OGH 14Os59/14d

OGH14Os59/14d12.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. August 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zillinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Redzep T***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. März 2014, GZ 071 Hv 133/13t‑262, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0140OS00059.14D.0812.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch A/II zugrundeliegenden Tat (auch) unter § 28a Abs 2 Z 1 SMG sowie im Schuldspruch F und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Redzep T***** und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde Redzep T***** mit dem angefochtenen Urteil des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG (A/I), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 3 SMG (A/II), des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall und Abs 2 SMG (B), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (C) und der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (F) schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** und an anderen Orten

(A) vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar

I) 200 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 4,6 % THCA und 0,4 % Delta‑9‑THC (Reinsubstanz zumindest 9,2 Gramm THCA und 0,8 Gramm Delta‑9‑THC) im Mai 2013 dem Zabir S***** gewerbsmäßig überlassen;

II) in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 968,5 Gramm Heroin mit einem Reinhaltsgehalt von zumindest 1,1 % Acetylcodein, 17 % Heroin und 0,5 % Monoacetylmorphin (bzw einer Reinsubstanz zumindest 11,5 Gramm Acetylcodein, 164 Gramm Heroin und 4,6 Gramm Monoacetylmorphin) „als Bestimmungstäter aus‑ und eingeführt, indem er am 21.5.2013 dem im Verfahren 64 Hv 93/13h des Landesgerichtes für Strafsachen Wien rechtskräftig verurteilten Ervin K***** das genannte Suchtgift in Serbien übergab und [ihn] aufforderte, es aus Serbien aus‑ und über Ungarn nach Österreich einzuführen“, wobei er diese Straftat nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer § 28a Abs 1 SMG zu unterstellenden Straftat, nämlich mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 1. März 2007, AZ 62 Hv 16/07m, wegen § 28 Abs 2 und 4 Z 3 SMG idF BGBl I 2002/134, verurteilt wurde;

(B) am 21. Mai 2013 Ervin K***** durch die Aufforderung, eine Suchtgiftlieferung von Serbien nach W***** durchzuführen, dazu bestimmt, vorschriftswidrig das unter Punkt A/II angeführte Suchtgift, somit Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, von der ungarisch/österreichischen Staatsgrenze in einem von Ervin K***** gelenkten Fahrzeug zu besitzen und nach W***** zu befördern;

(C) im Dezember 2012 in W***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer nicht mehr feststellbaren, die Grenzmenge von 15 Gramm Kokain jedoch jedenfalls übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, erworben und besessen, und zwar Kokain mit durchschnittlichem Reinhaltsgehalt von 20 % Cocain, indem er dieses in der von ihm benützten Wohnung aufbewahrte, zerkleinerte und presste;

(F) zwischen Anfang 2013 und 22. Mai 2013 Natasa P***** durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, nämlich durch die wiederholte Äußerung, wenn sie die Polizei anrufe, würde dies nicht das Ende sein, weil er wieder aus der Haft entlassen würde und dann würde sie schon sehen, wie es weitergehen würde, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Verständigung der Polizei und der Aussage gegen ihn, genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Die Mängelrüge (der Sache nach Z 5 vierter Fall) kritisiert hinsichtlich der Schuldsprüche A/I und C die mit Gerichtsnotorietät begründete Annahme des Reinheitsgehalts der tatverfangenen Suchtgifte (US 12 und 14) als „ungenau“. Notorische Tatsachen bedürfen aber weder eines Beweises noch einer Begründung (RIS‑Justiz RS0098570 [T8; T12; T20]). Dass diese in der Hauptverhandlung vorgekommen sind, wird vom Beschwerdeführer mit Recht nicht bestritten (RIS‑Justiz RS0119094; vgl bereits die Anklageschrift ON 235, die zum Schuldspruch C sogar von einer höheren Konzentration des Suchtgifts ausgeht). Beim Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG (Schuldspruch A/I) betrifft der Reinheitsgehalt zudem keine entscheidende Tatsache.

Soweit die Rüge die Erwägungen zu den die Bruttomengen des Suchtgifts betreffenden Feststellungen zum Schuldspruch C als „zu hinterfragen“ bezeichnet, bekämpft sie bloß unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Dem weiteren ‑ gegen den Schuldspruch A/I gerichteten ‑ Vorbringen zuwider ist der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen oder Wissen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit ebenso wenig zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882), wie die Ableitung gewerbsmäßiger Tatbegehung aus einer vernetzten Betrachtung wiederholter Drogendelinquenz, bescheidener finanzieller Verhältnisse, konspirativer Telefonate im Zusammenhang mit dem Handel von Drogen und des Zugangs des Angeklagten zu großen Mengen an Suchtmittel (US 14).

Dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Aussage des Mirzad Skril nicht übergangen (US 17). Mit dieser und der weiteren Kritik gegen die tatrichterliche Beurteilung der Glaubwürdigkeit entlastender Angaben von Zeugen im Hauptverfahren (betreffend die Schuldsprüche A/I und II, B und C; US 11 ff) wird erneut bloß nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld die Beweiswürdigung bekämpft. Denn der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (RIS‑Justiz RS0106588).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ davon, dass dem Urteil nicht geltend gemachte Nichtigkeit zum Nachteil des Redzep T***** anhaftet, die von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Zum Schuldspruch A/II konstatierte das Erstgericht zur gewerbsmäßigen Begehung (§ 28a Abs 2 Z 1 SMG), dass der Angeklagte in der Absicht handelte, „sich durch die wiederkehrende Aus‑ bzw Einfuhr von die Grenzmenge übersteigender Suchtgiftmengen eine fortlaufende Einnahme zur Finanzierung seines Lebensunterhalts zu verschaffen“ (US 9). Damit hat es aber die verba legalia bloß zirkulär ohne Herstellung eines Sachverhaltsbezugs verwendet und solcherart im Ergebnis keine Feststellungen getroffen, sodass ein Rechtsfehler mangels Feststellungen in Betreff der zum Schuldspruch A/II herangezogenen Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 1 SMG (Z 10) vorliegt (RIS‑Justiz RS0119090), der deren Aufhebung nach sich zog.

Zum Schuldspruch F sind dem Urteil keine Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der wiederholten Äußerung des Beschwerdeführers zu entnehmen. Diese wären zur Beurteilung der Tatbestandsmäßigkeit einer gefährlichen Drohung jedoch unbedingt erforderlich, weil Drohungen mit bloßer Misshandlung nicht als solche mit einer Verletzung am Körper zu beurteilen sind (Jerabek in WK2 StGB § 74 Rz 29 mwN). Die Erwähnung im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermag die Feststellung entscheidender Tatsachen nur zu verdeutlichen, jedoch nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0114639).

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das den Schuldspruch F betreffende Beschwerdevorbringen.

Die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang zog auch die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich, womit die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegenstandslos sind.

Die Kostenersatzpflicht, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Im weiteren Verfahren wird zu berücksichtigen sein, dass das Erstgericht zum Schuldspruch B zu Unrecht (Bestimmung zu) Besitz und Befördern derselben Suchtgiftmenge angelastet hat (RIS‑Justiz RS0125736). Amtswegige Wahrnehmung dieses Subsumtionsfehlers (Z 10) war mangels eines konkreten Nachteils nicht erforderlich. Angesichts dieser Klarstellung besteht bei der Straffestlegung jedoch keine Bindung an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch (RIS‑Justiz RS0118870).

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