von vier Monaten Freiheitsstrafe) widerrufen.

Aus Anlass der von Alfred J***** gegen dieses - von der Staatsanwaltschaft nicht bekämpfte - Urteil erhobenen Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe und wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe hob das Oberlandesgericht Graz am 5. März 2007, AZ 10 Bs 481/06w (= ON 14), das Urteil und den Widerrufsbeschluss auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht.

Mit im zweiten Rechtsgang ergangenem - in Rechtskraft erwachsenem und gekürzt ausgefertigtem - Urteil des Landesgerichts Leoben vom 9. Mai 2007 (ON 17) wurde der Angeklagte neuerlich des oben angeführten Vergehens schuldig erkannt und nunmehr zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, welche für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Unter einem fasste das Erstgericht den Beschluss, vom Widerruf der im Verfahren AZ 9 U 100/05f des Bezirksgerichts Knittelfeld gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen und die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern (§ 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in der gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht dieser Strafausspruch mit dem Gesetz nicht in Einklang.

Auch im Verfahren vor dem Einzelrichter des Gerichtshofs erster Instanz hatte § 293 Abs 3 StPO, wonach das - nur den Sanktionenbereich und jede einzelne Unrechtsfolge je für sich (RIS-Justiz RS0100700) betreffende - Verschlechterungsverbot des § 290 Abs 2 StPO ebenso für das aufgrund einer neuen Hauptverhandlung ergehende Urteil maßgebend ist, Anwendung zu finden (Ratz, WK-StPO § 477 aF Rz 3, 13 Os 107/05y; nichts anderes gilt nach der neuen Rechtslage seit 1. 1. 2008 für Urteile des Einzelrichters des Landesgerichts; §§ 16, 293 Abs 3 [§ 290 Abs 2] iVm § 488 Abs 1 StPO).

Durch die Verhängung einer höheren Freiheitsstrafe im zweiten Rechtsgang wurde daher eine Verletzung des Verschlechterungsverbots bewirkt, welche auch das Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht nicht auszugleichen vermochte (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 59). Die dem Verurteilten zum Nachteil gereichende Gesetzesverletzung war durch Strafneubemessung zu beheben (§ 292 letzter Satz StPO). Dabei war - ausgehend von den vom Erstgericht vollständig und richtig aufgelisteten Strafzumessungsgründen und unter Beachtung des Verbots der reformatio in peius - eine nach § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehende Freiheitsstrafe von fünf Monaten zu verhängen. Ebenso unter Beachtung des Verschlechterungsverbots hatte das Absehen vom Widerruf der im Verfahren AZ 9 U 100/05f des Bezirksgerichts Knittelfeld gewährten bedingten Strafnachsicht ohne Probezeitverlängerung zu erfolgen (vgl Jerabek, WK-StPO § 498 Rz 10).

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