OGH 14Os61/93

OGH14Os61/9329.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Juni 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kobinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ludwig G* und einen anderen wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Ludwig G* und Friederike G* gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 22.Feber 1993, GZ 36 Vr 2934/88‑101, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0140OS00061.9300000.0629.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

 

 

Gründe:

 

Mit dem bekämpften Urteil wurden Ludwig G* des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs. 1, 161 StGB (Punkt I des Urteilssatzes) sowie des Vergehens der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs. 1 Z 1161 StGB (Punkt III) und (seine Ehefrau) Friederike G* des Verbrechens der betrügerischen Krida als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 156 Abs. 1 StGB (Punkt II) schuldig erkannt.

Darnach haben in Hall in Tirol bzw. Aldrans

(zu I) Ludwig G* als Geschäftsführer der Wurst‑ und Spezialitäten G* GesmbH * Bestandteile des Vermögens der genannten Gesellschaft beiseite geschafft und das Vermögen der Gesellschaft wirklich verringert und dadurch die Befriedigung der Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, wobei der durch die Tat entstandene, 25.000 S ‑ nicht jedoch 500.000 S ‑ übersteigende Schaden zumindest 321.447,23 S beträgt, indem er

1. im Jahr 1986 Waren der Firma G* im Wert von rund 550.000 S und

2. im März/April 1986 dadurch, daß er die Rechnungstellung und das Inkasso für von der G* im März und April 1986 ausgelieferte Waren im Gesamtwert von 1,566.359,88 S der I* Handelsgesellschaft mbH übertrug;

II) Friederike G* zu der oben unter Punkt I/2 angeführten Tathandlung des Ludwig G* dadurch beigetragen, daß sie als Geschäftsführerin der I* Handelsgesellschaft mbH in Kenntnis der Tatsache, daß die angeführten Warenlieferungen von der G* durchgeführt worden waren, die Waren (namens der I*) in Rechnung stellte, Lieferscheine manipulierte und das Inkasso vornahm;

(zu III) Ludwig G* als Geschäftsführer der Wurst‑ und Spezialitäten G* GesmbH *, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, in der Zeit vom 20.Mai 1981 bis Ende April 1984 fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit dieser Gesellschaft insbesondere dadurch herbeigeführt, daß er ein gewagtes Geschäft, nämlich das "Exportgeschäft nach Ghana" abschloß, unverhältnismäßig Bar‑ und Warenkredit benützte, für keine ausreichende Organisation sorgte, die Gesellschaft nicht mit ausreichendem Eigenkapital ausstattete und Vermögen verschleuderte, indem er persönlich von der Gesellschaft ein Darlehen zum Erwerb einer Liegenschaft entgegennahm und die Gesellschaft mit den Zinsen für dieses Darlehen belastete.

 

Rechtliche Beurteilung

Den gegen dieses Urteil erhobenen, (nominell) von Ludwig G* auf die Z 5 a und von Friederike G* auf die Z 5, 5 a und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen ging die am 20.Mai 1981 gegründete Firma G*, an der Ludwig G* - als geschäftsführender Gesellschafter ‑ zu 51 % und seine Ehefrau Friederike G* mit 49 % beteiligt waren, aus der "Autospenglerei und Lackiererei G* GesmbH" hervor; Gegenstand des Unternehmens war hauptsächlich der Groß‑ und Einzelhandel mit italienischen Wurstwaren und Fleischspezialitäten. Der Erstangeklagte führte die Zahlungsunfähigkeit der G* Ende des Jahres 1983 fahrlässig dadurch herbei, daß er in Ghana ein "Exportgeschäft" zu errichten begann, mit dessen Aufbau (der damalige Angestellte der G*) Reinhard G* betraut war; die einzelnen Lieferungen nach Ghana wurden in dieser Phase so verbucht, als bestünde bereits die geplante "Europäisch‑afrikanische WarenhandelsGesmbH E*", deren Gründung jedoch vom Landesgericht Innsbruck als Handelsgericht nicht zugestimmt wurde. Weitere Ursachen für die Zahlungsunfähigkeit erblickte das Schöffengericht darin, daß er unverhältnismäßig Bar‑ und Warenkredit benützte und die Gesellschaft nicht ausreichend mit Eigenkapital ausstattete sowie Vermögen verschleuderte, indem er persönlich von der Gesellschaft ein Darlehen zum Erwerb einer Liegenschaft im eigenen Namen entgegennahm und die Gesellschaft mit den Zinsen für dieses Darlehen belastete. Die solcherart fahrlässig herbeigeführte Zahlungsunfähigkeit der G* war für den Erstangeklagten spätestens Ende April 1984 auch subjektiv erkennbar, weil er zu diesem Zeitpunkt gegen den mit dem Ghana‑Geschäft beauftragten Reinhard G* Anzeige wegen Betruges erstattete (US 8, 14).

