OGH 14Os82/92

OGH14Os82/921.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. September 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Mag. Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schneider als Schriftführer, in der Strafsache gegen Frieda J* wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 16. März 1992, GZ 38 Vr 2133/91‑17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, sowie des Verteidigers Dr. Franz Lethmüller, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:E30506

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem ‑ auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden ‑ angefochtenen Urteil wurde Frieda J* des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 2 StGB schuldig erkannt, weil sie zwischen 1. Juni 1991 und 16. Juni 1991 in K* in drei Angriffen 6.300 S dem Werner R* durch Nachsperren einer versperrten Schublade mittels eines widerrechtlich erlangten Schlüssels mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte bekämpft das Urteil mit einer auf die Nichtigkeitsgründe nach Z 5, 5 a, 9 lit a, 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Ferner wendet sie sich auch mit Berufung gegen den Strafausspruch.

In der Nichtigkeitsbeschwerde bemängelt die Angeklagte zunächst aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO die Feststellung, daß sie sich durch Zueignung des weggenommenen Geldes bereichern wollte. Diese Urteilsannahme ist jedoch den vorgebrachten Einwänden zuwider weder unzureichend, noch undeutlich, noch unvollständig, noch aktenwidrig begründet.

Das Schöffengericht leitete aus der Heimlichkeit der Geldwegnahme und der Verschweigung der Vorgänge gegenüber Werner R* den Willen der Angeklagten ab, solcherart ihr Vermögen ohne Rechtsanspruch zu vermehren und keine Kompensation mit ihren Lohnansprüchen vorzunehmen. Diese Beweisführung widerspricht weder der Logik noch ist sie mehrdeutig. Im übrigen wurde mit der einschlägigen Verantwortung der Angeklagten, das Geld aus Ärger über ihre unerfüllten Lohnforderungen gegen Werner R* weggenommen zu haben, der Sache nach nur ein spezifisches Tatmotiv, nicht aber darüber hinaus ein eigenmächtiges Vorgehen zwecks Befriedigung von Ansprüchen behauptet. Soweit die Beschwerdeführerin eine solche Tragweite ihrer Einlassung unterstellt, genügt der Hinweis, daß sie bei den jeweiligen Schilderungen ein Wissen über die genaue Höhe der weggenommenen Summen verneint hat und sich demgemäß die Frage nach einem damals aktuellen Verrechnungswillen gar nicht stellen konnte (S 19, 23, 64 und 106). Zur mängelfreien Urteilsbegründung bedurfte es demnach keiner weiteren Auseinandersetzung mit dieser Verantwortung der Angeklagten.

Entgegen dem unter Verkennung des Begründungsmangels der "Aktenwidrigkeit" erstatteten Vorbringen und den sowohl in der Mängelrüge (Z 5) als auch in der auf Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO abgestellten Rechtsrüge enthaltenen Beschwerdeausführungen betrifft es keine entscheidende Tatsache, ob die Angeklagte gegen Werner R* wirklich Lohnforderungen hatte. Der beim Diebstahl geforderte Vorsatz des Täters, durch Sachzueignung eine unrechtmäßige Bereicherung zu erzielen, ist mit dem gleichzeitigen Bestehen eines vermögenswerten Anspruches des Täters gegen den Betroffenen durchaus vereinbar. Vielmehr kommt es zusätzlich darauf an, ob der Täter anläßlich des Zugriffs bezüglich seines Anspruches in Befriedigungsabsicht handelt, denn nur unter dieser Voraussetzung fehlt das bezeichnete Vorsatzelement (Leukauf‑Steininger Komm3 § 127 RN 57). Ein solcher Sachverhalt wurde jedoch vom Erstgericht mit einwandfreien Gründen durch Verneinung des Verrechnungswillens der Angeklagten ausgeschlossen, weshalb auch die allfälligen Lohnansprüche der Angeklagten für die Entscheidung der Schuldfrage keine Bedeutung haben konnten.

Sowohl die von der Beschwerdeführerin zusätzlich hilfsweise begehrten Wertungen des bisher behandelten Beschwerdevorbringens als Tatsachenrügen als auch die ausdrücklich zum Nichtigkeitsgrund nach Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO erstatteten Ausführungen sind nicht zielführend. Nach sorgfältiger Prüfung aller Argumente an Hand der gesamten Aktenlage bestehen keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Annahme, daß die Angeklagte bei den Geldwegnahmen nicht den Willen hatte, damit eine fällige Lohnforderung zu befriedigen.

Als Nichtigkeit nach Z 10 des § 281 Abs 1 StPO rügt die Beschwerdeführerin die rechtliche Annahme der Einbruchsqualifikation des Diebstahls, welche das Erstgericht aus der Tatbegehung mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel ableitete.

