Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus deren Anlass wird das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 14. November 2000, AZ 7 Bs 185/00, im Schuldspruch wegen der zu Punkt 1 des Strafantrages angeklagten Tat und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Linz verwiesen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 29. Juni 2000, GZ 13 EVr 123/00-8, wurde Heinz Josef M*****der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 erster Fall StGB (1) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (2) schuldig erkannt. Darnach hat er in Steyr seine Lebensgefährtin Roswitha G*****
1. im Mai 1999 dadurch, dass er die Tür der gemeinsamen Wohnung von innen versperrte und sämtliche Schlüssel zu sich steckte, wodurch Roswitha G***** in der Zeit von 10,00 Uhr bis 17,00 Uhr die Wohnung nicht verlassen konnte, widerrechtlich gefangen gehalten und
2. am 5. Dezember 1999 vorsätzlich misshandelt, indem er sie am Hals erfasste und zudrückte, und dadurch fahrlässig an ihrer Gesundheit geschädigt, nämlich einen Asthmaanfall ausgelöst.
In Stattgebung der ausschließlich gegen Punkt 1 dieses Schuldspruches gerichteten Schuldberufung des Heinz M***** hob das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 14. November 2000, AZ 7 Bs 185/00 (ON 17), den erstgerichtlichen Schuldspruch wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 erster Fall StGB auf und fällte in diesem Umfang einen Schuldspruch wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB.
Nach den wesentlichen vom Berufungsgericht - nach Beweiswiederholung - getroffenen Feststellungen hat Heinz Josef M***** im Mai 1999 in Steyr seine Lebensgefährtin Roswitha G***** mit (zumindest) bedingtem Vorsatz, sie durch gefährliche Drohung mit einer Freiheitsentziehung zu einer Handlung, nämlich zur Besorgung von Magenbitter zu nötigen, für einen Zeitraum von sieben Stunden in der gemeinsamen Wohnung durch Versperren der Wohnungstür und Einstecken der Schlüssel festgehalten, wobei es Roswitha G***** aber "grundsätzlich unter der Voraussetzung freigestanden wäre, die Wohnung zu verlassen, dass sie dem Angeklagten den gewünschten Alkohol besorge". Da sich Roswitha G***** demnach ohne erheblichen Kraftaufwand oder Geschick bzw ohne Gefahr einer Körperverletzung befreien hätte können, mangle es am für § 99 Abs 1 StGB essentiellen Merkmal eines der Befreiung des Opfers entgegenstehenden "ernstlichen und gewichtigen Hindernisses" (US 5 f).
In seiner gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes, soweit darin dem der Durchsetzung seines Begehrens dienenden Verhalten des Angeklagten die Eignung einer tauglichen Tathandlung des § 99 Abs 1 StGB abgesprochen wurde, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde führt der Generalprokurator Folgendes aus:
"Gemäß § 105 Abs 1 StGB begeht das Vergehen der Nötigung, wer einen anderen mit Gewalt oder gefährlicher Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Dieser Tatbestand wurde zwar gegenständlich durch die von einem entsprechenden bedingten Vorsatz getragene Ankündigung, Roswitha G***** bis zur Besorgung von Alkohol von einer nahegelegenen Tankstelle am Verlassen der Wohnung zu hindern, verwirklicht. Soweit der Angeklagte diese Drohung durch Versperren der Wohnungstür und Ansichnehmen sämtlicher Schlüssel in die Tat umgesetzt hat, verwirklicht er auch das Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB, weil das dem deliktischen Verlangen widerstreitende Opfer sieben Stunden lang am Verlassen der Wohnung gehindert war.
Angesichts der Dauer der Freiheitsbeschränkung erreicht dieser Eingriff einen eigenständigen Handlungsunwert im Sinne der im § 99 StGB pönalisierten Freiheitsentziehung. Dient eine solche der Durchsetzung einer Nötigung, dann fehlt ihr - der Auffassung des Berufungsgerichtes zuwider - nicht etwa deshalb die Tatbestandsmäßigkeit, weil es dem Opfer freigestanden wäre, das ihm abgenötigte Verhalten zu setzen, um seine Freiheit wiederzuerlangen; vielmehr ist echte Konkurrenz von Nötigung und Freiheitsentziehung anzunehmen (Kienapfel BT I4 § 99 RN 40 mwN). Fallbezogen wäre daher richtigerweise von einer echten Konkurrenz der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB auszugehen gewesen. Dem Berufungsgericht war die Nachholung des vom Erstgericht unterlassenen (zusätzlichen) Schuldspruches nach § 105 Abs 1 StGB zwar verwehrt, weil diese Unterlassung seitens der Staatsanwaltschaft unbekämpft geblieben ist. Es hätte jedoch den erstgerichtlichen Schuldspruch wegen § 99 Abs 1 StGB aufrecht erhalten müssen. Die stattdessen erfolgte Unterstellung des Sachverhaltes (allein) unter § 105 Abs 1 StGB durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 14. November 2000, AZ 7 Bs 185/00, entspricht sohin nicht dem Gesetz. Die aufgezeigte Gesetzesverletzung gereicht dem Verurteilten allerdings zum Vorteil, sodass es mit ihrer Feststellung sein Bewenden haben muss (§ 292 StPO)."
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Den Tatbestand nach § 99 Abs 1 StGB erfüllt, wer einen anderen widerrechtlich gefangen hält oder ihm auf andere Weise die persönliche Freiheit entzieht. "Gefangenhalten" heißt, eine Person daran hindern, einen abgegrenzten Raum (zB auch Wohnung [EvBl 1989/97]) zu verlassen (EBRV 1971, 229).
Das Hindernis, das dem Opfer entgegengesetzt wird, muss dabei ernstlich und gewichtig, wenngleich nicht unüberwindlich sein (Schwaighofer in WK2 § 99 Rz 17 mwN).
Nach den vom Oberlandesgericht auf der Basis durchgeführter Beweiswiederholung getroffenen Feststellun- gen stand es dem Opfer, während es sich (mit dem Angeklagten) in der gemeinsamen Wohnung befand, die der Angeklagte von innen versperrt und von der er sämtliche Schlüssel an sich genommen hatte, jederzeit frei, unter der (bloßen) Erklärung, dem Angeklagten den gewünschten Alkohol zu besorgen, die Wohnung zu verlassen. Unter diesen Umständen kann - unabhängig von der Dauer der Einwirkung des Angeklagten auf das Opfer und vergleichbar etwa mit der bloßen Androhung des Gefangenhaltens - von einem gewichtigen Hindernis, die Wohnung zu verlassen, keine Rede sein, sodass das Oberlandesgericht die Subsumtion des inkriminierten Verhaltens unter den Tatbestand nach § 99 Abs 1 StGB zu Recht abgelehnt hat.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einem auch den Schuldspruch wegen Nötigung betreffenden Rechtsmangel (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) überzeugt. Die Drohung des Angeklagten gegenüber seiner Lebensgefährtin Roswitha G*****, wenn sie sich nach Verlassen des Raumes nicht in einem bestimmten Sinne verhalte, werde sie am Verlassen gehindert, ist nämlich - für sich allein genommen - noch nicht als gefährlich im Sinne des § 74 Z 5 StGB einzustufen, weil nach dem anzulegenden objektiv-individuellen Maßstab die Ankündigung, am Verlassen des Raumes gehindert zu werden, angesichts der gleichzeitig eröffneten Alternative, den Raum verlassen zu dürfen, ohne sonstige Folgen befürchten zu müssen, keine begründete Besorgnis des Tatopfers hervorrufen könnte.
Zur Frage aber, ob auch andere Folgen für ein der Aufforderung, Magenbitter zu holen, nicht entsprechendes Verhalten in Aussicht gestellt wurden (Bedeutungsinhalt der Drohung; vgl Jerabek in WK2 § 74 Rz 34) hat das Oberlandesgericht Feststellungen nicht getroffen (§ 292 erster Satz [§ 290 Abs 1 zweiter Satz] StPO), was eine Neudurchführung des Berufungsverfahrens im Umfange der Aufhebung dieses Schuldspruches und der Strafneubemessung notwendig macht (§ 292 letzter Satz StPO).
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