Nach dem Scheitern des Afrikageschäftes stellte Reinhard G* - aus Ghana nach Österreich zurückgekehrt ‑ im Jahr 1985 Lohn‑ und Provisionsforderungen gegen die G* in der Höhe von mehr als einer Million Schilling, die mit Vergleich vom 17.Dezember 1985 in der Höhe von 863.447,23 S festgesetzt wurden. Auf Grund dieses Vergleichs erwirkte Reinhard G* am 28.Feber 1986 eine Exekutionsbewilligung gegen die G*. Im Rahmen des Exekutionsverfahrens wurden von Kunden der G* Drittschuldnerzahlungen in der Höhe von rund 542.000 S an den betreibenden Gläubiger Reinhard G* geleistet. Durch diesen Einnahmenausfall bestand die Gefahr, daß die G* (im Jahr 1986) nicht mehr weiterarbeiten konnte, weil deren (einziger) Lieferant, nämlich die in Rovereto (Italien) etablierte Firma M* SpA, "unter diesen Umständen nicht mehr zu Lieferungen bereit war", die üblicherweise in der Form erfolgten, daß wöchentlich Waren im Wert von ca. 400.000 bis 500.000 S unter Eigentumsvorbehalt geliefert und in der Folge aus den durch Weiterverkauf erzielten Erlösen bezahlt wurden. Angesichts der Weigerung der Firma M*, weitere Waren zu liefern, befolgten die beiden Angeklagten den Rat ihres Steuerberaters Dr.S*, eine neue Gesellschaft zu gründen, an der Ludwig G* auch wegen der Auseinandersetzungen mit Reinhard G*, nicht (mehr) beteiligt sein sollte. Friederike G* gründete daher mit Gesellschaftsvertrag vom 2.April 1986 gemeinsam mit zwei Söhnen der beiden Angeklagten die I* HandelsGesmbH ‑ im folgenden kurz I* genannt ‑, die am 15.April 1986 im Handelsregister eingetragen wurde und sich ebenfalls mit dem Groß‑ und Einzelhandel von Waren aller Art, insbesondere Fleisch‑, Wurstwaren und Spezialitäten befaßte. Während die G* am 31.März 1986 ihre Tätigkeit unter Hinterlassung von Schulden in der Höhe von über 4,6 Millionen S einstellte, war die I* von Anfang an ein florierendes Unternehmen. Die I* übernahm die Belieferung der bisherigen G*‑Kunden mit Waren des italienischen Unternehmens M*, übte also unter Beibehaltung der bisherigen Kunden‑ und Artikelnummern eine idente Tätigkeit wie die G* aus. Da sich in den Geschäftsunterlagen der I* Ausgangsrechnungen über bereits vor dem 2.April 1986 (Errichtung des Gesellschaftsvertrages) gelegene Geschäftsfälle fanden, die anstatt noch über die G* bereits über die I* abgewickelt wurden, kam das Erstgericht zum Ergebnis, daß der Befriedigungsfonds der Gläubiger der G*, die "nicht nur einen, sondern mehrere Gläubiger hatte", verringert wurde. Dabei wurde der Zweitangeklagten angelastet, als Geschäftsführerin der I* Manipulationen dergestalt durchgeführt zu haben, daß die bei der I* abgelegten Lieferscheinkopien über Warenlieferungen der G* aus der Zeit Ende Feber/Anfang März 1986 zu I*‑Lieferscheinen mit entsprechendem Kopf, abgeändertem Datum bzw. nachgetragener Unterschrift adaptiert wurden. Insbesondere wurden von der G* im März und April 1986 von der Firma M* bezogene Waren im Gesamtbetrag von 1,566.359,88 S an die I* verkauft. Die I* konnte zwar erst ab jenem Zeitpunkt, zu dem sie rechtlich existierte, Warenkontingente im Rahmen des mit Italien bestehenden Accordino bekommen, doch zog das Erstgericht auch daraus die Schlußfolgerung, daß die solcherart vor der Errichtung des Gesellschaftsvertrages (am 2.April 1986) konstruierten Geschäftsbeziehungen, die seitens der I* weder mit den Kunden noch mit der G* bestanden haben konnten, nur vorgetäuscht waren.