Den diesbezüglichen Urteilsfeststellungen zufolge fand die Angeklagte bei ihrer Arbeitsverrichtung als Reinigungsfrau in der Bar des Werner R* einen Schlüssel. Sie stellte durch Probieren fest, daß der Schlüssel eine in diesem Lokal zur Geldverwahrung benützte Schublade öffnete. Ohne Wissen und Willen der Wirtsleute behielt die Angeklagte den Schlüssel und verwendete ihn in der Folge bei drei Gelegenheiten, um die Lade aufzusperren und daraus Geld zu stehlen.

Diese Urteilstatsachen widerlegen die Beschwerdebehauptung, daß der Schlüssel rechtmäßig in den Besitz der Angeklagten gelangt sei. Der Schlüssel befand sich im Lokal des Werner R* und demgemäß im Gewahrsam des Genannten. Er war somit kein gewahrsamsfreier Gegenstand, der im rechtlichen Sinn "gefunden" werden konnte (Leukauf‑Steininger Komm3 § 134 RN 5 ff). Zum Behalten des Schlüssels war die Angeklagte weder infolge der ihr obliegenden Reinigungsarbeiten, noch auf anderer Grundlage ermächtigt. Da sie den ihr fremden Schlüssel ohne Rechtsgrundlage an sich brachte, wurde das Tatwerkzeug sehr wohl von ihr widerrechtlich erlangt (Leukauf‑Steininger Komm3 § 129 RN 19).

Die Beurteilung des Diebstahls als Qualifikationsfall nach § 129 Z 2 StGB erfolgte daher ohne Rechtsirrtum. Daraus ergibt sich, daß die Tat mit mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist und schon deswegen kraft Gesetzes ihre Straflosigkeit wegen mangelnder Strafwürdigkeit nach § 42 StGB nicht in Betracht kommt, womit dem diesbezüglichen, auch in der Berufung wiederholten Einwand (Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO) der Boden entzogen ist.

Mit der letztlich unter Heranziehung des Nichtigkeitsgrundes nach Z 11 des § 281 Abs 1 StPO von der Beschwerdeführerin geübten Kritik am Unterbleiben einer Urteilsbegründung für den Strafausspruch wird nicht eine fehlerhafte Anwendung des materiellen Sanktionsrechtes bezeichnet, sondern ein der Nichtigkeitsbeschwerde unzugänglicher formeller Mangel der Entscheidungsgründe. Dieser Verstoß des Erstgerichtes gegen die Begründungspflicht nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO kann nur mit Berufung geltend gemacht werden (EvBl 1988/108).

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagte gemäß § 129 StGB unter Anwendung des § 37 StGB zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen. Die Höhe des Tagessatzes wurde mit 30 S bestimmt. Die Strafe wurde gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit ihrer Berufung strebt die Angeklagte eine Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Bei der Strafbemessung war erschwerend die Wiederholung der Tat und der Mißbrauch des Vertrauensverhältnisses, mildernd der bisherige ordentliche Lebenswandel und der Umstand, daß die Tat mit dem sonstigen Verhalten der Angeklagten in auffallendem Widerspruch steht (§ 34 Z 2 StGB), das reumütige Geständnis (§ 34 Z 17 StGB) und die teilweise objektive Schadensgutmachung.

Die übrigen in der Berufung relevierten Milderungsgründe liegen jedoch nicht vor. Das Vorbringen, die Angeklagte habe gleichsam nur zur Selbsthilfe gegriffen, weil ihr fällige Entgelte vorenthalten wurden, steht im Widerspruch zu den Urteilsannahmen. Denn das Schöffengericht stellte fest, daß die Angeklagte den Besitz des Kassenschlüssels verheimlicht und heimlich Geld entnommen, somit mit Bereicherungsvorsatz gehandelt hat. Von einer Unbesonnenheit ist mit Rücksicht auf das planmäßige Vorgehen der Angeklagten keine Rede, ebensowenig von einer besonders verlockenden Gelegenheit. Sie hat vielmehr das ihr entgegengebrachte Vertrauen mißbraucht. Da die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe nicht beträchtlich überwiegen und die Tat auch keineswegs als überdurchschnittlich leicht bezeichnet werden kann, liegen auch die Voraussetzungen für die außerordentliche Strafmilderung nach § 41 StGB nicht vor.

Bei den gegebenen Strafzumessungsgründen ist die vom Erstgericht verhängte bedingt nachgesehene Geldstrafe keineswegs zu streng, sodaß auch der Berufung ein Erfolg zu versagen war.

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