European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0140OS00072.9500000.0530.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 18.Oktober 1994, AZ 7 Bs 334/94 (ON 47), ist das Gesetz in der Bestimmung des § 295 Abs 2 (iVm § 268) StPO verletzt worden.
Gründe:
Mit dem Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 30.März 1993, GZ 14 Vr 693/91‑38, wurde Gerhard W* - neben einer strafbaren Handlung anderer Art ‑ des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt und hiefür nach § 33 Abs 5 FinStrG zu einer (zum Teil bedingt nachgesehenen) Geldstrafe von 1,200.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu vier Monaten Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Der Ausspruch der Ersatzfreiheitsstrafe wurde nur im Hauptverhandlungsprotokoll dokumentiert (S 363), fand aber infolge eines offenkundigen Versehens keinen Niederschlag in der schriftlichen Urteilsausfertigung (S 369).
Mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 18.August 1994, GZ 14 Os 46/94‑8 (ON 45), wurde die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen des Finanzvergehens richtete, zurückgewiesen. Die Entscheidung über seine nur gegen den Strafausspruch nach dem Finanzstrafgesetz gerichtete Berufung kam darnach dem Oberlandesgericht Linz zu (§ 285 i StPO).
Dieses gab mit dem Urteil vom 18.Oktober 1994, AZ 7 Bs 334/94 (ON 47), der Berufung des Angeklagten teilweise Folge und ermäßigte die (abermals teilbedingt nachgesehene) Geldstrafe auf 800.000 S. Von einer Ersatzfreiheitsstrafe sah das Berufungsgericht spruchmäßig mit der Begründung ab, daß der dem Ersturteil durch die Unterlassung der Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe (§ 20 Abs 1 FinStrG) anhaftende Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO nicht von Amts wegen zum Nachteil des Berufungswerbers aufgegriffen werden könne (S 469).
Rechtliche Beurteilung
Insoweit steht das Urteil des Berufungsgerichtes ‑ wie der Generalprokurator in seiner deshalb gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt ‑ mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Der wesentliche Inhalt eines Urteils (§ 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO) bestimmt sich nach seiner mündlichen Verkündung (§ 268 StPO). Eine in diesem Kernbereich vom verkündeten Urteil abweichende schriftliche Urteilsausfertigung (§ 270 StPO) kann daher nicht Grundlage eines Rechtsmittelverfahrens sein. Nach dem Hauptverhandlungsprotokoll war offenkundig, daß der "fehlende" Ausspruch einer Ersatzfreiheitsstrafe bloß auf einem Ausfertigungsversehen beruhte, welches das Rechtsmittelgericht hätte zum Anlaß nehmen müssen, vor seiner Entscheidung dem Erstgericht aufzutragen, die schriftliche Urteilsausfertigung an das mündlich verkündete Urteil anzugleichen (§ 270 Abs 3 StPO; SSt 47/50; Foregger‑Kodek StPO6 Anm VIII; Mayerhofer‑Rieder StPO3 E 20, 22 ff, insb 29, je zu § 270). Angesichts dessen, daß das Oberlandesgericht im hier aktuellen Punkt die fehlerhafte Urteilsausfertigung und nicht das verkündete Urteil seiner Entscheidung zugrunde legte, hat es sich zu Unrecht auf das Verschlimmerungsverbot berufen und damit gegen die im schöffengerichtlichen Berufungsverfahren insoweit maßgebende Bestimmung des § 295 Abs 2 (iVm § 268) StPO verstoßen. Da diese Gesetzesverletzung aber zum Vorteil des Verurteilten ausschlägt, hat es mit deren Feststellung sein Bewenden.
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