Den "im gegenständlichen Strafverfahren festzustellenden Schaden" leitete das Schöffengericht dem Gutachten des Buchsachverständigen Dkfm.B* folgend daraus ab, daß die Überprüfung der sogenannten Rohaufschläge (das ist das Verhältnis der Warenerlöse zum Wareneinsatz) sowohl bei der G* als auch bei der I* annähernd gleich hohe Werte von mehr als 30 % ergab, wobei allerdings im Jahr 1986 der durch die G* erzielte Rohaufschlag bei (bloß) 7,8 % lag. Es gelangte im Wege der solcherart ermittelten Differenz von 727.000 S oder fehlenden Waren im Wert von rund 550.000 S zum Ergebnis, daß "der festzustellende Schaden", errechnet aus der (verglichenen) Forderung des Reinhard G* gegen die G* abzüglich der Drittschuldnerzahlungen im Exekutionsverfahren (von 542.000 S), zumindest 321.447,23 S betrug (vgl. insbesondere US 13 ff).

Zu Punkt I und II des Schuldspruchs:

Der Tatbestand der betrügerischen Krida nach § 156 StGB setzt voraus, daß der Schuldner mehrerer Gläubiger durch wirkliche oder scheinbare Verringerung seines Vermögens die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vorsätzlich vereitelt oder schmälert. Die Tathandlung besteht im wirklichen oder scheinbaren Verringern des Schuldnervermögens; sie muß dafür ursächlich geworden sein, daß zumindest ein Gläubiger einen Befriedigungsausfall erleidet; eine Verminderung der Aktiven bei gleichzeitiger Verminderung der Passiven im selben Ausmaß erfüllt den Tatbestand ebensowenig wie die bloße Gefahr einer Schlechterstellung (zumindest) eines Gläubigers. In subjektiver Beziehung muß sich der Vorsatz des Täters sowohl auf die Tathandlung als auch auf den Deliktserfolg, also die Vereitelung oder Schmälerung der Gläubigerbefriedung, beziehen, wobei jeweils bedingter Vorsatz genügt (Leukauf‑Steininger Komm.3 § 156 RN 10 ff).

Gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida wenden die beiden Angeklagten ‑ der Angeklagte Ludwig G* der Sache nach ‑ unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (Z 5), die Angeklagte Friedrike G* außerdem einen Feststellungsmangel (Z 9 lit. b) relevierend, ein, das Schöffengericht habe bei der Feststellung des ausdrücklich auf die Person des Reinhard G* abgestellten "Schadens" die zwischen der G* und der I* einerseits und Reinhard G* andererseits getroffene Vereinbarung über dessen Ansprüche gegenüber der G* und die nachfolgende (einvernehmliche) Einstellung der von G* betriebenen Forderungsexekutionen völlig unberücksichtigt gelassen. Dies gelte gleichermaßen für ihre Verantwortung, die, soweit sie sich gegen die den Urteilsfeststellungen zugrundeliegenden Annahme des Buchsachverständigen Dr.Bernhardt wendet, ebenfalls keiner Würdigung unterzogen worden sei. Da das Schöffengericht den "im gegenständlichen Strafverfahren festzustellenden Schaden" zumindest mit 321.447,23 S annahm (= die Differenz der zuvor angeführten ‑ verglichenen ‑ Forderung des Reinhard G* abzüglich der im Exekutionsweg erlangten 542.000 S), wäre es jedenfalls gehalten gewesen, die im Akt urkundlich nachgewiesene und auch vom Zeugen G* nicht in Abrede gestellte Vereinbarung vom 16.Mai 1986 einer Erörterung zu unterziehen; dies umsomehr, als dieser Vereinbarung (siehe ON 48 S 311 h ff/IV), die mit dem am selben Tag zwischen (dem Vater des Reinhard G*) Hans G* einerseits und den Firmen G* und I* andererseits geschlossenen Vergleich im Zusammenhang steht (ON 48 S 311 d ff/IV), ausdrücklich festgehalten wurde, daß die "rechtlichen Beziehungen" zwischen Reinhard G* und der G* zwischenzeitlich geregelt werden konnten und daß in allen darauf Bezug habenden zivilgerichtlichen Verfahren "ewiges Ruhen des Verfahrens" vereinbart worden sei, worauf die Drittschuldner vom rechtsfreundlichen Vertreter des Reinhard G* mit Schreiben vom 16.Mai 1986 (ON 48 S 311 g/IV) aufgefordert wurden, weitere Zahlungen aus Warenlieferungen, soweit sie bisher zurückgehalten wurden, nicht mehr an ihn, sondern an die berechtigten Firmen zu überweisen.

