OGH 14Os83/92 (14Os84/92)

OGH14Os83/92 (14Os84/92)1.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.September 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Dr.Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Schneider als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hüseyin Y***** und andere wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ufuk C***** gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 16.April 1992, GZ 14 Vr 1172/91-43, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig mit dem Urteil gemäß § 494 a StPO gefaßten Beschluß nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und über die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Ufuk C***** wurde vom Landesgericht St.Pölten des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 26. November 1991 in St.Pölten in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit zwei Mitangeklagten, gegen die das Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, den Michael H***** mit Gewalt gegen dessen Person, indem ihm ein Täter von hinten den Arm um den Hals legte und ihn festhielt, während ein zweiter seine Kleidung (nach Geld) durchsuchte, wobei Ufuk C***** das Tatfahrzeug zum Tatort lenkte, mindestens 6.000 S Bargeld mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte wendet sich gegen diesen Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; indes zu Unrecht.

Mit der Mängelrüge (Z 5) behauptet er im wesentlichen mangelnde Begründung sowie Undeutlichkeit und Widersprüchlichkeit entscheidender Tatsachenfeststellungen. Vorausgeschickt sei, daß entscheidende Bedeutung nur solchen Tatsachen zukommt, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage maßgebend sind und entweder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluß üben (EvBl. 1972/17). Die Einwände in der Mängelrüge beziehen sich jedoch überwiegend auf entscheidungsirrelevante Feststellungen.

Den Beschwerdeausführungen zuwider ist die Feststellung, der Angeklagte habe bei Bezahlung einer Konsumation gesehen, daß H***** über Geld verfüge, keineswegs unbegründet, sondern die denkrichtige Ableitung aus dessen Aussage, er habe den Beschwerdeführer eingeladen gehabt (AS 38, 252), die auch durch diesen selbst (AS 241) sowie den Mitangeklagten C***** in ihren Angaben über gemeinsame Konsumationen in Lokalen bestätigt ist. Der Einwand betrifft im übrigen einen entscheidungsunwesentlichen Umstand, weil er lediglich auf das Motiv der Tat und damit bloß auf den Anstoß zum Entstehen des strafrechtlich relevanten Vorsatzes abzielt. In den Feststellungen, H***** habe sein Geld aufgeteilt in einer Börse und in einer Brieftasche verwahrt, liegt überdies kein Widerspruch, weil das Erstgericht die Bezahlung der Konsumation feststellte, ohne sich auf eine der Geldtaschen festzulegen.

Bei ihrer Feststellung, der Angeklagte habe zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt, aber jedenfalls nach der Vorsprache bei der Polizei wegen der Übernahme der Autoschlüssel den Vorsatz gefaßt, H***** zu berauben, konnten sich die Tatrichter auf die Angaben der beiden Mitangeklagten vor der Polizei (AS 63,64), dem Untersuchungsrichter (AS 93 b) und in der Hauptverhandlung (AS 244) stützen, in der der Mitangeklagte C***** aussagte, der Beschwerdeführer habe geäußert, H***** habe viel Geld, "rauben wir ihn aus". Bereits aus dieser Äußerung, aber auch aus dem weiteren, von den Mitangeklagten beschriebenen und vom Schöffengericht als glaubwürdig erachteten eigentlichen Tatverlauf ist die Ableitung als denkrichtig gerechtfertigt, C***** und C***** hätten in Kauf genommen, bei einer Weigerung H*****, freiwillig Geld herauszugeben, es diesem mit Gewalt abzunehmen.

Entscheidungsirrelevant ist weiters, ob H***** vor der Tat gewarnt oder erst am Tag danach über das geplante Vorhaben informiert wurde, weil dieser Umstand weder die Schuld des Angeklagten noch den bei der Strafzumessung heranzuziehenden Strafsatz betrifft.

Daß sich die Täter über ihr Vorhaben in türkischer Sprache verabredeten, ergibt sich aus der eigenen Aussage des Beschwerdeführers vor dem Untersuchungsrichter (AS 91 a und b), insbesondere jedoch aus der Aussage des Mitangeklagten Y***** vor der Polizei (AS 64). Dessen weitere Tatbeteiligung rechtfertigt auch den Schluß, daß er mit den Plänen des C***** einverstanden war.

Ohne entscheidungswesentliche Bedeutung ist ferner, aus welchem Grund der Beschwerdeführer vor der Tat in der Umgebung von St.Pölten umhergefahren ist. Auch ist kein Widerspruch in der Feststellung zu erblicken, die Täter hätten vorerst durch List versucht, zum Geld des H***** zu kommen, indem sie zunächst von Borgen sprachen und wären erst, nachdem dies fruchtlos blieb, gewaltsam vorgegangen. Denn der Raubvorsatz wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Täter zunächst versucht, sein Opfer zur freiwilligen Beuteübergabe zu bewegen, bleibt dies ergebnislos, aber Gewalt anwendet.

Nicht von entscheidender Bedeutung ist weiters, ob und auf welche Weise Drohungen gefallen sind, weil dem Angeklagten nicht angelastet wird, den Raub durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, sondern unter Anwendung des Tatmittels Gewalt begangen zu haben. Ebenso irrelevant ist die genaue Höhe des H***** weggenommenen Geldbetrages, weil entscheidungswesentliche Wertgrenzen hier außer Betracht bleiben können. Entgegen den weiteren Beschwerdeausführungen in diesem Zusammenhang wird dem Angeklagten nicht zur Last gelegt, er habe bei der Geldabnahme mitgewirkt, sondern sein Tatbeitrag mit dem Lenken des Fahrzeuges und damit dem Transport des Opfers zum Tatort angenommen, sodaß auch diesbezügliche Einwände fehl gehen.

