Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und es werden der Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roko M***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen von der Anklage, habe am 3. Dezember 2005 den Filialleiter des Geschäftes M*****, Morteza M*****, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe, nämlich durch Vorhalten einer Gaspistole, eine fremde bewegliche Sache, und zwar einen Bargeldbetrag in der Höhe von rund 5.000 Euro, mit dem Vorsatz abzunötigen versucht, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, gemäß § 336 StPO freigesprochen.
Die Geschworenen hatten die anklagekonforme Hauptfrage nach dem Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (1) einstimmig und die dazu gestellte Zusatzfrage nach Rücktritt vom (unbeendeten) Versuch gemäß § 16 Abs 1 erster Fall StGB (2) bejaht.
Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.
Die Staatsanwältin beantragte gemäß § 310 Abs 3 StPO in der Hauptverhandlung die Abstandnahme von der genannten Zusatzfrage (2) und behielt sich nach Abweisung durch den Schwurgerichtshof - der die Stellung der Zusatzfrage „aufgrund des Beweisverfahrens, insb der Vernehmung des Zeugen Thomas M*****" als indiziert erachtete - die Nichtigkeitsbeschwerde vor (§ 345 Abs 4 StPO; AS 307 f/II).
Rechtliche Beurteilung
Die Fragestellungsrüge (Z 6) moniert zu Recht, dass ein die Stellung einer Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch rechtfertigendes Tatsachensubstrat nicht vorlag.
Gemäß § 313 StPO ist eine Zusatzfrage nach einem Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund nur dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, die - falls es sie als erwiesen angenommen werden - die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden.
Durch die Verfahrensergebnisse war die relevierte Zusatzfrage jedoch keineswegs indiziert:
Nach der Verantwortung des Angeklagten der Hauptverhandlung (71, 85 f, 93/II) gab er sein Vorhaben, den Leiter der M*****-Filiale in den frühen Morgenstunden des 3. Dezember 2005 zu berauben, bereits beim Verlassen der Wohnung des Thomas M***** zwischen 0:30 Uhr und 1:00 Uhr auf und begab sich daher nicht zum Tatort, sondern in ein Kaffeehaus. Folgt man dem, wurde die Tat mangels Ausführungsnähe nicht einmal versucht (§ 15 Abs 2 StGB; Leukauf/Steininger Komm³ § 15 Rz 9 ff), sodass ein Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) von vornherein nicht in Betracht kommt.
Dem Zeugen Thomas M***** (AS 133, 139, 143/II; 55, 171 f, 179/I) zufolge erzählte der Angeklagte bei seiner Rückkehr in die Wohnung (gegen 3:15 Uhr), er sei zwar am Tatort gewesen, habe aber von der geplanten Ausführung Abstand genommen, weil er vor der M*****-Filiale ein Zivilstreifenfahrzeug und zwei Beamte in Zivil wahrgenommen habe, die sich in das Lokal begeben hätten. Nach diesem Vorbringen fehlte es an der Freiwilligkeit eines allfälligen Versuchrücktritts (§ 16 Abs 1 StGB; vgl Leukauf/Steininger aaO § 16 Rz 2 f). Die demnach unangebrachte Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch begründet somit - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung des Verteidigers - Nichtigkeit des Urteils nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO. Die verfehlte Fragestellung war geeignet, einen die Anklage beeinträchtigenden Einfluss auf die Entscheidung zu üben (§ 345 Abs 4 StPO).
Wegen des gegebenen Zusammenhanges war auch der Wahrspruch zu Hauptfrage 1 aufzuheben (§§ 289, 344 StPO).
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