Demzufolge hätte sich das Erstgericht nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen (US 15), daß der Befriedigungsanspruch des Reinhard G*, möge er auch später Zahlung erlangt haben, jedenfalls dadurch geschmälert wurde, daß er ursprünglich weniger erhielt als ihm zustand. Nach Lage des Falles hätte sich das Schöffengericht vielmehr angesichts dieser Vereinbarung mit Reinhard G*, der auch in der Hauptverhandlung erklärte, "wir haben uns geeinigt, daß das erledigt ist; ich habe nichts mehr zu bekommen" (S 580/V), darlegen müssen, welchen Einfluß diese Regelung auf den angenommenen Befriedigungsausfall bei Reinhard G* oder weiteren Gläubigern hatte, wobei es ‑ wie die Zweitangeklagte in ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit. b) zutreffend ausführt ‑ auch Feststellungen in Richtung allfälliger tätiger Reue nach § 167 StGB bedurft hätte. Der dem Ersturteil zu entnehmende bloß pauschale Hinweis, daß die G* nicht nur einen, sondern mehrere Gläubiger hatte (US 11, 14, 15), wie auch die vom Schöffensenat ohne Würdigung der bezüglichen Verantwortung der beiden Angeklagten angenommene "Entziehung der (Fleisch‑ und Wurst‑)Waren aus der Gesellschaft (G*) und Transferierung in eine andere Gesellschaft (I*), wobei auch allen anderen Gläubigern der G* die Möglichkeit des Zugriffes entzogen wurde (US 11, 14), reicht schon deshalb nicht aus, weil das Schöffengericht zur entscheidungswesentlichen Frage weiterer Gläubiger der G* und des Eintrittes eines kausalen Befriedigungsausfalles keine tragfähigen Feststellungen getroffen hat.

Nicht anders verhält es sich mit der den beiden Angeklagten angelasteten Überlassung von (Fleisch‑ und Wurst‑)Waren im Wert von rund 550.000 S seitens der G* an die I* und in der Übertragung des Inkassos für die von der G* im März und April 1986 gelieferten Waren im Gesamtwert von 1,566.359,88 S an die I* (Punkt I/1 und 2 des Urteilssatzes). Insoweit folgerte das Erstgericht schon aus dem Umstand, daß diese Übertragungen vor der Gründung der I* erfolgte, daß "ein Warenfluß von der G* zur I* nur vorgetäuscht wurde, um die Geltendmachung der G*‑Forderungen durch die I* zu verschleiern und diese Waren der G* dem Zugriff deren Gläubiger zu entziehen (US 12).

Zu Recht wenden die Beschwerdeführer dagegen ein, daß das Schöffengericht ihre Verantwortung, wonach die (regelmäßigen) Lieferungen der italienischen Firma M* jeweils unter Eigentumsvorbehalt erfolgten, daß es sich bei den gelieferten Waren um (zufolge beschränkter Lagerfähigkeit) verderbliche Produkte gehandelt habe und daß den Lieferungen der G* an die I* sowohl sämtliche unmittelbaren Zahlungen der I* an die G* als auch die Übernahme von Drittforderungen gegen die G* durch die I* gegenüberzustellen wären.

