European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00056.18V.0703.000
Spruch:
Vom Widerruf der Mario G***** mit Urteilen des Bezirksgerichts Gmunden vom 25. Februar 2016, AZ 4 U 15/16h, und des Bezirksgerichts Bad Ischl vom 22. November 2017, AZ 2 U 35/17h, gewährten bedingten Nachsichten wird abgesehen und hinsichtlich letzterer die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mario G***** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB schuldig erkannt und hiefür „unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 11. Jänner 2018 zu 31 U 61/17i und des Bezirksgerichts Bad Ischl vom 22. November 2017 zu 2 U 35/17h“ nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB zu einer fünfzehnmonatigen Zusatzfreiheitsstrafe verurteilt, wobei gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Mit gemeinsam mit dem Urteil gefasstem Beschluss sah das Erstgericht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der mit Urteil des Bezirksgerichts Gmunden vom 25. Februar 2016, AZ 4 U 15/16h, gewährten bedingten Strafnachsicht ab (US 2).
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat der Angeklagte am 27. Dezember 2017 in L***** Gewahrsamsträgern der I***** GmbH zwei Flaschen Bier, zwei Kalenderbücher sowie einen „In-Ear“-Kopfhörer mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei er bei Betretung auf frischer Tat Gewalt gegen eine Person anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, indem er sich mit nicht unerheblicher Gewalt zwei Mal aus dem Haltegriff des Filialleiters Walter W***** losriss, der ihn mit den Händen an beiden Armen erfasst und zunächst gegen eine Betonsäule und dann gegen eine Glaswand gedrückt hatte.
Rechtliche Beurteilung
Nur gegen den Strafausspruch richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der Berechtigung zukommt.
Auf ein Urteil, in dem § 31 StGB angewendet wurde, ist dann (und nur dann) Bedacht zu nehmen, wenn die Aburteilung aller nunmehrigen Taten (schon in erster Instanz) bereits in demjenigen Verfahren möglich gewesen wäre, auf das (im Vor-Urteil) Bedacht genommen wurde. Demnach ist auf mehrere miteinander durch tatsächliche Anwendung des § 31 StGB verknüpfte Urteile nur Bedacht zu nehmen, wenn sämtliche nunmehr abgeurteilten Taten bereits im ersten dieser Verfahren hätten abgeurteilt werden können, also vor dem Urteil erster Instanz in diesem Verfahren begangen wurden (RIS‑Justiz RS0112524; Ratz in WK² StGB § 31 Rz 5).
Die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) zeigt zutreffend auf, dass diese Voraussetzungen hier – wie vom Erstgericht selbst dargestellt (US 8) – nicht vorlagen, weil (bereits) das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 11. Jänner 2018, GZ 31 U 61/17i‑25 (ON 16 S 3 ff), auf das Urteil des Bezirksgerichts Bad Ischl vom 22. November 2017, AZ 2 U 35/17h (ON 19 S 8), Bedacht genommen hatte und die dem nunmehr gegenständlichen Schuldspruch zu Grunde liegende Tat am 27. Dezember 2017 – sohin zwischen den beiden im Bedachtnahmeverhältnis stehenden Urteilen (RIS‑Justiz RS0090606) – begangen wurde.
Demzufolge hat das Erstgericht durch Verhängung einer Zusatzstrafe seine Strafbefugnis (zum Vorteil des Angeklagten) überschritten (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 671).
Dies macht die Aufhebung des angefochtenen Urteils
im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang unumgänglich.
Bei der damit erforderlichen
Strafneubemessung waren acht einschlägige Vorverurteilungen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) und der rasche Rückfall (nur etwa einen Monat nach der Verurteilung durch das Bezirksgericht Bad Ischl zum AZ 2 U 35/17h [wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen dreiwöchigen Freiheitsstrafe]; RIS‑Justiz RS0091041, RS0090981) erschwerend, mildernd hingegen das reumütige Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB).
Im Rahmen allgemeiner Strafbemessungs-erwägungen (§ 32 Abs 3 StGB) fällt zudem die Tatbegehung innerhalb offener Probezeit (auch zum AZ 4 U 15/16h des Bezirksgerichts Gmunden) und während anhängigen Strafverfahrens (zum AZ 31 U 61/17i des Bezirksgerichts Linz) zum Nachteil des Angeklagten ins Gewicht (RIS‑Justiz RS0090597, RS0119271), die Sicherstellung eines Teils der Diebsbeute dagegen zu seinen Gunsten (vgl Ebner in WK² StGB § 34 Rz 33).
Aufgrund dieser Erwägungen ist die im Spruch ersichtliche Strafe dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat sowie der Täterpersönlichkeit angemessen.
Aufgrund des massiv getrübten Vorlebens, des raschen Rückfalls und der bisherigen Wirkungslosigkeit gänzlich bedingter Strafnachsicht kam eine Anwendung von § 43 Abs 1 StGB oder § 43a Abs 2 StGB nicht in Betracht. Umgekehrt bedarf es – mit Blick auf die Art der Tat und die oben angeführten Milderungsgründe – aber weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Gründen des Vollzugs der gesamten Freiheitsstrafe, sodass gemäß §
43a Abs 3 StGB ein Strafteil von zwölf Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen war.
Ein Widerruf der Mario G***** mit Urteilen des Bezirksgerichts Gmunden vom 25. Februar 2016, AZ 4 U 15/16h, und des Bezirksgerichts Bad Ischl vom 22. November 2017, AZ 2 U 35/17h, gewährten bedingten Strafnachsichten war in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung nicht geboten, um den Rechtsbrecher von weiteren Straftaten abzuhalten (§ 53 Abs 1 StGB). Die mit dem zweitgenannten Urteil bestimmte Probezeit war jedoch mit Blick auf die neuerliche Delinquenz auf fünf Jahre zu verlängern (§ 53 Abs 3 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO).
Die Anrechnung der Vorhaft kommt gemäß § 400 Abs 1 StPO dem Erstgericht zu.
Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die
Strafneubemessung zu verweisen.
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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