OGH 14Os76/90

OGH14Os76/907.8.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.August 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pilnacek als Schriftführer in der Strafsache gegen Mikdat B*** wegen des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 23.März 1990, GZ 24 Vr 12/90-13, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Innsbruck zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der nunmehr 20jährige türkische Staatsangehörige Mikdat B*** des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 12

(zweiter Fall), 15, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 5.Oktober 1989 in Innsbruck zwei Beamtinnen des Arbeitsamtes Innsbruck, nämlich Elisabeth P*** und Gabriele S*** durch Anbieten von Geld für die pflichtwidrige Ausstellung von Ausländerbeschäftigungsbewilligungen dazu zu bestimmen versucht, daß die beiden Beamtinnen mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem Recht auf Einhaltung der gesetzlichen Richtlinien bei der Erteilung von Ausländerbeschäftigungsbewilligungen zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbrauchen sollten. Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 1, 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund macht der Beschwerdeführer geltend, daß der als Mitglied des Schöffensenates an der angefochtenen Entscheidung mitwirkende Richter Dr. S*** ausgeschlossen gewesen sei, weil er in derselben Sache (teilweise) als Untersuchungsrichter tätig gewesen sei. Da § 68 Abs 2 StPO einen "taxativen" Ausschließungsgrund darstelle, sei ein Richter unter den dort genannten Voraussetzungen "eo ipso, also kraft Gesetzes ausgeschlossen, das Richteramt (in der Hauptverhandlung) auszuüben".

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist, daß Dr. S***, der vorliegend (auch) als Untersuchungsrichter tätig gewesen ist (ON 3, 4), in der Hauptverhandlung als beisitzender Richter fungierte und an der Urteilsfällung beteiligt war. Aus dem Protokoll über diese Hauptverhandlung (S 55) ergibt sich, daß dieser Umstand während der Verhandlung (vom Gericht) festgestellt wurde, die Parteien jedoch "auf Geltendmachung dieses Umstandes als Nichtigkeitsgrund allseits verzichtet" haben; damit ist es aber dem Angeklagten verwehrt, den bezüglichen Umstand als Nichtigkeitsgrund (Z 1) geltend zu machen (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 31 a, 32 zu § 281 Z 1). Die Regelung des § 281 Abs 1 Z 1 StPO, wonach prozessuale Voraussetzung für die Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes ist, daß der Beschwerdeführer den die Nichtigkeit begründenden Umstand (bei der Hauptverhandlung) sogleich, nachdem er ihm zur Kenntnis gelangt war, geltend gemacht hat, steht - entgegen dem Beschwerdevorbringen - mit den Grundsätzen der MRK nicht im Widerspruch. Ebensowenig sah sich der Oberste Gerichtshof durch die im Rahmen dieser Beschwerdeausführungen getätigte Anregung, die Sache an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, veranlaßt, ein Gesetzesprüfungsverfahren (Art. 140 Abs 1 B-VG) zu initiieren. Einen weiteren Verfahrensmangel (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Durchführung von Telefonaten (über die Exekutive) mit (zehn) Wahlpersonen zum Nachweis dafür, daß die Zeugin Elisabeth P*** nicht in der Lage sei, den Angeklagten "allein auf Grund der Stimme" zu identifizieren (S 62, 63). Das Erstgericht lehnte die Beweisaufnahme mit der Begründung ab (S 63, 72), es sei durchaus möglich, daß die Zeugin P*** "nicht in der Lage ist, den Angeklagten unter mehreren türkischen Staatsangehörigen an Hand seiner Stimme zu identifizieren". Solcherart ging das Schöffengericht ohnedies davon aus, daß der genannten Zeugin eine Identifizierung des Angeklagten "allein" auf Grund der bei einem Telefongespräch wahrgenommenen Stimme nicht möglich sein werde. Der Schöffensenat gelangte jedoch auf Grund der übrigen Verfahrensergebnisse, insbesondere der Aussage der Zeugin P***, wonach sich der Angeklagte bei dem in Rede stehenden Telefonat ausdrücklich mit dem Namen "B***" vorgestellt hatte unter weiterer Berücksichtigung der Verantwortung des Angeklagten (S 53 f), derzufolge er türkischen Landsleuten bei der Erledigung von Behördengängen darunter auch beim Arbeitsamt, behilflich gewesen und ihm die beiden Zeuginnen bekannt gewesen seien (S 53), gemäß § 258 Abs 2 StPO zur Überzeugung, daß der Angeklagte es war, der am 5. Oktober 1989 den Zeuginnen P*** und S*** das vom Schuldspruch erfaßte Angebot telefonisch unterbreitet hat (S 71). Die Tatrichter berücksichtigten in diesem Zusammenhang außerdem, daß der Angeklagte am selben Tag beim Arbeitsamt Innsbruck vorgesprochen, anschließend im Verlauf eines mit der Zeugin S*** geführten Telefongespräches auf seine vorangegangene persönliche Vorsprache mit dem Hinweis Bezug genommen hatte, daß er vom Lokal "A***" aus anrufe und auch der Anrede (durch die Zeugin S***) mit "Herr B***" nicht widersprochen hat (S 69 ff).

Der behauptete Verfahrensmangel ist sohin nicht unterlaufen. Die Mängelrüge (Z 5) hinwieder läuft bloß auf eine im schöffengerichtlichen Verfahren - nach wie vor - unzulässige und damit unbeachtliche Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung hinaus, indem versucht wird, die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen Elisabeth P*** und Gabriele S***, auf deren Angaben die Tatrichter den Schuldspruch im wesentlichen gegründet und durch welche sie die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers als widerlegt erachtet haben, in Zweifel zu ziehen; formale Begründungsmängel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO werden damit nicht dargetan. Wenn der Beschwerdeführer - der Sache nach - eine unvollständige Begründung reklamiert, übersieht er, daß die Einwände Umstände betreffen, welche das Erstgericht ohnedies ausdrücklich in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen hat, wie etwa die Divergenz in der zeitlichen Abfolge der in Rede stehenden Kontakte der beiden Zeuginnen mit dem Angeklagten im Verlauf des Vormittags des 5. Oktober 1989 und hinsichtlich der Äußerungen der Zeuginnen zu der von ihnen geschilderten Essenseinladung des Angeklagten (vgl. S 71). Im übrigen mußte sich das Urteil nicht im voraus mit allen Einwendungen gegen die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen auseinandersetzen, sofern es nur - wie vorliegend geschehen - jene Erwägungen in gedrängter Darstellung anführt, aus denen die Tatrichter diesen Zeugen Glauben schenkten (vgl. abermals S 71). Der Einwand aber, den beiden Zeuginnen sei nur der Angeklagte gegenübergestellt worden, während eine Gegenüberstellung mit dessen Bruder Ismail B*** unterblieben sei, ist aktenwidrig. Denn abgesehen davon, daß Elisabeth P*** und Gabriele S*** den Angeklagten auf dem ihnen von der Polizei zunächst vorgewiesenen Lichtbild und auch bei der nachfolgenden Gegenüberstellung "einwandfrei und ohne Zweifel sofort" als jenen Mann wiedererkannten (S 29 f), der am 5.Oktober 1989 in ihrem Amtsraum beim Arbeitsamt Innsbruck vorgesprochen hatte, ist zuvor (am 20.Dezember 1989) eine Gegenüberstellung auch mit Ismail B*** erfolgt, wobei beide zum Ausdruck brachten, daß es sich bei diesem nicht um den ihnen vom Amt her bekannten "Herrn B***" handle (S 15, 21).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich läßt insgesamt eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen.

Der Beschwerdeeinwand, die Annahme des Schöffengerichts, dem Angeklagten sei bekannt gewesen, "daß es schwer ist, Beschäftigungsbewilligungen für Ausländer zu erhalten", reiche für den subjektiven Tatbestand des Verbrechens nach § 302 Abs 1 StGB nicht aus, läßt die (weiteren) Urteilsfeststellungen unberücksichtigt, wonach die Absicht des Angeklagten darauf gerichtet war, die beiden Beamtinnen zur bewußt pflichtwidrigen Ausstellung von Arbeitsbewilligungen zu bewegen, wobei es ihm bei dem eingangs wiedergegebenen Angebot gegenüber den beiden Beamtinnen darauf ankam, diese durch Zahlung von Bestechungsgeldern zur bewußt pflichtwidrigen, gegen die gesetzlichen Regelungen verstoßenden Ausstellung von Beschäftigungsbewilligungen für Ausländer zu bewegen (vgl. insbesondere S 70, 71 f).

Soweit aber der Beschwerdeführer - der Sache nach unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund nach Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO - Feststellungen in die Richtung vermißt, ob ihm ein strafaufhebender Rücktritt vom Versuch nach § 16 Abs 1 StGB zustatten komme, übergeht er jene Urteilsfeststellungen (S 69), wonach die Tatvollendung durch die Weigerung der beiden Beamtinnen, auf das Ansinnen des Angeklagten einzugehen, unterblieben ist. Bei einem sonach mißlungenen Versuch (mißlungener Bestimmung) ist aber ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch schon begrifflich ausgeschlossen (ÖJZ-LSK 1976/360). Solcherart wird der (inhaltlich) geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund, dessen Vorliegen auch bei der Behauptung von Feststellungsmängeln nur durch einen Vergleich des im Urteil tatsächlich als erwiesen angenommenen vollständigen Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Strafgesetz dargetan werden kann, nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach - übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - schon bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs 1 StPO zurückzuweisen; hieraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz berufen ist (§ 285 i StPO).

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