Das Ersturteil enthält indes zur bezüglichen Verantwortung der beiden Beschuldigten nur den Hinweis, daß dem Erstangeklagten Ludwig G* die triste Situation der G* im März 1986 bekannt sein mußte, weil er "ja sonst nicht die Waren der G* an die I* übertragen und damit den Gläubigern der G* entzogen hätte" (US 14). Dies sei der Zweitangeklagten naturgemäß bekannt gewesen, die "bei dieser Aktion kräftig mithalf", indem sie als Geschäftsführerin der I* die von der G* gelieferten Waren für die I* in Rechnung stellte, Lieferscheine manipulierte und das Inkasso für die I* vornahm. Bei dieser Sachlage wäre das Schöffengericht jedoch verpflichtet gewesen, sich gesondert mit den Angaben der beiden Angeklagten auseinanderzusetzen, von der italienischen Lieferfirma M* sei Eigentumsvorbehalt geltend gemacht worden, der Warenzustand habe Preisreduktionen erforderlich gemacht; es hätte in diesem Zusammenhang auch prüfen müssen, in welchem Ausmaß die I* gegenüber der G* oder für diese tatsächlich Leistungen erbrachte. All das ist nämlich für die Frage, ob und in welchem Umfang einer Verminderung der Aktiven der G* allenfalls eine gleichzeitige Verminderung der Passiven gegenüber stand, von entscheidungswesentlicher Bedeutung, zumal eine Verminderung der Aktiven bei gleichzeitiger Minderung der Passiven im selben Ausmaß den Tatbestand nach § 156 StGB nicht erfüllt. Das Schöffengericht konnte sich auch angesichts der von den Angeklagten behaupteten Schwierigkeiten mit der Firma M* (siehe hiezu auch S 331 f/V), der Probleme im Rahmen des mit Italien bestehenden Accordino und des (für die Zeit vor der Gründung der I*) behaupteten Bestehens einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht, ohne diese Angaben einer Würdigung zu unterziehen, mit dem Hinweis begnügen, daß alle vor dem Zeitpunkt der rechtswirksamen Gründung der I* mit der G* getätigten Geschäfte schon deshalb auf die Verletzung der Befriedigungsrechte des/der Gläubiger abzielten.

Zufolge der von den Beschwerdeführern zutreffend aufgezeigten Begründungs‑ und Feststellungsmängel läßt sich sohin nicht abschließend beurteilen, ob der Angeklagte Ludwig G* - und seine Ehegattin Friederike G* als Beitragstäterin ‑ durch die zu Punkt I/1 und 2 sowie II des Urteilssatzes bezeichneten Verhaltensweisen tatsächlich einen Befriedigungsausfall zumindest eines von mehreren Gläubigern der G* bewirkten.

Zu Punkt III des Urteilssatzes:

Den Tatbestand der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 StGB - das Verfahren wegen des weiteren Anklagevorwurfs nach § 159 Abs. 1 Z 2 StGB wurde in der Hauptverhandlung ausgeschieden (S 607/V iVm US 2) ‑ erblickten die Tatrichter nach den insoweit wesentlichen Urteilsfeststellungen durch die eingangs bezeichneten Verhaltensweisen des Angeklagten Ludwig G* erfüllt, wobei sie als auslösendes Moment für die per Ende des Jahres 1983 eingetretene (objektive) Zahlungsunfähigkeit der G* insbesondere das risikoreiche Exportgeschäft nach Ghana werteten, welches vom Zeugen Reinhard G* aufgebaut werden sollte. Den mit Ende April 1984 angenommenen Zeitpunkt der subjektiven Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit der G* für den Erstangeklagten Ludwig G* leitete das Erstgericht, allerdings ohne nähere Begründung, aus der "zu diesem Zeitpunkt erhobenen Anzeige gegen den für das Ghana‑Geschäft beauftragten Reinhard G* wegen Betruges" ab.

Der Beschwerde des Erstangeklagten kommt Berechtigung zu, wenn er ‑ der Sache nach abermals einen Begründungsmangel (Z 5) relevierend ‑ ins Treffen führt, das Erstgericht habe seine das Vorhandensein einer Gläubigermehrheit (im hier aktuellen Sinn) in Abrede stellende Verantwortung ebenso unerörtert gelassen, wie seine auch das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit bestreitenden Angaben.

Hinsichtlich des gegen die Subjektqualität erhobenen Einwandes, daß nämlich als (unmittelbarer) Täter (der Vergehen) nach § 159 StGB nur in Frage kommt, wer Schuldner mehrerer Gläubiger ist, also mindestens zwei Gläubiger hat, kann auf die Ausführungen bei Erörterung des bezüglichen Beschwerdevorbringens zum Faktum betrügerische Krida verwiesen werden.

