Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Punkten A/I) und B) des Schuldspruches sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben; gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO wird in der Sache selbst erkannt:
Kurt F*** ist (weiters) schuldig, er hat im März 1987 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge ausgeführt und eingeführt sowie auszuführen versucht, indem er
1. ca. 250 Gramm Cannabisharz im Magen-Darmtrakt verborgen aus Marokko ausführte und nach Österreich einführte (wovon er je 100 Gramm an Kurt N*** und Franz W***, ferner zweimal je 10 Gramm an Andreas J*** verkaufte);
2. unmittelbar vor seiner Ausreise aus Marokko weitere ca. 500 Gramm Cannabisharz durch Verschlucken zu verbergen trachtete, was ihm zum Teil wegen auftretender Schluckbeschwerden überhaupt nicht, zum Teil aber deshalb nicht gelang, weil er das Suchtgift nicht im Körper halten konnte.
Er hat hiedurch das teils vollendete, teils versuchte Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG und § 15 StGB begangen und wird hiefür, sowie für das ihm nach dem aufrecht gebliebenen Teil des Schuldspruches (laut den Punkten A/II bis IV) unverändert zur Last liegende Vergehen nach § 16 Abs. 1 SGG gemäß § 12 Abs. 1 SGG unter Anwendung der §§ 28 Abs. 1 und 43 a Abs. 2 StGB nF zu einer Geldstrafe von 360 (dreihundertsechzig) Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 180 (einhundertachtzig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zu einer Freiheitsstrafe von 6 (sechs) Monaten verurteilt.
Der Tagessatz wird mit 150 S festgesetzt.
Gemäß § 43 Abs. 1 StGB nF wird die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wird die verwaltungsbehördliche Verwahrungshaft vom 20.August 1987, 12.10 Uhr, bis 21.August 1987, 10.00 Uhr, auf die Strafen angerechnet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt F*** der Vergehen (zu A) nach § 16 Abs. 1 SGG und (zu B) nach § 14 a SGG schuldig erkannt. Darnach hat er den bestehenden Vorschriften zuwider
A) außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG Suchtgift eingeführt,
erworben, besessen und anderen überlassen oder verschafft, indem er
I) im März 1987 aus Marokko ca. 250 Gramm Cannabisharz nach
Vorarlberg einführte und davon je 100 Gramm an Kurt N*** und Franz W***, sowie zweimal je 10 Gramm an Andreas J*** verkaufte;
II) im Februar 1987 in Rankweil 100 Gramm Cannabisharz von Franz W*** und Renate L*** kaufte und an Kurt N***
weiterverkaufte;
III) in der Zeit von April bis Juni 1987 in Rankweil 100 Gramm Cannabisharz von Franz W*** kaufte und an Kurt N***, sowie an nicht bekanntgewordene Personen weiterverkaufte,
IV) mehrmals jeweils kleinere Portionen Cannabisharz zum Teil in der Schweiz, zum Teil daheim auch mit anderen Personen konsumierte und ihnen Franz W*** und Renate L*** als Verkäufer (von Suchtgift) vorstellte;
B) im März 1987 in Marokko ca. 500 Gramm Cannabisharz, mithin
Suchtgift in einer großen Menge, mit dem Vorsatz erworben und besessen, daß es in Verkehr gesetzt werde.
Dieses Urteil wird in den Punkten A/I) und B) von der Staatsanwaltschaft aus den Gründen der Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.
Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte in Marokko ca. 750 Gramm Cannabisharz zum Preis von 10.000 S gekauft, welches er nach Österreich einführen und zumindest zum Teil hier in Verkehr setzen wollte. Er hielt sich zu diesem Zweck zwei Tage in Marokko auf. Schon am ersten Tag seines dortigen Aufenthaltes begann er, das in Cellophankapseln zu drei bis acht Gramm verpackte Suchtgift zu verschlucken, damit es auf der Heimreise nicht entdeckt werde. Für diesen Vorgang benötigte er ca. eine Stunde, wobei sich jedoch sein Hals entzündete. Er konnte daher nur ca. 375 bis 500 Gramm aufnehmen und mußte dabei wiederholt erbrechen, sodaß ein Teil des Suchtgiftes verloren ging. Jenen Teil, den er nicht mehr schlucken konnte, ließ er in Marokko; einen weiteren Teil des Suchtgiftes verlor er durch Stuhlgang. Als er in Vorarlberg angekommen war, hatte er noch ca. 250 Gramm Cannabisharz bei sich, welches er größtenteils in der Folge verkaufte.
Gegen diese Mengenfeststellungen wendet die Anklagebehörde ein (Z 5), das Erstgericht habe die Verantwortung des Angeklagten, wonach er die Hälfte der erworbenen Suchtgiftmenge verschluckt, nur die andere Hälfte in Marokko zurückgelassen und den Rest (also ca. 125 Gramm) erst während der Heimreise ausgeschieden habe, nicht aktengetreu wiedergegeben. Zudem habe es die Aussage des Zeugen Franz W*** übergangen, daß der Angeklagte (sogar) ca. 800 Gramm Cannabisharz verschluckt und nur eine darüber hinaus gekaufte Menge in Marokko weggeworfen habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Vorwurf der Aktenwidrigkeit versagt, weil der Angeklagte laut dem beschlußmäßig ergänzten Hauptverhandlungsprotokoll tatsächlich angegeben hat, den fraglichen Teil des Suchtgiftes bereits am ersten Tag seines Aufenthaltes in Marokko, also vor seiner Abreise wieder ausgeschieden zu haben (S 92). Auch die reklamierte Unvollständigkeit infolge Unterbleibens einer ausdrücklichen Erörterung der Zeugenaussage des Franz W*** liegt nicht vor. Der Zeuge spricht nur von einer verschluckten Menge von ungefähr 800 Gramm und kann auch nicht sagen, wieviel davon der Angeklagte wieder erbrochen hat (S 93). Ersichtlich deshalb - und damit implizit ohnedies unter Berücksichtigung dieser nichts weniger als präzisen Angaben des Zeugen - ist daher das Erstgericht "im Zweifel" zu Gunsten des Angeklagten von dessen geringeren Mengenangaben ausgegangen. Eine in Marokko gekaufte Suchtgiftmenge von mehr als 750 Gramm war übrigens weder Gegenstand der Anklage noch zielt nunmehr die Beschwerde auf einen mengenmäßig größeren Umfang des Schuldspruches ab, weshalb insoweit der behauptete Begründungsmangel - zumal unter Bedacht auf die in Stattgebung der Beschwerde geänderte rechtliche Beurteilung - gar keine entscheidende Tatsache betrifft.
Im Recht ist nämlich die Beschwerdeführerin mit dem Einwand, es liege hinsichtlich jenes Teiles (von ca. 500 Gramm) des in Marokko erworbenen Suchtgiftes, das der Angeklagte nicht über die Grenze zu schmuggeln vermochte, strafbarer Versuch vor, sodaß er in Ansehung der Gesamtmenge von 750 Gramm Cannabisharz das teils versuchte, teils vollendete Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG zu verantworten habe. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes treffen nämlich auf diesen Teil der Tat des Angeklagten die Kriterien der Ausführungsnähe (zumindest) in bezug auf die - gleichermaßen strafbare und vom Anklagevorwurf durchaus umfaßte (S 81) - Ausfuhr von Cannabisharz aus Marokko sehr wohl zu. Bei der Beurteilung, ob eine (noch) straflose Vorbereitungshandlung oder (schon) strafbarer Versuch vorliegt, kommt es nämlich darauf an, ob das Täterverhalten bereits den Beginn der Ausführung der geplanten Straftat darstellt oder doch zumindest nach ihrer aktionsmäßigen und zeitlichen Beziehung zur Ausführung im nahen Vorfeld der Tatbestandsverwirklichung liegt (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2 § 15 RN 9 und die dort zit. Judikatur). Bei der Ein- und Ausfuhr von Suchtgift besteht die Tathandlung darin, daß das Suchtgift über (irgend-)eine Staatsgrenze transportiert wird. Als ausführungsnahe Versuchsakte kommen daher Handlungen in Betracht, die dem Beginn dieser Ausführung unmittelbar vorgelagert und von der Tatbestandsverwirklichung nicht durch deliktstypisch wesentliche zeitliche, örtliche oder aktionsmäßig-eigenständige Zwischenetappen getrennt sind (15 Os 7/88).
