OGH 14Os79/94

OGH14Os79/9426.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Juli 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Krumholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard Karl N***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 31.März 1994, GZ 34 Vr 2781/93-41, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Hauptmann, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Essenther zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 6.August 1948 geborene Gerhard Karl N***** der Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB (Schuldspruch A.1./) sowie der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (Schuldspruch A./2.) schuldig erkannt; überdies hat er (laut Schuldspruch B./) das (richtig: die) Vergehen nach § 36 Abs 1 Z 1, 2 und 3 WaffenG begangen.

Nach den allein vom Nichtigkeitsverfahren betroffenen Schuldsprüchen Punkt A./ hat der Angeklagte am 23.Oktober 1993 in Hallein durch drei Schüsse aus einer Pistole der Marke Browning, Kaliber 6,35 mm, versucht, Tatjana V***** vorsätzlich zu töten (A./1./) und Astrid S***** durch gefährliche Drohung mit dem Tode, nämlich durch die Äußerung: "Ruf mir sofort ein Taxi oder hast du schon die Polizei angerufen, sonst drücke ich noch einmal ab!", zur telefonischen Bestellung eines Taxis genötigt (A./2./).

Diesen Schuldsprüchen liegt die jeweils stimmeneinhellige Bejahung der anklagekonformen Hauptfragen A und B des Fragenschemas zugrunde, die allerdings in Ansehung der letzten Frage mit der Einschränkung (§ 330 Abs 2 StPO) erfolgte, daß der zusätzliche Vorwurf, während der drohenden Äußerung die Pistole auf Astrid S***** gerichtet zu haben, nicht aufrecht blieb. Die Beantwortung der den Geschworenen für den Fall der Verneinung der Hauptfrage A nach versuchtem Mord gestellten Eventualfrage 1 in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und einer nur bei Verneinung auch jener Frage aktuellen weiteren Eventualfrage 2 betreffend das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1, Abs 2 Z 1 StGB entfiel damit.

Der Angeklagte bekämpft diese Schuldsprüche mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO.

