Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Einer Strafanzeige des Gendarmeriepostens Rankweil zufolge sei der Taxilenker Markus U***** kurz vor 03.00 Uhr des 28.Dezember 1996 mit seinem Fahrzeug, Albert F***** als Fahrgast mitführend, dort vorstellig geworden und habe mitgeteilt, er sei von diesem zuvor telefonisch zum Arka-Hüsli nach Muntlix bestellt und mit einer Fahrt nach Rankweil beauftragt worden, wo angelangt sein Fahrgast ihm bedeutet habe, den Fahrpreis in der Höhe von 101 S nicht begleichen zu können.
Hiezu befragt, habe der reichlich bezechte (wegen vielfacher Vermögensdelinquenz als amtsbekannt bezeichnete) Albert F***** bestritten, das Taxi überhaupt bestellt zu haben. Als es beim Arka-Hüsli angekommen sei, sei er zufällig in der Nähe gestanden und "einfach vom Taxilenker mitgenommen" worden. Er sei daher auch nicht bereit, den vorgeblichen Fahrpreis später zu bezahlen. Die niederschriftliche Einvernahme des Albert F***** sei, so die Anzeige abschließend, wegen dessen starker Alkoholisierung nicht möglich gewesen. Eine Nachschau habe im übrigen ergeben, daß dieser nur einen Bargeldbetrag von 20 S mitgeführt habe.
Gegen die ohne vorausgehendes Verfahren vom Bezirksgericht Feldkirch erlassene Strafverfügung wegen des Vergehens des Betruges erhob der Beschuldigte Einspruch und verantwortete sich schriftlich erneut damit, daß er vom Taxilenker "freiwillig" mitgenommen worden sei. Zudem habe er die "sogenannte Schuld" beglichen.
Weil der Beschuldigte ungeachtet der gehörigen Vorladung zur Hauptverhandlung, der gemäß § 454 zweiter Satz StPO die Warnung beigefügt war, daß im Falle seines Ausbleibens dennoch mit der Verhandlung und Urteilsfällung vorgegangen werden würde, zur bestimmten Stunde nicht erschien und der Richter dessen Vernehmung nicht für nötig fand, wurde sofort das Verfahren begonnen und nach Verlesung des vorstehend dargelegten Akteninhaltes (der als Zeuge geladene Markus U***** hatte sich fernmündlich entschuldigt) das (kondemnierende) Urteil gefällt und verkündet, worin der Generalprokurator eine Verletzung der §§ 3 und 459 StPO mit nachstehender Begründung erblickt:
"Die Durchführung der Verhandlung und die Fällung des Urteils in Abwesenheit des gehörig geladenen Beschuldigten darf gemäß § 459 StPO nur dann Platz greifen, wenn der Richter die Vernehmung des Beschuldigten für entbehrlich erachtet. Die Ermessensgrenze zieht dabei § 3 StPO, wonach alle im Strafverfahren tätigen Behörden die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen haben.
Bei der gegebenen Beweissituation wäre daher das Erstgericht verpflichtet gewesen, zur Überführung des leugnenden Beschuldigten durch die "Angaben" des Zeugen U*****, der überdies mit der Verantwortung des Beschuldigten niemals konfrontiert worden ist, von amtswegen alle wesentlichen Umstände in einer der Erforschung der materiellen Wahrheit dienlichen Weise zu prüfen und insbesondere in Ansehung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite die erforderlichen Beweise selbst aufzunehmen und zu würdigen. Keinesfalls durfte es durch Unterstellung aktenfremder Motive von einem Handeln mit Betrugsvorsatz ausgehen und den Beschuldigten in dessen Abwesenheit schuldig erkennen. Die vom Erstgericht getroffene Ermessensentscheidung beruht sohin auf einer unrichtigen Rechtsansicht über Inhalt und Wirkung der Bestimmungen der §§ 3 und 459 StPO, stellt sohin einen Ermessensmißbrauch dar und ist daher einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Geseztes zugängig."
Der Oberste Gerichtshof vermag sich diesen Überlegungen nicht anzuschließen.
