OGH 14Os58/04

OGH14Os58/0425.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Mai 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fuchs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Kemal G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. Jänner 2004, GZ 024 Hv 159/03f-42, sowie über dessen Beschwerde gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kemal G***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 10. September 2003 in Wien in zwei Angriffen Lyudmila S***** dadurch, dass er sie wiederholt mit dem Umbringen bedrohte, sie zu Boden stieß, ihr den Mund zuhielt, sich auf sie legte und ihre Beine gewaltsam auseinander drückte, mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben sowie mit Gewalt, zur Duldung des Beischlafes genötigt hat.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene, auf § 281 Abs 1 Z 3, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund (Z 3) macht der Beschwerdeführer geltend, die Aussage der Zeugin Lyudmila S***** vor der Polizei sei trotz seiner Verwahrung in der Hauptverhandlung zu Unrecht gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO verlesen worden, weil das Gericht nicht alles unternommen habe, um den Aufenthaltsort der Zeugin auszuforschen.

Die Frage, wann die Suche nach einem Zeugen aufgegeben, sein Aufenthalt somit als unbekannt angesehen und sein persönliches Erscheinen daher füglich nicht bewerkstelligt werden kann, sonach die Verlesung seiner früheren (auch nicht kontradiktorisch zustande gekommenen) Aussagen zulässig ist (§ 252 Abs 1 Z 1 StPO), kann immer nur nach Lage des konkreten Einzelfalles beurteilt werden (14 Os 76/97).

Vorliegend hat bereits die Untersuchungsrichterin die Polizei angewiesen, intensive Erhebungen über den Aufenthaltsort der Zeugin auch unter Einbeziehung der im Akt befindlichen (allerdings mangelhaften, weil keine Straßenbezeichnung oder Hausnummer enthaltenden) Adresse in Bulgarien zu pflegen (S 3c unten). Diese Nachforschungen blieben jedoch erfolglos (S 3d verso). Die Befragung der für die Akutbetreuung unmittelbar nach der Tat zuständigen Bediensteten der Gemeinde Wien hinwieder brachte das Ergebnis, dass die Zeugin von ihr am Westbahnhof abgesetzt wurde und diese nicht wusste, ob sie in Österreich bleiben solle oder nicht (S 3c oben). Damit war aber ein unsteter Aufenthalt der Zeugin anzunehmen. Der Vorsitzende veranlasste schließlich - entgegen der Beschwerde - am 19. November 2003 die Ausschreibung der Zeugin zur Aufenthaltsermittlung (ON 28). Ein Aufenthaltsort konnte jedoch nicht ermittelt werden, sodass die Ausschreibung im EKIS erfolgte (Bericht vom 27. November 2003, ON 38). Unter Berücksichtigung, dass der Angeklagte in Untersuchungshaft war und diese möglichst kurz dauern soll, hat das Gericht alles Erforderliche unternommen, um den Aufenthaltsort der Zeugin zu erheben. Mangels Ausforschung bis zur Hauptverhandlung am 27. Jänner 2004 wurde somit die Aussage der Zeugin Lyudmila S***** vor der Polizei im Hinblick auf die vorliegenden Kontrollbeweise zu Recht gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO verlesen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) greift lediglich ein Detail der Aussage der Zeugin S*****, nämlich ihre Beschreibung des Autos, mit welchem sie zum Tatort gebracht wurde, isoliert heraus und kritisiert, das Gericht habe hiezu keine weiteren Erhebungen gepflogen. Zum einen betrifft die genaue Type des Fahrzeuges keinen wesentlichen Umstand, zum anderen legt der Beschwerdeführer nicht dar, warum er an einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen wäre. Erhebliche, sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die der Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen werden damit nicht aufgezeigt.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Gegenstand einer solchen Rüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).

Das Rechtsmittel baut lediglich urteilsfremd auf der vom Erstgericht ausdrücklich abgelehnten Verantwortung des Angeklagten auf, er habe mit der Zeugin S***** einen freiwillig gestatteten Geschlechtsverkehr gehabt. Des weiteren behauptet es, aus dem Auseinanderdrücken der Beine könne "nicht automatisch der Schluss gezogen werden", die Zeugin habe ernsthaften Widerstand gegen den Vollzug des Geschlechtsverkehrs geleistet. Es versucht somit bloß andere Ergebnisse aus dem Beweisverfahren abzuleiten als die Tatrichter. Solcherart geht es aber nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators, jeoch entgegen einer dazu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung - teils als unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO). Hingegen war die (angemeldete) Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld zurückzuweisen, weil ein solches Rechtsmittel gegen Urteile von Kollegialgerichten in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen ist.

Über die Berufung gegen den Strafausspruch und über die implizierte Beschwerde hat der Gerichtshof zweiter Instanz zu entscheiden (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte