OGH 14Os61/97

OGH14Os61/973.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juni 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. E.Adamovic, Dr. Schmucker und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Marte als Schriftführerin, in der Medienrechtssache des Antragstellers Otto Sch***** gegen die Antragsgegnerin N***** Verlagsgesellschaft mbH & Co KG wegen §§ 6 ff, 33 Abs 2 und 34 Abs 3 MedienG, AZ 31 E Vr 680/95 des Landesgerichtes St.Pölten, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 10. März 1997, AZ 18 Bs 410/96, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, und des Vertreters der Antragsgegnerin, Dr. Korn, jedoch in Abwesenheit des Antragstellers und dessen Vertreters zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 10. März 1997, AZ 18 Bs 410/96, verletzt im Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens das Gesetz in der Bestimmung des § 390 a Abs 1 zweiter Satz StPO.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird dieses Urteil zur Gänze aufgehoben und dem Oberlandesgericht Wien die Erneuerung des Rechtsmittelverfahrens aufgetragen.

Der Generalprokurator wird mit seinem Antrag auf Abänderung des Kostenausspruchs auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

In der oben bezeichneten Medienrechtssache wurde mit dem Urteil vom 21. Juni 1996 (ON 18) der Antragsgegnerin eine an den Antragsteller zu leistende Entschädigung für die erlittene Kränkung im Betrage von 60.000 S auferlegt sowie auf Einziehung und Urteilsveröffentlichung erkannt. Nach dem Inhalt des Urteilsspruchs wurde durch die bildliche und textliche Gestaltung eines Artikels unter dem Titel "Kottan, schau oba" mit Bezug auf die Bombenattentate in der Zeitschrift N***** Nr 25 vom 22. Juni 1995 auf Seite 8 ff, in welchem der Antragsteller auf Seite 14 im Zusammenhang mit einer Textstelle unter der Teilüberschrift "Der Täter: Kommt aus Kärnten, hat Kontakt zu Radl" mit dem Begleittext "Der Lehrer Otto S. hat sich intensiv für Radl eingesetzt" abgebildet und dadurch eines unehrenhaften und gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt wurde, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen und herabzusetzen, in einem Medium der objektive Tatbestand des Vergehens der üblen Nachrede hergestellt.

Gegen diese Entscheidung erhoben sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe. Das Oberlandesgericht Wien gab mit Urteil vom 10. März 1997, AZ 18 Bs 410/96, den Berufungen nicht Folge und sprach aus, daß der Antragsgegnerin gemäß § 390 a StPO auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last fallen.

Rechtliche Beurteilung

Diese Kostenentscheidung verletzt - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - das Gesetz in der (nach §§ 8 a Abs 1, 41 Abs 1 MedienG anzuwendenden) Bestimmung des § 390 a Abs 1 StPO.

Darnach fallen den nach den §§ 389 und 390 StPO zum Kostenersatze Verpflichteten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last, sofern sie nicht durch ein ganz erfolglos gebliebenes Rechtsmittel des Gegners verursacht worden sind. Ist ein solches Rechtsmittel vom Privatankläger oder vom Privatbeteiligten ergriffen worden, so ist ihm der Ersatz der dadurch verursachten Kosten unabhängig vom Ausgange des Verfahrens aufzuerlegen.

Diese Bestimmung wurde durch das am 1. Oktober 1925 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 8. Juli 1925, BGBl Nr 233, betreffend die Kosten des Strafverfahrens in die Strafprozeßordnung eingefügt. Im Bericht des Justizausschusses wurde zur Begründung der neuen Vorschrift u.a. folgendes bemerkt:

"Einer besonderen Bestimung bedarf es ... für den Fall, daß ein Rechtsmittel erfolglos bleibt, das vom Gegner der nach dem endgültigen Ergebnis des Strafverfahrens zum Kostenersatz verpflichteten Partei ergriffen worden ist. Die Kosten solcher erfolgloser Rechtsmittel sollen den Rechtsmittelwerber unabhängig vom Ausgang des Verfahrens treffen. Denn es wäre unbillig, dem Verurteilten auch die Kosten aufzuerlegen, die dadurch verursacht worden sind, daß der Ankläger gegen das verurteilende Erkenntnis ein Rechtsmittel ohne Erfolg ergriffen hat, um etwa zu bewirken, daß die Tat einem strengeren Strafgesetz unterstellt oder die Strafe erhöht werde, oder ... den Verurteilten auch mit den Kosten zu belasten, die durch eine erfolglose Berufung des Privatbeteiligten gegen die Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche herbeigeführt worden sind. In solchen Fällen soll der Verurteilte nicht nur vom Ersatz der durch das erfolglose Rechtsmittel des Gegners verursachten Kosten befreit, sondern es soll, wenn das erfolglose Rechtsmittel vom Privatankläger oder Privatbeteiligten ergriffen worden ist, diesem der Ersatz der damit verbundenen Kosten auferlegt werden .... Diese Grundsätze sollen nun durch die neue Vorschrift des § 390 a StPO in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zum Ausdruck gebracht werden. Danach entscheidet grundsätzlich das endgültige Ergebnis des Strafverfahrens über die Frage, wer die Kosten des Verfahrens einschließlich des Rechtsmittelverfahrens zu tragen oder zu ersetzen hat. Eine Ausnahme soll nur für die Kosten gelten, die durch ein erfolglos gebliebenes Rechtsmittel des Gegners der nach dem Ergebnis des Verfahrens zum Kostenersatz verpflichteten Partei verursacht worden sind. Für diese Kosten soll die zum Kostenersatz verpflichtete Partei nicht haften. Ist der Gegner, der das erfolglose Rechtsmittel ergriffen hat, der Privatankläger oder der Privatbeteiligte, so soll ihn die Pflicht zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, also auch dann treffen, wenn der Beschuldigte verurteilt bleibt." (338 BlgNR 2.GP, abgedruckt im Amtsblatt der österreichischen Justizverwaltung 1925, 91 f).