Rechtliche Beurteilung
Selbst die Erlassung einer Strafverfügung, die das Gesetz an spezielle Voraussetzungen in bezug auf die Sachverhaltsklärung knüpft, ist nur insoweit dem Ermessen des Bezirksrichters entrückt und demnach einer Anfechtung gemäß § 33 Abs 2 StPO zugänglich, als der das ganze Strafverfahren beherrschende Grundsatz des beiderseitigen Gehörs nicht in einer der Erforschung der materiellen Wahrheit dienlichen Weise gewahrt worden ist (Mayerhofer StPO4 § 460 E 9; RZ 1982/23; SSt 49/65).
Eine Verletzung des schon seit der Einführung des reformierten Strafprozesses mit dem Gesetz vom 23.Mai 1873, RGBl. Nr.119, das gerichtliche Strafverfahren in Österreich tragenden und durch Art 6 EMRK auf Verfassungsebene gehobenen Grundsatzes des beiderseitigen Gehörs liegt aber schon begrifflich nur dann vor, wenn der Beschuldigte gegen seinen Willen nicht gehört wird, er also vernommen werden will, das Gericht seine Anhörung aber verweigert. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn er einer Vorladung des Gerichtes unentschuldigt keine Folge leistet. Dann hat nicht das Gericht dem Beschuldigten das Recht auf billiges Gehör genommen, vielmehr hat dieser selbst es abgelehnt, sich vor dem zu seiner Anhörung bereiten Gericht zu verantworten (RZ 1963, 49).
Weil vorliegend dem Beschuldigten zudem einläßlich über die Folgen seines Ausbleibens Belehrung erteilt worden war (§ 454 StPO), hat das Gericht auch seine Anleitungspflicht nicht verletzt (§ 3 StPO).
Ist die Führung eines Protokolls selbst bei Vorerhebungen des Bezirksgerichtes nur ausnahmsweise angeordnet (§ 452 Z 6 StPO), mußte es allein deshalb, weil die Angaben des Markus U***** nicht niederschriftlich festgehalten worden waren, schon wegen der ergänzenden Erhebungstätigkeit der anzeigenden Dienststelle noch keine Zweifel an deren korrekter Wiedergabe hegen. Albert F***** aber hatte anläßlich des Einspruches gegen die Strafverfügung seine leugnende Verantwortung erneut gleichlautend deponiert. In der Beschränkung auf diese Beweismittel kann nach Lage dieses (einfachen) Falles kein Mißbrauch des dem Gericht in der Wahrheitsfindung eingeräumten Ermessens (§§ 3, 258 Abs 2, 459 StPO) erblickt werden.
Die Nichtigkeitsbeschwerde mußte daher verworfen werden.
Bleibt abschließend anzumerken, daß das innerhalb der Einspruchsfrist bei Gericht eingelangte Schreiben des Angeklagten vom 31.Juli 1996 (ON 9), mit welchem sich dieser für das Fernbleiben von der Hauptverhandlung - wenngleich unsubstantiiert - entschuldigt und gegen die Urteilsannahmen Stellung bezogen hatte, ungeachtet einer fehlenden ausdrücklichen Bezeichnung eine Deutung als Einspruch zuläßt, über den vom Bezirksgericht nach vorläufiger Vernehmung des Anklägers zu erkennen sein wird.
Verwirft es den Einspruch, so steht dem Angeklagten das Rechtsmittel der Beschwerde an den Gerichtshof erster Instanz binnen 14 Tagen zu, in welchem Fall er berechtigt ist, mit diesem Rechtsmittel für den Fall der Verwerfung die Berufung zu verbinden (§ 478 Abs 2 StPO). Angesichts der insoweit unrichtigen - aber nicht in Beschwerde gezogenen - Rechtsbelehrung, welche dem Angeklagten anläßlich eines Wiedereinsetzungsantrages am 12.August 1996 erteilt worden war (ON 11), wird er auf die Möglichkeit der Verbindung dieser beiden Rechtsmittel in einer Mißverständnisse ausschließenden Weise hinzuweisen sein.
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