OGH 14Os83/04

OGH14Os83/0410.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. August 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Sengstschmid als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Sabri B***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. April 2004, GZ 094 Hv 9/04p-39, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtenen Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II. sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sabri B***** der Verbrechen des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB (I.) und der Hehlerei nach § 164 Abs 1, Abs 2 und Abs 4 zweiter Satz StGB (II.) schuldig erkannt. Danach hat er in Wien

I. vom 16. bis 19. Jänner 2004 gewerbsmäßig Helmut S***** fremde bewegliche Sachen, nämlich ein Gasprüfgerät im Wert von 392,40 Euro, ein Autoradio der Marke "JVC KD-S 641" im Wert von 94,90 Euro sowie Fensterputzmittel, eine Küchenrolle, einen Stadtplan und einen Enteiser im Gesamtwert von 20 Euro mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Diebstahl durch Einbruch in das Fahrzeug durch Einschlagen des linken vorderen Dreiecksfensters mit dem "Vorsatz" (richtig: in der Absicht - vgl US 6) beging, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen;

II. vom 9. bis 10. Februar 2004 den Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen nach der Tat dadurch unterstützt, dass er eine Sache, nämlich ungarische Autobahnvignetten, die dieser durch einen Einbruchsdiebstahl in das Fahrzeug des Slavisa N***** erlangt hatte, an sich gebracht, wobei "ihm bewusst war", dass die erlangten Sachen aus einem Einbruchsdiebstahl stammen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht.

Eine Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) liegt nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467). Abgesehen davon, dass die Aussagen der Polizeibeamten Inspektor Daniel L***** und Revierinspektor Erich D***** keinen für den Schuldspruch wesentlichen Umstand betreffen, hat das Erstgericht entgegen der Beschwerde ihre Angaben in den relevanten Teilen richtig wiedergegeben. Zu einem vollständigen, wörtlichen Zitat war es nicht verpflichtet. Dass der Angeklagte bei beiden Aufgriffen am 19. Jänner und 11. Februar 2004 Werkzeug bei sich führte, findet in den jeweiligen Anzeigen Deckung (S 17/18, 140/141).

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund (Z 5) liegt somit nicht vor. Die gegen den Schuldspruch I. gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) bestreitet die festgestellte gewerbsmäßige Begehung und behauptet unsubstanziiert, aus dem Beweisverfahren sei ein anderes Ergebnis abzuleiten. Damit wird weder der materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund gesetzmäßig ausgeführt noch ein Begründungsmangel deutlich und bestimmt bezeichnet.

In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen. Im Ergebnis berechtigt ist hingegen die zum Schuldspruch II. erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit a).

Nach den wesentlichen Feststellungen hat der Angeklagte zwar den inkriminierten Diebstahl durch Einbruch zum Nachteil des Slavisa N***** nicht begangen, jedoch die aus dessen Auto weggenommenen ungarischen Autobahnvignetten von einem Unbekannten übernommen, obwohl er annahm, dass sie aus einem Einbruchsdiebstahl stammten (US 7 und 8). Zu diesen Vignetten war anlässlich der Anklageerhebung von der Staatsanwaltschaft Wien "wegen § 229 StGB" aus dem Grunde des § 34 Abs 2 StPO die Erklärung gemäß § 90 Abs 1 StPO abgegeben worden (S 3j). Dieser wurde durch den Untersuchungsrichter mit Einstellungsbeschluss vom 26. Februar 2004 entsprochen (S 3j verso). Nach der Anzeige muss der Gültigkeitszeitraum einer ungarischen Autobahnvignette durch eine Lochung der aufgedruckten Zeiten festgelegt werden. Vor ihrer Verwendung ist das Kennzeichen jenes Fahrzeuges einzutragen, für welches sie bestimmt ist. Vorliegend war lediglich eine Vignette noch gültig, bei den anderen war die Frist bereits abgelaufen (S 103 ff). Ob auch bei der zeitlich noch gültigen Vignette das Kraftfahrzeugkennzeichen eingetragen war, ergibt sich aus dem Akt nicht.

Eine Verurteilung des Angeklagten zu diesem Faktum ist möglich, wenn die Entfremdung der Autobahnvignetten vom Anklagevorwurf umfasst ist (vgl hiezu deren Anführung in der Begründung der Anklageschrift S 235). Auf die rechtliche Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft kommt es dabei nicht an (Ratz aaO Rz 522, 525).

Fraglich ist aber, ob es sich bei den entzogenen ungarischen Autobahnvignetten um einen Wertträger handelt. Denn nur bis zu ihrer Verwendung (Lochung, Eintragung des Kennzeichens) haben sie einen wirtschaftlichen Tauschwert und können damit Gegenstand eines Diebstahls oder einer Hehlerei sein. Nach entsprechender Entwertung dienen sie nur dazu, die Bezahlung der Autobahngebühr für das mit dem Kennzeichen identifizierte Fahrzeug im vorgesehenen Zeitraum nachzuweisen. Dann wäre ihr strafrechtlicher Schutz im § 238 StGB abschließend geregelt (Kienapfel in WK² § 223 Rz 101; Schroll in WK² § 238 Rz 4).

Wie die Beschwerde aufzeigt, hat das Erstgericht keine Konstatierungen über die Art der sichergestellten Vignetten oder deren - derzeit allerdings nicht von der Anklage umfassten - Verfälschung getroffen. Solche Feststellungen wären aber zur ausdrücklichen rechtlichen Beurteilung erforderlich gewesen. Daraus ergibt sich, dass zum Urteilsfaktum II. eine neue Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist. Das Urteil war daher in diesem Punkt sowie demgemäß im Strafausspruch bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO). Im erneuerten Verfahren wird das Gericht genaue Feststellungen über die Art der Vignetten zu treffen haben. Anschließend wird die Tat einer rechtlichen Würdigung im Sinne der dargestellten Rechtslage zu unterziehen sein.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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