OGH 14Os85/07t

OGH14Os85/07t28.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin in der Straf- und Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers Stefan E***** gegen Rainer N***** sowie die Antragsgegnerin V***** GmbH, AZ 9a E Vr 8473/01, 091 Hv 4627/01d des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, AZ 17 Bs 131/02 des Oberlandesgerichtes Wien, über den Antrag des Rainer N***** und der V***** GmbH auf Erneuerung des Strafverfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Erneuerungsantrag wird Folge gegeben.

Es werden das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. Dezember 2001, GZ 9a E Vr 8473/01-7, sowie das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 2002, AZ 17 Bs 131/02, zur Gänze aufgehoben.

Die Sache wird zur Erneuerung des Verfahrens an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Text

Gründe:

In der Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers Stefan E***** gegen den Beschuldigten Rainer N***** und die Antragsgegnerin V***** Gesellschaft mbH wegen § 111 Abs 1, Abs 2 StGB und § 6 MedienG, wurde Rainer N***** mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. Dezember 2001, GZ 9a E Vr 8473/01-7, des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1, Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt, weil er in dem von ihm Ende August/Anfang September 2001 in Wien verfassten, in der Nummer 36 der periodischen Druckschrift „P*****" vom 3. September 2001 auf den Seiten 124 und 125 unter dem Titel „Aua! - Hermann M*****. Österreich hinkt. Auch Rainer N***** plagen nach dem nationalen Beinbruch arge Phantomschmerzen" veröffentlichten Artikel, der auf die Folgen eines von Schirennfahrer Hermann M***** bei einem Verkehrsunfall erlittenen Beinbruchs Bezug nimmt, durch die Textpassage „auch M*****s lieber Freund Stefan E***** musste was sagen, und er entschied sich vermutlich im letzten Moment gegen: 'Super, jetzt gewinn ich endlich auch einmal was. Hoffentlich prackt's den miesen Hund mit den Krücken hin, und er bricht sich den anderen Haxn auch noch'", den Privatankläger Stefan E***** in einem Druckwerk verächtlicher Eigenschaften und Gesinnungen geziehen hatte (1.). Die Medieninhaberin V***** Gesellschaft mbH wurde gemäß § 6 Abs 1 MedienG wegen der Veröffentlichung der inkriminierten Passagen, durch die in einem Medium der objektive Tatbestand des Vergehens der üblen Nachrede hergestellt worden sei, zur Zahlung eines Entschädigungsbetrages in Höhe von 10.000 ATS an den Privatankläger verurteilt (4.). Unter einem wurde gemäß § 34 Abs 1 MedienG auf Veröffentlichung des Urteils in der periodischen Druckschrift „P*****" erkannt (5.) und der Angeklagte (unter Ausspruch der Mithaftung der Antragsgegnerin gemäß § 35 Abs 1 MedienG [3.]) sowie die Antragsgegnerin zum Kostenersatz verpflichtet (2. und 6.). Gegen dieses Urteil richtete sich eine gemeinsam ausgeführte Berufung des Angeklagten und der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe.

Das Oberlandesgericht Wien hat der Berufung mit Urteil vom 26. Juni 2002, AZ 17 Bs 131/02, (GZ 9a E Vr 8473/01-15 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) nicht Folge gegeben.

Mit Erkenntnis vom 22. Februar 2007 (N***** und V***** Gesellschaft mbH gegen Österreich, Beschwerdenummer 5266/03) sprach der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, dass die oben angeführten Urteile Art 10 MRK verletzen und sich die strittige Textpassage über den Privatankläger innerhalb der Grenzen eines in einer demokratischen Gesellschaft akzeptablen ironischen Kommentars bewege. Er war im Besonderen vom Argument der Gerichte nicht überzeugt, wonach ein Durchschnittsleser den satirischen Charakter des Textes und insbesondere den humorvollen Gehalt der umstrittenen Passage, in der gemutmaßt wurde, was Stefan E***** gesagt haben könnte, in Wahrheit aber nicht sagte, nicht hätte erfassen können (S 7 des Erkenntnisses).

Ausgehend von diesem Urteil stellten Rainer N***** und die V***** Gesellschaft mbH in einem gemeinsamen Schriftsatz den Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO.

Im Hinblick auf die Entscheidung des EGMR ist eine Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO unumgänglich:

Rechtliche Beurteilung

Wird in einem Urteil des EGMR eine Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder eines ihrer Zusatzprotokolle durch eine Entscheidung oder Verfügung eines Strafgerichtes festgestellt, so ist das Verfahren auf Antrag insoweit zu erneuern, als nicht auszuschließen ist, dass die Verletzung einen für die hievon Betroffenen nachteiligen Einfluss auf den Inhalt einer strafgerichtlichen Entscheidung ausüben konnte (§ 363a Abs 1 StPO). Nach Lage des Falles ist die Möglichkeit einer nachteiligen Auswirkung der festgestellten Grundrechtsverletzung auf das Urteil zu bejahen, weil davon auszugehen ist, dass die Strafgerichte bei konventionskonformer Vorgangsweise im ursprünglichen Verfahren zu einer für den Angeklagten und die Antragsgegnerin günstigeren Entscheidung gekommen wären.

Es war sohin spruchgemäß zu verfahren.

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