Für die Schuldentscheidung unbeachtlich ist ferner, ob der Angeklagte eine schwere Verletzung des Opfers verhindern wollte; die Feststellung, daß er mit der Gewaltausübung einverstanden gewesen war, konnte das Schöffengericht hingegen auf Grund der Aussagen der Mitangeklagten vor Polizei und Untersuchungsrichter (AS 59 ff, ON 6 und 7), die in der Hauptverhandlung verlesen wurden (AS 260) sowie jener des C***** in dieser feststellen.

Die eigenen Angaben des Beschwerdeführers belasten ihn den weiteren Ausführungen zuwider insoweit, als er vor der Polizei und dem Untersuchungsrichter den Tatablauf im wesentlichen mit den Angaben der Mitangeklagten übereinstimmend schilderte und dabei lediglich die Beteiligung seiner Person zu verharmlosen suchte. Mit dem Umstand, daß der Zeuge H***** aus dem Geschehensverlauf zum Teil für den Angeklagten günstigere Schlüsse zog, hat sich das Erstgericht ausführlich auseinandergesetzt (US 16), aus der Gesamtheit der Beweisergebnisse aber in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) andere für ihn nachteilige Schlußfolgerungen gezogen. Es kann auch auf sich beruhen, ob der Angeklagte als der intelligenteste Täter angesehen werden darf; seine Initiatorenrolle konnte das Schöffengericht jedenfalls aus den Aussagen der anderen Tatbeteiligten vor der Polizei (AS 63,64), dem Untersuchungsrichter (AS 93 b) und in der Hauptverhandlung (AS 246,257) feststellen.

Für die Schuldfrage bleibt es letztlich unerheblich, ob der Angeklagte damit rechnen konnte, H***** würde vergessen, daß sich der Beschwerdeführer vor der Polizei zur Übernahme der Schlüssel des Kraftfahrzeuges des H***** mit seinem Führerschein hatte ausweisen müssen. Dies könnte lediglich als ein Hinweis für die Behörde gewertet werden, der die Ausforschung der Täter allenfalls zu erleichtern geeignet gewesen wäre.

Mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) versucht der Beschwerdeführer im wesentlichen, unter Übernahme seiner Verantwortung mit aus dem Zusammenhang gelösten Zitaten aus Aussagen der Zeugen H***** und K*****, einzelner für die Entscheidung in der Schuldfrage bedeutungsloser Nebenumstände (wie dem gemeinsamen Besuch des Polizeiwachzimmers vor dem Vorfall, um zu den Autoschlüsseln des H***** zu gelangen, und der Warnung des Opfers durch K*****) sowie durch besonderes Hervorheben entscheidungsunwesentlicher Differenzen in den Aussagen der Mitangeklagten, die Ergebnisse des Beweisverfahrens zu seinen Gunsten umzudeuten. Es vermag damit aber keineswegs schwerwiegende, unter Außerachtlassen der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung, also intersubjektiv, erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweisverwertung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen. Die für die Anfechtung im Rahmen der Tatsachenrüge erforderliche, an die Aktenlage gebundene Geltendmachung von Bedenken gegen die Annahme entscheidender Tatsachen kann keineswegs in dem Vorbringen bestehen, das Erstgericht habe Beweisergebnisse bedenklich gewürdigt. Dieser Nichtigkeitsgrund gestattet nämlich nicht die Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung. Insbesondere kann der zur Darlegung erheblicher Zweifel am Gelingen der Wahrheitsfindung gebotene Vergleich aktenkundiger Umstände mit entscheidenden Feststellungen nicht durch die Behauptung ersetzt werden, von der ersten Instanz als glaubhaft angesehene Beweisergebnisse seien zufolge innerer Unwahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung unglaubwürdig (Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr. 2 und 4 zu § 281 Z 5 a). Es versagt somit auch die Tatsachenrüge.

Mit der Rechtsrüge (Z 9 lit. a), die den Mangel insgesamt entscheidungsunwesentlicher Feststellungen reklamiert (auf welche Weise der Beschwerdeführer gesehen hat wieviel Geld das Opfer bei sich hatte; wann der Raubvorsatz gefaßt und die Vereinbarungen mit den Mitangeklagten getroffen worden waren, wer Drohungen ausgesprochen und tatsächlich dem Opfer das Geld abgenommen hat), werden letztlich der Sache nach wiederum nur Begründungsmängel geltend gemacht, die jedoch, wie bereits dargestellt, dem Urteil nicht anhaften. Damit wird aber, geht man vom festgestellten Sachverhalt aus, nicht einmal im Ansatz die Frage berührt, ob das vom Erstgericht festgestellte Tatsachensubstrat in objektiver und subjektiver Beziehung den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten strafgerichtlichen Tatbestand erfüllt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit schon bei einer nichtöffentlichen Beratung teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO), im übrigen jedoch als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt (§ 285 d Abs. 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO) sofort zurückzuweisen. Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten und seine Beschwerde gegen den Beschluß auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz berufen ist (§§ 285 i; 494 a Abs. 5 StPO).

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