Der (durch Unvermögen zum Teil gescheiterte) Versuch des Angeklagten in Cellophankapseln portioniertes Cannabisharz zu verschlucken, um es auf diese Weise schon am darauffolgenden Tag über die (marokkanische) Grenze zu bringen, stellt aber eine bereits direkt auf die Ausfuhr von Suchtgift ausgerichtete Handlung dar, die nach seinem Tatplan ohne Zwischenakte der oben beschriebenen Art unmittelbar in die Tatausführung übergehen sollte, wobei auch die innere Einstellung des Angeklagten zu seinem Vorhaben aus objektiv-normativer Sicht ein Stadium erreicht hatte, in welchem die Hemmstufe vor der beabsichtigten Tatbegehung bereits überwunden war. Ausgehend von der rechtlich zutreffenden Annahme des Erstgerichts, daß im vorliegenden Fall bei einer mittleren Qualität von vier bis fünf Prozent THC-Konzentration die Grenzmenge des geschmuggelten Cannabisharzes bei 400 bis 500 Gramm liegt (S 101; vgl. die Tabelle zum Gutachten des Beirates zur Bekämpfung des Mißbrauches von Alkohol und anderen Suchtmitteln vom 10.Mai 1985 in Foregger-Litzka SGG2 S 111, das eine "große Menge" bei 20 Gramm THC annimmt) und der Angeklagte ca. 750 Gramm dieses Suchtmittels aus Marokko ausführen und nach Österreich einführen wollte, bezog sich sein Vorsatz insgesamt auf eine große Suchtgiftmenge, deren Weitergabe geeignet gewesen wäre, im großen Umfang eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft waren daher die dem Angeklagten laut den Punkten A/I) und B) angelasteten Tathandlungen rechtlich wie aus dem Spruche ersichtlich zu subsumieren.
Bei der deshalb notwendig gewordenen Strafneubemessung war das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die Wiederholung des Vergehens, die durchwegs mehrfache Begehungsweise sowie der Umstand erschwerend, daß der Angeklagte den Großteil der erfolgreich nach Österreich eingeführten Suchtgiftmenge auch tatsächlich hier in Verkehr gesetzt hat; mildernd war hingegen sein reumütiges Geständnis und daß es zum Teil beim Versuch geblieben ist. Bei diesen Strafbemessungsgründen erschien dem Obersten Gerichtshof unter Bedacht auf die mit einer derartigen Suchtgift-Einkaufsreise verbundene reifliche Überlegung und sorgfältige Vorbereitung des Verbrechens (§ 32 Abs. 3 StGB) die Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr der unrechtsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) des Angeklagten an sich als angemessen. Zwar kommt einerseits die bedingte Nachsicht der ganzen Strafe aus generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht, andererseits ist aber mit Rücksicht darauf, daß der Angeklagte bisher strafrechtlich nicht einschlägig in Erscheinung getreten ist, sich schuld- und therapieeinsichtig gezeigt hat (S 109) und auf dem Weg zu sein scheint, sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken, auch nicht die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe dieses Gesamtausmaßes geboten. Es konnte daher unter Verhängung einer empfindlichen Geldstrafe - der Tagessatz wurde nach den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers bemessen (§ 19 Abs. 2 StGB) - und Festsetzung einer entsprechenden Ersatzfreiheitsstrafe (§ 19 Abs. 3 StGB) die Freiheitsstrafe von 6 Monaten bedingt nachgesehen werden, weil anzunehmen ist, daß die bloße Androhung der Vollziehung dieser Teil-Freiheitsstrafe in Verbindung mit der unmittelbar zu vollziehenden Geldstrafe sowie mit allenfalls vom Erstgericht zu treffenden Maßnahmen (§ 50 StGB; vgl. abermals das amtsärztliche Gutachten S 109) genügen werde, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten (§§ 43 Abs. 1, 43 a Abs. 2 StGB nF).
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