OGH 14Os63/03

OGH14Os63/0324.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Allmayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mark Philippe E***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 27. Februar 2003, GZ 423 Hv 1/03d-47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Lässig, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Bernhauser zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mark Philippe E***** auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 17. August 2002 in Wien dem Stefan B***** dadurch, dass er ein Küchenmesser gegen ihn richtete und ihn aufforderte, die "großen Scheine" herzugeben, mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) und unter Verwendung einer Waffe, fremde bewegliche Sachen, nämlich 838,93 EUR, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt hatte.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil aus § 345 Abs 1 Z 5, 6 und 10a StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung (S 393 f) des Antrags auf Vernehmung des BI Sch***** als Zeugen zum Beweis dafür, dass Stefan B***** bei seiner polizeilichen Vernehmung das Haupthaar des Täters als dunkelbraun und kurz beschrieben hat (S 393), Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt. Denn es fehlt dem Beweisantrag schon an den formellen Voraussetzungen, nämlich an der für seine Eignung als Beurteilungsgrundlage notwendigen Darstellung, inwiefern das angeführte Beweisthema angesichts der Aussagen des Zeugen B***** in der Hauptverhandlung (S 339 ff) der beantragten zusätzlichen Beweisaufnahme bedurft haben sollte (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 327 f).

Zu Unrecht vermisst der Beschwerdeführer in der Fragenrüge (Z 6) auf Grund seiner Verantwortung, er sei oft "auf Drogen" gewesen und habe nicht gewusst, was er vor zwei Monaten gemacht habe und wo er gewesen sei (S 301), er habe in der Nacht zum Tag der Tat drei bis vier Schlaftabletten, Alkohol sowie Heroin konsumiert (S 317), die Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach Zurechnungsunfähigkeit iSd § 11 StGB. Denn er vermochte in der am 27. Februar 2003 durchgeführten Hauptverhandlung (ON 43) exakt anzugeben, dass der 17. August 2002 (Tattag) ein Samstag war (S 289), er sich am Vortag bei seiner Schwester aufgehalten hatte (S 291), zwischen 2.00 und 3.00 Uhr morgens zu Bett gegangen war (S 289, 317) und die Nacht bei seiner Freundin verbracht hatte (S 289). Seinen Zustand vor dem Einschlafen bezeichnete er als müde (S 319), jenen nach dem Erwachen als normal (S 291). Zudem lassen die Angaben des Angeklagten über seinen Suchtmittel- und Alkoholkonsum vor Tatbegehung - selbst unter hypothetischer Loslösung von der lückenlosen zeitlichen und örtlichen Orientiertheit - nicht auf seine zur Tatzeit gegebene Zurechnungsunfähigkeit schließen. Er ist nämlich eigenen Angaben zufolge seit seinem 13. Lebensjahr suchtmittelabhängig (S 281) und hat seit Dezember 2001 bis zur Verhaftung täglich 6 Schlaftabletten, eine nicht näher konkretisierte Menge an Heroin, Kokain und Alkohol zu sich genommen (S 281 f), was notorischerweise einen entsprechenden Gewöhnungseffekt bewirkt. Dieser manifestierte sich in concreto auch im klaren Erinnerungsvermögen des Beschwerdeführers betreffend seinen Suchtmittelkonsum (S 281 f), dessen Finanzierung (S 283, 313), sein soziales Umfeld (S 285 bis 289) und seinen Tagesablauf (S 313 f). Vor diesem Hintergrund stellen die in der Nichtigkeitsbeschwerde isoliert aus der Verantwortung des Angeklagten herausgegriffenen Angaben nicht einmal ein Indiz für den völligen Ausschluss seiner Diskretions- und/oder Dispositionsfähigkeit zur Tatzeit dergestalt dar, dass er auf Grund einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung unfähig gewesen wäre, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 11 StGB); sie wären in einem schöffengerichtlichen Verfahren aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht erörterungsbedürftig gewesen (vgl Ratz WK-StPO § 345 Rz 42). Die Tatsachenrüge (Z 10a) stellt dem Wahrspruch der Geschworenen nur die theoretische Überlegung entgegen, ein anderer Drogenabhängiger könnte möglicherweise dem Angeklagten das Halstuch und die Sonnenbrille gestohlen haben. Diese Gegenstände wurden nach der Meldung des Wachzimmers Taubstummengasse vom 19. August 2002 (S 29 f) gemeinsam mit der Tatwaffe in der Nähe des Tatorts sichergestellt. Nach dem gerichtsmedizinischen Gutachten vom 2. Dezember 2002 (ON 27) wiesen sie - ausschließlich - DNA-Spuren auf, die mit jenen des Angeklagten übereinstimmen. Hinzu kommt, dass Stefan B***** die Sonnenbrille als jene erkannte, die der Täter getragen hatte (S 337 iVm 243). Bei dieser Sachlage sind die rein spekulativen Überlegungen nicht geeignet, aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Warum die Tatwaffe nicht aus der Wohnung stammen soll, in welcher der Angeklagte die Nacht zum 17. August 2002 zugebracht hatte, vermag die Beschwerde nicht darzulegen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Dabei wertete es als erschwerend das "einschlägig getrübte Vorleben" des Angeklagten; als mildernd berücksichtigte es keinen Umstand.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes an.

Der Berufung zuwider hat das Geschworenengericht die Strafzumessungsgründe nicht nur im Wesentlichen richtig und vollständig festgestellt, sondern sie auch entsprechend gewichtet und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) über den Angeklagten eine Sanktion verhängt, die sowohl der bedeutenden personalen Täterschuld als auch dem Unrechtsgehalt der Tat gebührend Rechnung trägt. Die mit dem pauschalen Hinweis übermäßigen Alkohol- und Suchtgiftgenusses reklamierten Milderungsumstände nach § 34 Z 1 und Z 11 StGB liegen nicht vor. Ihnen widerspricht auch § 35 StGB.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher - ungeachtet dessen, dass der mit Haftbefehl gesuchte Angeklagte am 4. November 2002 bei den Sicherheitsbehörden erschienen ist (S 51, 91) - zu einer Herabsetzung der siebenjährigen Freiheitsstrafe nicht bestimmt, weshalb auch der Berufung kein Erfolg beschieden sein konnte.

Die Kostenentscheidung ist in §§ 390a, 344 StPO begründet.

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