Nach diesem Motivenbericht, insbesondere den darin zum Ausdruck gebrachten Billigkeitserwägungen, denen nach heutigem Verständnis sogar erhöhte Bedeutung zukommt (vgl § 393 a StPO), ist § 390 a Abs 1 StPO dahin zu verstehen, daß der Verurteilte die Kosten des Verfahrens über ein gänzlich erfolgloses Rechtsmittel seines Gegners, sei es der Staatsanwalt, der Privatankläger oder der Privatbeteiligte, niemals zu ersetzen hat (1. Satz), und daß darüber hinaus, wenn ein solches gänzlich erfolgloses Rechtsmittel vom Privatankläger oder vom Privatbeteiligten ergriffen worden ist, dieser - unbeschadet der den Verurteilten im übrigen treffenden Kostenersatzpflicht - die Kosten des Verfahrens über sein erfolgloses Rechtsmittel zu ersetzen hat (2. Satz); dies alles unabhängig davon, ob der Verurteilte selbst auch ein Rechtsmittel eingelegt hat, für welchen Verfahrensaufwand er nach dem ersten Halbsatz des § 390 a Abs 1 StPO zu haften hat (vgl dazu Roeder, Lehrbuch des österreichischen Strafverfahrensrechtes2, 339; Bertel, Strafprozeßrecht5 Rz 1074).

Somit wären vorliegendenfalls dem Antragsteller (dem zur Anklage Berechtigten iS §§ 33 Abs 2, 34 Abs 3 MedienG) die durch seine gänzlich erfolglose Berufung verursachten Kosten, die übrigen Kosten des Rechtsmittelverfahrens aber der Antragsgegnerin zur Last zu legen gewesen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war diese Gesetzwidrigkeit festzustellen. Die vom Generalprokurator beantragte Korrektur des die Antragsgegnerin belastenden verfehlten Kostenausspruchs (§ 292 letzter Satz StPO) war jedoch nicht erforderlich, weil aus einem anderen Grund das gesamte Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben war.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 290 Abs 1 StPO; Mayerhofer, StPO4 E 20 zu § 290) hat sich der Oberste Gerichtshof nämlich davon überzeugt, daß das Oberlandesgericht Wien das Gesetz zum Nachteil der Antragsgegnerin auch noch in einem anderen Punkte unrichtig angewendet hat, indem es im Rechtsmittelverfahren die Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) der Antragsgegnerin ersichtlich deshalb nicht erschöpfend erörterte, weil es in der Unterscheidung von Täterschaft und Tatverdacht mit Bezug auf die in Beschwerde gezogenen erstrichterlichen Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Veröffentlichung keine für die Subsumtion entscheidende Tatsache erblickte. Es nahm rechtsirrig an, daß der Vorwurf gar nicht in der Täterschaft bestehen müsse, um ehrenrührig zu sein, ging es doch - ohne eigene Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Veröffentlichung zu treffen (§ 8 a Abs 1 MedienG, §§ 489 Abs 1, 473 Abs 2 StPO) - ausdrücklich davon aus, daß dieser in der Äußerung eines (bloßen) Tatverdachtes, nicht aber in der (wenngleich bloß impliziten) Bezichtigung einer Täterschaft an Bombenattentaten bestehe (US 10 f, 14).

Einer (Straf-)Tat verdächtig zu sein, stellt aber für sich allein weder eine verächtliche Eigenschaft oder Gesinnung, noch ein unehrenhaftes oder gegen die guten Sitten verstoßendes Verhalten, eine Behauptung dieses Inhalts mithin auch keine üble Nachrede im Sinne des § 111 Abs 1 StGB dar.

Nur auf die tatsächliche Feststellung (vgl SSt 37/39), daß in der Äußerung des Tatverdachtes (etwa auch als "unschuldige" Frage oder "bewußt vorsichtige" Formulierung; vgl Kienapfel BT I3 § 111 Rz 17) auf pragmatischer Bedeutungsebene, gleichsam zwischen den Zeilen, der Vorwurf der Tatbegehung selbst oder ein anderer ehrenrühriger Vorwurf dem Medienkonsumenten vermittelt werde, kann eine Entschädigung wegen der Herstellung des objektiven Tatbestandes der üblen Nachrede nach § 6 Abs 1 MedienG gegründet werden.

Wegen des aufgezeigten Rechtsirrtums, der im Ergebnis zur Nichtbeachtung eines materiellrechtlichen Feststellungsmangels (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) im Berufungsverfahren geführt hat, war die Rechtsmittelentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien zu kassieren und ihm aufzutragen, im Rahmen der Rechtsmittelanträge die Feststellungen des Erstgerichtes zum Bedeutungsinhalt der Veröffentlichung im Lichte dieser Ausführungen zu überprüfen und sodann erneut zu entscheiden (§§ 290 Abs 1, 288 Abs 2 Z 3 StPO).

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