Dem Beschwerdevorbringen unter ersterem Nichtigkeitsgrund (Z 6) zuwider verstößt die Abstandnahme des Schwurgerichtshofes von der Stellung einer Eventualfrage nach (bloßem) Versuch der schweren Nötigung für den Fall der Verneinung der Hauptfrage B und einer weiteren - nur bei Verneinung dieser beiden Schuldfragen zu beantwortenden - Eventualfrage in Richtung der gefährlichen Drohung nicht gegen die Vorschrift des § 314 Abs 1 StPO. Dieser zufolge sind nämlich Eventualfragen nur dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, bei deren Erweislichkeit der eines vollendeten Verbrechens oder Vergehens Angeklagte lediglich des Versuches schuldig (oder der als unmittelbarer Täter Angeklagte nur als Beitrags- oder Bestimmungstäter anzusehen) wäre oder die dem Angeklagten angelastete Tat nicht unter das in der Anklageschrift angeführte, sondern unter ein anderes - nicht strengeres - Strafgesetz fiele. Die unter Punkt A./2./ der Anklageschrift individualisierte Tat wäre aber auch dann nicht als Versuch der schweren Nötigung oder als gefährliche Drohung zu beurteilen gewesen, hätten die Geschworenen die in der vom Beschwerdeführer zitierten Aussage der Zeugin Astrid S***** abweichend geschilderten Tatmodalitäten als erwiesen angenommen. Denn diese Zeugin wich zwar im Verlauf dieser Aussage von ihren noch am Beginn derselben aufrechterhaltenen Angaben vor der Gendarmerie (S 35/I) und vor dem Untersuchungsrichter (S 135/I und vso) immer mehr ab. Hatte sie zunächst noch behauptet, ihr Versuch eines Telefonanrufs bei der Rettung habe "fast nicht geklappt", weil ihr der Angeklagte "dazwischengekommen" sei, der einen sofortigen Anruf um ein Taxi verlangte und sie trotz ihres Hinweises auf die Vordringlichkeit der Herbeirufung der Rettung mit der Drohung "sonst drücke ich ab" zum von ihm gewünschten Telefonat veranlaßt habe (S 435/I ganz unten, 437/I), gab sie in der Folge an, sie hätte auch ohne diese Äußerung des Angeklagten "das Taxi sofort angerufen", obgleich sie zu diesem Zeitpunkt die Rettung noch nicht erreicht gehabt habe (S 439/I oben, 441/I 2.Abs). Diese Behauptung, derzufolge die Drohung des Angkelagten ohne ursächlichen Einfluß auf die Erfüllung seines Verlangens durch die (hiezu ohnehin bereite) Zeugin S***** geblieben und daher als bloßer Nötigungsversuch zu beurteilen gewesen wäre (vgl - jeweils zu § 105 StGB - Leukauf-Steininger3 RN 28 f; Kienapfel in BT I3 RN 78; Schwaighofer im WK Rz 10 und 11; Mayerhofer-Rieder3 ENr 25 a und b), hielt sie allerdings nicht aufrecht, weshalb aus diesem Teil ihrer Aussage keine Konsequenzen für die Erstellung des Fragenschemas zu ziehen waren. Vielmehr bestätigte die Zeugin S***** später nochmals ihre ursprüngliche Version, dem Ansinnen des Angeklagten erst auf Grund seiner drohenden Äußerung nachgekommen zu sein (S 445/I unten), korrigierte sich aber letztlich dahin, der Angeklagte habe die Ankündigung nochmaligen Abdrückens überhaupt erst geäußert, nachdem sie - in seiner Gegenwart und für ihn unüberhörbar - das Taxi bereits gerufen gehabt habe (S 447/I bis 449/I Mitte, 451/I). Diese (letzte) Tatschilderung liefert aber keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme eines als gefährliche Drohung zu beurteilenden Verhaltens des Angeklagten, weil in aller Regel die Ankündigung eines Übels für den Fall der Nichterfüllung einer Voraussetzung, deren tatsächliche Verwirklichung den Beteiligten zu diesem Zeitpunkt schon bekannt ist, weder objektiv geeignet ist, dem Adressaten begründete Besorgnisse einzuflößen, noch (insbesondere) auf die Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) des Täters schließen läßt, die Gegenseite in Furcht und Unruhe zu versetzen. Besondere Begleitumstände der Äußerung, welche ausnahmsweise deren Beurteilung als gefährliche Drohung (ungeachtet der Verknüpfung mit einer irrealen Bedingung) zugelassen hätten, lagen nach der letzten Tatschilderung der Zeugin nicht vor; wich sie doch keineswegs von ihrer früheren Behauptung ab, die von ihr in der Hand des Angeklagten wahrgenommene Pistole sei nicht auf sie gerichtet, sondern "eher weggehalten" worden (S 437/I Mitte), und führte bei mehrmaliger Befragung folgerichtig ihre vor dem Angeklagten empfundene Angst nicht auf dessen Äußerung, sondern nur auf ihre Wahrnehmung der Waffe zurück (S 449/I viertletzter und vorletzter Absatz, S 451/I drittletzter Absatz). Der dennoch auch noch an dieser Stelle der Aussage der Zeugin S***** unterlaufene unreflektierte Gebrauch der Bezeichnung "Drohung" für die Äußerung des Angeklagten reicht für sich allein nicht hin, in der letzten ihrer mehrfach abgeänderten Tatschilderungen ein Vorbringen (im Sinne des § 314 Abs 1 StPO) zu erblicken, welches die Verwirklichung des Tatbildes des § 107 Abs 1 (und 2) StGB, insbesondere auch in subjektiver Hinsicht, nahelegen könnte.

