OGH 14Os65/99

OGH14Os65/9914.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Septeber 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lokay als Schriftführer in der Strafsache gegen Heinz Wolfgang M***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 22. Dezember 1998, GZ 5 Vr 2.684/98-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Staatsanwältin Mag. Schnell, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Harrich zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der in den Schuldsprüchen I und II beschriebenen Taten als Verbrechen des "teils versuchten räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 131 erster Fall StGB" und (zusätzlich) als Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Heinz Wolfgang M***** hat durch die in den Schuldsprüchen I und II beschriebenen Taten das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall und 15 StGB begangen und wird hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB unter Anwendung des § 29 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 (zehn) Monaten verurteilt, wobei gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von 9 (neun) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen wird.

Die Vorhaftanrechnung wird aus dem angefochtenen Urteil übernommen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Heinz Wolfgang M***** des Verbrechens des "teils versuchten räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 131 erster Fall StGB" und des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, wobei gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von sieben Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Darnach hat er in Graz

"I.) bei einem Diebstahl auf frischer Tat betreten Gewalt gegen Personen angewandt, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, und zwar:

1.) am 4. 9. 1998 gegen Siegfried C*****, indem er den Arm des Genannten wegschlug, sich vom Festhaltegriff losriß und weglief, um sich ein Ladegerät im Werte von 700 S zu erhalten, wobei die Tatvollendung scheiterte,

2.) am 17. 10. 1998 gegen Irene P***** durch einen Schlag in das Gesicht, um sich Tiefkühlware, nämlich eine Packung '8 Kräuter' und eine Packung 'Petersilie' sowie zwei Packungen Batterien zu erhalten, und

II.) am 17. 10. 1998 fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Glühlampe und verschiedene Eßwaren in einem S 25.000,- nicht übersteigenden Wert Berechtigten der Firma C***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern."

Die vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO (der Sache nach gegen die Qualifikation nach § 131 erster Fall StGB) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Zu Unrecht macht der Beschwerdeführer eine unvollständige Urteilsbegründung (Z 5) geltend, weil sich die Tatrichter nicht mit seiner Verantwortung auseinandergesetzt haben, es sei ihm bei seiner jeweiligen Betretung anläßlich der Diebstähle nicht möglich gewesen, die unter seiner Kleidung versteckte Diebsbeute herauszugeben. Denn abgesehen davon, daß das Erstgericht die Angaben des Angeklagten, er habe durch das Umfassen seitens des Kaufhausdetektivs Siegfried C***** keine Möglichkeit gehabt, das Ladegerät herauszugeben (Schuldspruch I 1), ohnehin ausdrücklich erörtert und mit logisch und empirisch einwandfreier Argumentation für widerlegt erachtet hat, wird dem Angeklagten in der bekämpften Diebstahlsqualifikation (§ 131 erster Fall StGB) nicht die (anläßlich seiner Betretung bei den Diebstählen) unterbliebene Herausgabe der Beute, sondern die (auch) von der - im übrigen ebenfalls im Einklang mit den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung begründeten - Absicht, sich dadurch im Besitz der Beute zu erhalten, getragene Gewaltanwendung zur Last gelegt, welche zu unterlassen vom Angeklagten nicht als unmöglich bezeichnet wird. Angesichts des gesetzlichen Gebots zur gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) ist aber eine vollständige Darstellung sämtlicher Angaben aus der Einlassung des Angeklagten nicht erforderlich.

In der Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich der Beschwerdeführer zunächst nicht an der Feststellung, daß es dem Angeklagten bei der Gewaltanwendung (auch) darauf ankam, sich den Besitz an den weggenommenen Sachen zu erhalten. Stattdessen versucht er, seiner Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen, er habe bloß vermeiden wollen, daß seine Person festgestellt und gegen ihn Anzeige erstattet werde, und verfehlt solcherart die prozeßordnungsgemäße Rechtsmittelausführung.

Auch das weitere speziell gegen den Schuldspruch I 1 erhobene Vorbringen erweist sich als nicht prozeßordnungsgemäß, weil der Beschwerdeführer von der Konstatierung abweicht, daß er "in der Absicht, nicht nur zu flüchten, sondern sich auch das Ladegerät zu erhalten, gegen den Kaufhausdetektiv insoferne Gewalt" anwendete, "als er durch Wegschlagen des Armes sich vom Festhaltegriff des Detektivs kurzzeitig losriß und in Richtung des Geschäfts- ausganges davonlief" (US 5).

Die demnach teils unbegründete, teils nicht an den prozessualen Vorschriften ausgerichtete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zur Gänze zu verwerfen.

Aus ihrem Anlaß war jedoch nach § 290 Abs 1 StPO vorzugehen, weil der Ausspruch des Erstgerichts über die rechtliche Unterstellung der in den Schuldsprüchen I und II bezeichneten Taten durch deren getrennte Beurteilung als Verbrechen des teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) gebliebenen räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB und (zusätzlich) als Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB verfehlt ist.

Gemäß § 260 Abs 1 Z 2 StPO hat ein verurteilendes Erkenntnis zwingend auszusprechen, "ob die strafbare Handlung ein Verbrechen oder ein Vergehen ist". Die Beantwortung dieser Frage aber hängt bei vorsätzlichen Handlungen vom Strafrahmen ab (§ 17 StGB), der wiederum bei wert- oder schadensqualifizierten Delikten nach Maßgabe des § 29 StGB zu bilden ist. Ergibt erst die Zusammenrechnung der Wert- oder Schadensbeträge mehrerer gleichartiger Taten eine mehr als dreijährige Freiheitsstrafdrohung, so bilden diese Taten folgerichtig insgesamt ein einziges Verbrechen iS des § 260 Abs 1 Z 2 StPO. Daraus erhellt, daß der Begriff der "strafbaren Handlung" in § 260 Abs 1 Z 2 StPO bei wert- oder schadensqualifizierten Delikten, anders als dort, wo der Strafrahmen (nur) nach § 28 StGB zu bilden ist, zufolge der speziellen Bestimmung des § 29 StGB eine nach Maßgabe des Zusammenrechnungsgrundsatzes entstan- dene Subsumtionseinheit sui generis meint, die aus der höchsten Wert- oder Schadensqualifikation und weiteren, in echter Konkurrenz dazu stehenden Begehungsformen und unselbständigen Abwandlungen des Grunddeliktes besteht.

Zufolge § 29 StGB werden also, wie es die ständige Rechtsprechung auszudrücken pflegt, alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten Diebstähle, mögen sie auch weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen und jeder für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung zu einer Einheit zusammengefaßt; die getrennte Annahme eines Vergehens des Diebstahls neben einem Verbrechen des Diebstahls ist daher unzulässig. Unterschiede hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation einzelner Diebstähle sind nicht zu treffen. § 29 StGB ist also keine Qualifikationsnorm, sondern eine allgemeine Straf- vorschrift, die bei gleichartiger Realkonkurrenz im Fall wert- oder schadensqualifizierter Delikte § 28 Abs 1 StGB vorgeht. Die Zusammenrechnung betrifft nicht die Schuldsprüche, bestimmt vielmehr nur den Strafrahmen und die urteilsmäßige Bezeichnung der "strafbaren Handlung". Die einzelnen Straftaten bleiben rechtlich selbständig, und Strafbarkeitsvoraussetzungen oder Rechtskraftwirkung sind für jede gesondert zu prüfen. Die unter dem Schlagwort "Einheitstheorie" gegen "Mehrheitstheorie" vorgetragene Kritik von Wegscheider (ÖJZ 1980, 626) und Hockl (JBl 1996, 560) läßt außer Acht, daß der Oberste Gerichtshof den in § 260 Abs 1 Z 2 StPO im Singular gebrauchten prozessualen Begriff "strafbare Handlung" im Sinn der Vorstellung des historischen Gesetzgebers, der sich ausdrücklich auf die zum StG ergangene Rechtsprechung berufen hat (JBl 1998, 396 = RZ 1997/83), bei wert- und schadensqualifizierten Delikten nicht mit dem des § 28 StGB gleichsetzt. Die "strafbare Handlung" des § 260 Abs 1 Z 2 StPO steht demnach nicht im kontradiktorischen Gegensatz zu den mehreren strafbaren Handlungen des § 28 Abs 1 StGB (Ratz in WK2 § 29 Rz 5 ff).

Das neben dem Erschwerungsgrund mehrfacher Begehung des Diebstahls zusätzlich aggraviend in Rechnung gestellte Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen stellt überdies den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO her (RZ 1997/83).

Bei der erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB waren die überwiegend geständige und auch sonst wesentlich zur Wahrheitsfindung beitragende Verantwortung des Angeklagten, die Sicherstellung des Diebsgutes und der Umstand als mildernd in Rechnung zu stellen, daß die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind. Dem stehen die Wiederholung des Diebstahls, die einschlägigen Vorstrafen, die (leichte) Ver- letzung der Irene P***** und der relativ rasche Rückfall nach dem letzten Strafvollzug als erschwerend gegenüber.

Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe erachtete der Oberste Gerichtshof eine zehnmonatige Freiheitsstrafe für schuldangemessen, von der unter dem Blickwinkel spezial- und generalpräventiver Aspekte dem Angeklagten, der bisher das Übel einer Freiheitsstrafe noch nicht verspürt hat, gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von neun Monaten mit einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen werden konnte.

Die Anrechnung der Vorhaft am 17. Oktober 1998 von 9.05 Uhr bis 14.30 Uhr, und vom 3. Dezember 1998, 15.45 Uhr bis 4. Dezember 1998, 13.45 Uhr gemäß § 38 StGB war aus dem angefochtenen Urteil zu übernehmen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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