Aber auch zu dem für die Beurteilung des Tatbestandes der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 StGB - neben den Kriterien der objektiven Sorgfaltswidrigkeit als Merkmal der geforderten Fahrlässigkeit des Täters ‑ zentralen Gesichtspunkt der Zahlungsunfähigkeit stellte das Erstgericht der Verantwortung des Beschwerdeführers lediglich pauschal das Gutachten des Buchsachverständigen entgegen, wonach "insbesondere das Ghana‑Geschäft im Jahr 1983 die Zahlungsunfähigkeit der G* herbeiführte und dem Erstangeklagten daher die Zahlungsunfähigkeit spätestens bei Anzeigeerstattung gegen Reinhard G* Ende April 1984 bekannt sein mußte" (US 14). Demgegenüber ist allerdings den Urteilsgründen im Zusammenhang mit der den Angeklagten außerdem angelasteten betrügerischen Krida zu entnehmen, daß für die G* (erst) auf Grund der am 28.Feber 1986 von Reinhard G* erwirkten Exekutionsbewilligung "die große Gefahr bestand, daß die G* überhaupt nicht weiterarbeiten konnte" (US 9) und, daß das genannte Unternehmen zufolge des Ausbleibens der Zahlungen für die gelieferten Waren durch die als Drittschuldner in Anspruch genommenen Kunden der G* nicht mehr in der Lage war, die laufenden, unter Eigentumsvorbehalt erfolgten Lieferungen der italienischen Firma M* zu bezahlen, die unter diesen Umständen zu Warenlieferungen an die G* nicht mehr bereit gewesen ist (US 10; siehe auch ON 20, S 30, 31/IV, ON 83, S 511, 531/V).

Solcherart brachte jedoch das Erstgericht nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck, ob bzw. wann die tatbestandsessentielle Zahlungsunfähigkeit nun tatsächlich eingetreten ist und an welchen strafrechtlich relevanten Kriterien diese gemessen wurde. Zahlungsunfähigkeit liegt strafrechtlich dann vor, wenn der Schuldner mangels flüssiger Mittel außerstande ist, binnen angemessener Frist bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung alle seine fälligen Schulden zur Gänze (oder zumindest im wesentlichen) zu begleichen. Die ‑ immer wieder zu beobachtende ‑ bloße Berufung auf die Gutachten von Buchsachverständigen verkennt, daß Zahlungsunfähigkeit (ua) im § 159 StGB ein normativer Begriff ist, der allerdings untrennbar mit einer vorgelagerten Tatfrage verbunden ist, aber in seiner rechtlichen Bedeutung vom Strafgericht und nicht vom Sachverständigen zu beurteilen ist. Auf der Tatsachenebene ist ein wesentliches Indiz für die Zahlungsunfähigkeit die Zahlungseinstellung, wogegen eine bloße Zahlungsstockung nicht genügt; ebensowenig ist Überschuldung erforderlich oder ausreichend (vgl. Steininger in Jelinek, Insolvenz‑ und Wirtschaftsstrafrecht, S 105 ff). Dabei kommt der Abgrenzung einer bloßen Zahlungsstockung von bereits vorliegender Zahlungsunfähigkeit entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil nur letztere strafrechtlich von Bedeutung ist. Beide Stadien unterscheiden sich auch dadurch, daß eine bloße Zahlungsstockung im allgemeinen dann anzunehmen ist, wenn lediglich vorübergehend und kurzzeitig Mangel an Zahlungsmitteln besteht, der durch alsbaldige Mittelbeschaffung (wie etwa durch kurzfristig mögliche Verwertung vorhandener Aktiven oder Aufnahme eines Überbrückungskredits) wieder behebbar ist, während Zahlungsunfähigkeit dagegen ein dauerndes Nichtzahlenkönnen voraussetzt. Unterscheidungsmerkmal ist somit das zeitliche Ausmaß des Nichtzahlenkönnens, sodaß erst dann, wenn der Schuldner dauernd unfähig ist, bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung alle seine (fälligen) Schulden zur Gänze (oder zumindest im wesentlichen) zu bezahlen, das Tatbestandsmerkmal der Zahlungsunfähigkeit erfüllt ist. Der von der Beschwerde in diesem Zusammenhang ‑ der Sache nach ‑ gerügten Unvollständigkeit der Urteilsgründe zur Frage der Zahlungsunfähigkeit kommt für die Beurteilung, ob dem Angeklagten Ludwig G* das in Rede stehende Vergehen anzulasten ist, maßgebende Bedeutung zu.

Die aufgezeigten Begründungs‑ und Feststellungsmängel machen sohin, ohne daß es noch einer Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens bedarf, hinsichtlich beider Angeklagten eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich (§ 285 e StPO).

Mit ihren dadurch gegenstandslos gewordenen Berufungen waren die Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

 

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