Der Instruktionsrüge (§ 345 Abs 1 Z 8 StPO) zuwider ist die Rechtsbelehrung zur Hauptfrage A nicht in einer Weise unvollständig, die geeignet wäre, den Geschworenen eine unrichtige Rechtsauffassung zu vermitteln (Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr 65, 66 zu § 345 Z 8). Der Einwand, die Willenskomponente des bedingten Vorsatzes - durch die allein sich diese Vorsatzform von bewußter Fahrlässigkeit unterscheidet - sei nicht hinreichend erläutert und infolge dieser Unterlassung bei den Geschworenen der rechtsunrichtige Eindruck erweckt worden, jeder den Erfolgseintritt (ernstlich) für möglich haltende Täter handle vorsätzlich, übergeht insoweit jene Ausführungen der Rechtsbelehrung (S 10 zweiter Absatz), die dem von ihm zitierten Absatz unmittelbar vorausgehen. In diesen wird zutreffend erläutert, für die Annahme vorsätzlichen Handelns genüge es, daß der Täter die Verwirklichung des einem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhaltes ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet; Vorsatz bedeute somit Verwirklichenwollen eines derartigen Sachverhaltes mit dem Wissen um diese Verwirklichung und bestehe demnach "auf" (richtig: aus) einer intellektuellen und einer voluntativen Komponente (Willenskomponente). Aber auch in den vom Beschwerdeführer wörtlich wiedergegebenen Rechtsausführungen ist diese Willenskomponente neuerlich mehrmals als Sichabfinden mit dem ernstlich für möglich gehaltenen tatbildmäßigen Erfolg zutreffend beschrieben und zur weiteren Erläuterung noch ausgeführt worden, die erforderliche Willensrelation zwischen Täterverhalten und Tatbildverwirklichung sei erst damit gegeben, daß sich der Täter zur Tat entschließe, weil er einen das Tatbild verwirklichenden Ereignisablauf hinzunehmen gewillt sei, sich mithin mit diesem abfinde. Eine Eignung dieser Belehrung in ihrer Gesamtheit, den Geschworenen eine unrichtige Rechtsauffassung über die Voraussetzungen bedingt vorsätzlichen Handelns zu vermitteln, ist angesichts ihres unmißverständlich abgefaßten Inhaltes auszuschließen. Einer ausdrücklichen Erwähnung des Unterschiedes zur bewußten Fahrlässigkeit - einem in der Hauptfrage A überhaupt nicht vorkommenden Begriff - bedurfte es nicht im Rahmen dieses Teiles der Belehrung; genug daran, daß den Geschworenen klar vor Augen geführt wurde, daß erst bei Verwirklichung der - vom Schwurgerichtshof durchaus zutreffend erläuterten - Willenskomponente das Vorsatzerfordernis des § 75 StGB erfüllt ist.

Der Vollständigkeit halber ist zu bemerken, daß in der Rechtsbelehrung zur einzigen Frage, bei welcher Fahrlässigkeit (in Ansehung der Herbeiführung von Verletzungsfolgen) in Betracht zu ziehen gewesen wäre, nämlich der Eventualfrage 2, betreffend das Vergehen der schweren Körperverletzung, die Voraussetzungen auch der bewußten Fahrlässigkeit ohnehin - unter Gebrauch des insoweit allgemein verständlichen Gesetzeswortlautes (§ 6 Abs 2 StGB) - angeführt worden sind (S 18 f der Rechtsbelehrung).

Auch jener Teil der Rechtsbelehrung zur Hauptfrage A, in welchem betont wird, daß der Entschluß des Versuchstäters auf eine tatbildgemäße Unrechtsverwirklichung gerichtet sein müsse, wogegen nicht wegen Versuches hafte, wer die Vollendung der Tat nicht angestrebt habe (S 11 unten, 12), konnte von den Geschworenen nicht mißverstanden werden: Der durchaus zutreffende Hinweis auf die Straflosigkeit einer nicht mit dem Willen zur Tatvollendung unternommenen Handlung kann auch Laien keineswegs zur - geradezu gegenteiligen - rechtlichen Annahme verleiten, für die Annahme strafbaren Versuches reiche es hin, daß der (in concreto nicht eingetretene) Erfolg fahrlässig (also ungewollt) herbeigeführt worden wäre. Noch unerfindlicher bleibt der in der Beschwerde hergestellte Zusammenhang eines solchen Mißverständnisses mit der ausdrücklichen Erwähnung des Vorsatzerfordernisses in der Hauptfrage A ("... vorsätzlich versucht, ... zu töten ..."), mag auch der Schuldspruch

