OGH 14Os82/12h

OGH14Os82/12h28.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richters Mag. Falmbigl als Schriftführer in der Strafsache gegen Eugen A***** wegen mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 6. Juni 2012, GZ 9 Hv 9/12y-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Eugen A***** jeweils mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I) und der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (II) sowie des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er von Juli bis September 2011 in N***** und anderen Orten Österreichs, zu (I) und (II) wiederholt

(I) außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen, indem er die am 2. Mai 2000 geborene Tamara P***** ober- und unterhalb der Kleidung an der Scheide betastete;

(II) außer den Fällen des § 201 StGB die Genannte mit Gewalt zur Vornahme geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er ihre Hand gegen ihren Widerstand packte und mit dieser einen Handverkehr an seinem Penis durchführte;

(III) eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen Person vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er vor der Genannten onanierte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 4, 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Dem Standpunkt der Verfahrensrüge zuwider wurden durch die Abweisung der Anträge auf Ladung des Michael M***** und Beischaffung des „Scheidungsaktes betreffend Michael M*****“ (ON 37 S 6 ff) Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Soweit die Beweisaufnahme auf den Nachweis - per se für die Schuld- und die Subsumtionsfrage unerheblicher - (hier nicht verfahrensgegenständlicher) angeblich falscher sexueller Missbrauchsvorwürfe gegen Michael M***** durch die Mutter des Tatopfers, Kerstin P*****, und damit in erster Linie darauf abzielte, deren Glaubwürdigkeit zu erschüttern (vgl dazu RIS-Justiz RS0098429, RS0028345; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340 und 350), ergaben sich aus dem diesbezüglichen Vorbringen keine - für die Berechtigung eines solchen Antrags indes unerlässliche - Anhaltspunkte für die Annahme, die betreffende Zeugin hätte in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt, wozu etwa dargetan hätte werden müssen, dass sie rechtskräftig wegen Verleumdung verurteilt worden ist, zum konkreten Verfahrensgegenstand bereits falsche Angaben gemacht hat oder eine habituelle Falschbezichtigungstendenz erkennen lässt (RIS-Justiz RS0120109).

Aufgrund welcher konkreten Wahrnehmungslage Michael M***** im Stande sein sollte, lückenlos Auskünfte über Kontakte zwischen dem Angeklagten und Tamara P***** im Tatzeitraum zu geben und damit die Unrichtigkeit deren Angaben zu „gleichsam täglichen Übergriffen“ zu bestätigen, ließ sich dem Antrag auf Vernehmung des Genannten ebenfalls nicht entnehmen, womit er auch unter diesem Aspekt auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielte (RIS-Justiz RS0107040, RS0099453; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f).

Erst im Rechtsmittel nachgetragene Ergänzungen eines Beweisantrags unterliegen dem Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Ob der Beschwerdeführer nach den verfahrensgegenständlichen Vorfällen in einem „Chatverkehr“ mit dem Tatopfer über Facebook sexuelle Anspielungen machte und auf stattgehabte sexuelle Kontakte Bezug nahm, ist nicht entscheidend, womit der Vorwurf offenbar unzureichender und unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter und vierter Fall) dieser Urteilsannahmen ins Leere geht. Im Übrigen stand das in diesem Zusammenhang angesprochene „Gutachten hinsichtlich des beschlagnahmten Laptops“ (gemeint: der Bericht des Landespolizeikommandos Burgenland über die Auswertung der am Laptop des Angeklagten gespeicherten Daten [ON 34a S 1 ff]) dem Beschwerdestandpunkt zuwider nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch zu den bekämpften Konstatierungen. Die auch insoweit leugnende Verantwortung des Angeklagten hielten die Tatrichter hinwieder aufgrund einer Reihe von Verfahrensergebnissen für widerlegt (US 8), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken begegnet. Die dagegen geäußerte Beschwerdekritik erschöpft sich in einer Bekämpfung der diesbezüglichen Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Dass § 208 StGB in Betreff der Gefährdungseignung der Handlung keine Absicht verlangt, räumt die Beschwerde ein (vgl dazu RIS-Justiz RS0118585; Ratz, WK-StPO Rz 546, 610). Die - erforderlichen - Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 5 f) wurden den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend aus dem objektiven Täterverhalten im Verein mit allgemeiner Lebenserfahrung abgeleitet (US 10, 11).

Z 5a verlangt, aus dem in der Hauptverhandlung vorgekommenen - deutlich und bestimmt zu bezeichnenden - Beweismaterial erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu entwickeln (RIS-Justiz RS0119583; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 471, 481), welchen Anforderungen die Tatsachenrüge nicht gerecht wird, indem sie die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit des Tatopfers mit dem pauschalen Hinweis auf angebliche nicht näher bezeichnete Widersprüche zwischen und innerhalb dessen Aussagen in Frage zu stellen sucht.

Welche - über die bereits in Beantwortung der Verfahrensrüge behandelten - Beweise das Erstgericht in Wahrnehmung seiner Pflicht zu amtswegiger Wahrheitsforschung (§§ 3 Abs 1, 232 Abs 2 StPO) aufnehmen hätte sollen und wodurch der Angeklagte an entsprechender sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war, legt die weitere Beschwerde nicht dar und orientiert sich solcherart gleichfalls nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, der unter dem Aspekt der Sachverhaltsermittlung subsidiär ist gegenüber jenem der Z 4 (RIS-Justiz RS0114036, RS0115823; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Die Wertung sowohl des Zusammentreffens strafbarer Handlungen verschiedener Art als auch der Wiederholung gleichartiger strafbarer Handlungen als erschwerend (US 11) verstößt dem Standpunkt der Sanktionsrüge (nominell Z 11 zweiter und dritter Fall, der Sache nach Z 11 zweiter Fall; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 711) zuwider nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (RIS-Justiz RS0091187 [ab T2]). Soweit sie das Unterbleiben teilweiser bedingter Nachsicht der Strafe im Sinn des § 43a Abs 4 StGB kritisiert, enthält die Rüge bloß ein Berufungsvorbringen (RIS-Justiz RS0100032).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte