OGH 14Os65/91 (14Os66/91)

OGH14Os65/91 (14Os66/91)23.7.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juli 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof.Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Frohner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert W***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über 1.) die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft und 2.) die Beschwerde des Angeklagten gegen (zu 1.) das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 18. April 1991, GZ 11 e Vr 204/91-17, und (zu 2.) den (Widerrufs-)Beschluß dieses Gerichtes vom selben Tag, Seite 100 iVm ON 17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten und der Verteidigerin Dr. Leeb-Bernhard zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 1 (ein) Jahr herabgesetzt.

Gemäß § 43 a Abs. 3 StGB wird ein Teil der Strafe, nämlich 8 (acht) Monate, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert W***** (I.) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und (II.) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Windischbaumgarten

(zu I.) von Juli 1989 bis 12. März 1991 Anna W***** (seine damalige Ehefrau) in zahlreichen Angriffen, seit Jänner 1991 in etwa zwei bis drei Angriffen wöchentlich, außer dem Fall des § 201 Abs. 1 StGB durch Schläge und durch Festhalten, wodurch die Angegriffene in den meisten Fällen Blutergüsse, zuletzt durch die Tat vom 12. März 1991 etwa 15 Blutergüsse an beiden Beinen, erlitt, sohin mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes, teilweise auch zur Vornahme eines Mundverkehrs und zur Duldung eines Analverkehrs, sohin zu dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen, so auch am 12. März 1991, vorerst zur Vornahme eines Mundverkehrs und anschließend zur Duldung des Beischlafes, genötigt und

(zu II.) am 13. März 1991 die am 28.Oktober 1987 geborene Angelika W***** (seine Tochter) durch einen Schlag in das Gesicht, wodurch die Genannte eine Hautabschürfung an der linken Nasenwurzel und eine Schwellung der rechten Wange erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Nur den Schuldspruch wegen des bezeichneten Verbrechens bekämpft der Angeklagte mit einer (nominell) auf die Z 4, 5 a, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Den Verfahrensmangel (Z 4) erblickt er in der Abweisung seines zunächst schriftlich gestellten (ON 15) und in der Hauptverhandlung aufrechterhaltenen (S 98) Antrages "auf Beiziehung eines Sachverständigen" (aus dem Fachgebiete der Sexualpsychologie); dies indes zu Unrecht: Anläßlich der (allein maßgeblichen) Antragstellung in der Hauptverhandlung wurde nämlich seitens der Verteidigung überhaupt kein - zur Überprüfung eines Beweisantrages auf seine Berechtigung jedenfalls erforderliches - Beweisthema angegeben (S 98). Selbst wenn man davon ausgehen würde, daß der mit Schriftsatz vom 3. April 1991 gestellte Antrag (ON 15) auf Beiziehung eines Sachverständigen nicht bloß (formal) aufrechterhalten, sondern in extenso wiederholt worden ist, wäre für den Angeklagten nichts gewonnen, weil auch schon dieser Antrag kein genügend konkretisiertes Beweisthema enthält. Der Antrag auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Sexualpsychologie wurde nämlich dort zum Beweis dafür begehrt, daß der Angeklagte seine Ehefrau "zu geschlechtlichen Handlungen weder durch Gewalt, noch durch Drohungen oder sonst genötigt oder gezwungen habe" (S 74). Damit wird aber lediglich global und unsubstantiiert der bezügliche Anklagevorwurf bestritten, ohne daß näher dargelegt würde, welcher konkrete (objektive oder subjektive) Tatumstand durch das begehrte Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt werden soll. Daran vermag die eingehende Begründung des abweisenden Zwischenerkenntnisses ebensowenig zu ändern wie die erst im Rechtsmittelverfahren hiezu vorgebrachten Gründe tatsächlicher Art. Bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags ist nämlich stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrags und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen. Erst im Rechtsmittelverfahren vorgebrachte Gründe tatsächlicher Art können keine Berücksichtigung finden (SSt. 41/71 u.a.). Der behauptete Verfahrensmangel liegt demnach nicht vor.

Als nicht zielführend erweist sich aber auch die Tatsachenrüge (Z 5 a), die - wenngleich unter weitwendiger Kritik an der vom Schöffengericht angestellten Beweiswürdigung - nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile der Kollegialgerichte nach wie vor nicht vorgesehenen Schuldberufung (unter Verwendung der verba legalia - Z 5 a) bloß behauptet, daß sich gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht festgestellten entscheidenden Tatsachen erhebliche Bedenken ergeben, ohne jedoch (geschweige denn deutlich und bestimmt) darzutun, gegen welche entscheidenden Urteilsannahmen derartige Bedenken bestehen sollten. Die Beschwerde läßt demnach auch insoweit die erforderliche Substantiierung vermissen.

Die nominell auf Z 9 lit. a (sachlich jedoch lit. b) gestützte Rechtsrüge macht einen Feststellungsmangel geltend, "weil das Erstgericht keine Feststellungen dahingehend getroffen hat, ob der Angeklagte etwa irrtümlich annahm, ein unbedingtes und von ihm selbst durchsetzbares Recht auf das geschlechtliche Zusammensein mit seiner Ehegattin zu haben, zumal Vergewaltigung in der Ehe ..... erst seit 1. Juli 1989 als solche strafbar ist". Ein Nichtigkeit bewirkender Feststellungsmangel liegt indes nur dann vor, wenn Verfahrensergebnisse auf einen rechtlich relevanten Umstand hinweisen, das Gericht dessen ungeachtet aber hiezu keine Feststellung trifft. Auf einen derartigen im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde erstmals behaupteten Rechtsirrttum hat sich der Angeklagte jedoch in keiner Phase des Verfahrens berufen, weshalb das Schöffengericht auch nicht gehalten war, zu der demnach rein hypothetischen Frage eines derartigen Schuldausschließungsgrundes eigens Feststellungen zu treffen. Die solcherart behauptete materiellrechtliche Nichtigkeit liegt darum gleichfalls nicht vor.

Schließlich versagt auch die Subsumtionsrüge (Z 10), die unter Bezugnahme auf den oben behaupteten Feststellungsmangel eine Unterstellung der Tat unter die Bestimmungen der §§ 83, 105 StGB anstrebt, weil von einem solchen, die rechtsrichtige Subsumtion hindernden Umstand nach dem Vorgesagten keine Rede sein kann. Abgesehen davon wäre ein bloßer Subsumtionsirrtum des Täters grundsätzlich unbeachtlich (Leukauf-Steininger Komm2 § 9 RN 23).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 201 Abs. 2 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 20. März 1991, AZ 12 b E Vr 98/91 (ON 7) - mit dem wegen des am 8. Jänner 1991 (gegenüber seiner damaligen Ehefrau Anna W*****) begangenen Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB und des (an seiner Tochter Angelika begangenen) Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB eine unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von drei Monaten über ihn verhängt worden war - zu 14 Monaten Zusatzfreiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen, die mehrmalige Wiederholung des Verbrechens während eines längeren Zeitraumes, die teilweise brutale Vorgangsweise gegenüber seiner Ehefrau ("Verletzungen, Erbrechen") und den Umstand, daß er sein dreijähriges Kind mehrmals geschlagen hat, als erschwerend, hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und das teilweise reumütige Geständnis als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren bedingte bzw. teilbedingte Nachsicht an, wogegen die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung der Strafe begehrt.

Lediglich der Berufung des Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft ist zwar einzuräumen, daß der Umstand, daß der Angeklagte einen Teil der urteilsgegenständlichen Tathandlungen während eines gegen ihn beim Kreisgericht Korneuburg bereits anhängigen Strafverfahrens (zum AZ 12 b E Vr 98/91) und auch während der Schwangerschaft seiner Ehefrau fortgesetzt hat, als (weiterer) Erschwerungsumstand heranzuziehen gewesen wäre. Andererseits kann jedoch entgegen der Meinung des Schöffengerichtes in den vom Angeklagten gesetzten Begehungshandlungen der Vergewaltigung eine (besonders) brutale Vorgangsweise noch nicht erblickt werden. Es kann aber der Meinung des Angeklagten zuwider auch von einer Tatbegehung nur aus Unbesonnenheit oder durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet ebensowenig die Rede sein wie vom Vorliegen eines "Irrtums über die Rechtswidrigkeit der Tat".

Dennoch vermeinte der Oberste Gerichtshof, daß ausgehend von den solcherart richtiggestellten Strafzumessungsgründen - wobei noch zu berücksichtigen war, daß die Ehe zwischen dem Angeklagten und Anna W***** mittlerweile geschieden wurde - bei gemeinsamer Aburteilung der den beiden Urteilen zugrunde liegenden Straftaten eine Freiheitsstrafe in der Gesamtdauer von nicht mehr als 15 Monaten der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) Rechnung getragen hätte. Dementsprechend war die im vorliegenden Verfahren über ihn verhängte Zusatz-Freiheitsstrafe unter Bedacht auf die bereits rechtskräftig ausgesprochene Freiheitsstrafe (von drei Monaten) in Stattgebung seiner Berufung auf ein Jahr herabzusetzen (§ 40 StGB).

Berechtigt ist die Berufung des Angeklagten aber auch, soweit sie die bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe begehrt. Wenngleich angesichts der Begehung mehrerer strafbarer Handlungen und deren Wiederholung während eines längeren Zeitraumes einer bedingten Nachsicht der gesamten Strafe vor allem aus Gründen der Spezialprävention nicht näher getreten werden konnte, so bedarf es doch im vorliegenden Fall des sofortigen Vollzuges lediglich eines Teiles der Freiheitsstrafe, um den Berufungswerber von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Demzufolge war die verhängte Zusatz-Freiheitstrafe im Teilausmaß von acht Monaten bedingt nachzusehen. Daß jedes der gemäß § 31 StGB zusammenhängenden Erkenntnisse als solches und damit - auch bei Verhängung einer "Zusatzstrafe" - jeder Strafausspruch gesondert zu behandeln ist, für den nur in Ansehung der Strafhöhe die besonderen Vorschriften der §§ 31, 40 StGB gelten (vgl. EvBl. 1989/86, 1986/183; Leukauf-Steininger2 § 31 RN 2) sei in diesem Zusammenhang noch der Vollständigkeit halber bemerkt.

Der Widerruf der dem Angeklagten im - oben

bezeichneten - Verfahren zum AZ 12 b E Vr 98/91 des Kreisgerichtes Korneuburg gewährten bedingten Strafnachsicht hingegen war, wie das Schöffengericht zutreffend erkannt hat, erforderlich, weil die bedingte Nachsicht (gemäß § 43 Abs. 1 StGB) bei gemeinsamer Aburteilung nicht gewährt worden wäre (§ 55 Abs. 1 StGB). Seiner Beschwerde gegen den Widerruf mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

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