A./1./ insoweit abweichend formuliert worden sein ("... versucht, ... vorsätzlich zu töten ..."). Daß der Versuch fahrlässiger Herbeiführung eines tatbildlichen Erfolges, also einer Fahrlässigkeitstat, begrifflich ausgeschlossen ist, ergibt sich zudem schon aus den in der Rechtsbelehrung (S 11 drittletzter Absatz bis S 12 erster Absatz) zutreffend wiedergegebenen und erläuterten Bestimmungen der beiden ersten Absätze des § 15 StGB, welche - in allgemein verständlicher Ausdrucksweise - nur den Anwendungsbereich der Strafdrohungen gegen vorsätzliches Handeln erweitern und auf die Betätigung des Entschlusses zur Tatausführung (oder zur Bestimmung eines anderen hiezu) abstellen.

Die auf den Schuldspruch A./2./ und den zugrundeliegenden Teil des Wahrspruches (Bejahung der Hauptfrage B./) bezügliche Instruktionsrüge beruht ausschließlich auf der in der Rechtsbelehrung ein einziges Mal (in der Überschrift S 20) unterlaufenen Fehlbezeichnung dieser Frage als "Hauptfrage C"; angesichts der durchaus zutreffenden Bezeichnung der Hauptfagen B und C im gesamten übrigen Text der Belehrung (vgl deren S 5, 6, 24, 26 und - insbesondere - 27) war dieses Versehen jedoch ohne Schwierigkeiten auch für die Laienrichter als solches erkennbar. Es vermochte sie daher keineswegs in den vom Beschwerdeführer als möglich bezeichneten Irrtum, nämlich zur Verwechslung der Inhalte der erwähnten Hauptfragen, zu führen. Ein solcher Irrtum der Geschworenen ist im vorliegenden Falle auch auf Grund der Bezugnahmen auf den Frageninhalt in der Niederschrift der Geschworenen auszuschließen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard Karl N***** war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB unter Anwendung des § 28 (Abs 1) StGB zu 12 (zwölf) Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es das Zusammentreffen zweier Verbrechen und eines Vergehens, die im Sinn des § 39 Abs 1 StGB rückfallsbegründenden Vorverurteilungen und den relativ raschen Rückfall nach der Verbüßung einer zehnjährigen Freiheitsstrafe wegen eines Gewaltdeliktes als erschwerend; als mildernd berücksichtigte es das Teilgeständnis hinsichtlich des Vergehens nach dem WaffenG und daß es beim Versuch des Mordes geblieben ist.

Der Berufung, mit welcher die Herabsetzung der Freiheitsstrafe angestrebt wird, kommt keine Berechtigung zu.

Das Geständnis hinsichtlich des Vergehens nach dem WaffenG wurde ohnedies mildernd berücksichtigt. Eine strafmildernde Unbesonnenheit (§ 34 Z 7 StGB) liegt nicht vor, weil beim einschlägig und schwer vorbestraften Rechtsmittelwerber nicht angenommen werden kann, daß die Taten nach seiner charakterlichen Beschaffenheit in der Regel unterblieben wären (Leukauf-Steininger Komm3 § 34 RN 13).

Zu Unrecht behauptet er auch, mit seiner Verantwortung wesentlich zur Aufklärung des Mordversuches beigetragen zu haben, weil hinsichtlich seiner Täterschaft in objektiver Hinsicht Augenzeugen berichten konnten, während er den Tötungsvorsatz bestritt.

Bei dem zur Anwendung gelangenden Strafrahmen von 10 bis 20 Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe hat das Geschworenengericht unter Berücksichtigung aller Tatmodalitäten - insbesondere auch der durch den Mordversuch bewirkten schweren Verletzung der Tatjana V***** - eine angemessene Unrechtsfolge ausgesprochen.

Auch der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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