Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Selman C***** wegen „des Verbrechens" nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (I.) und des Vergehens nach § 27 Abs 1 zweiter Fall SMG (II.) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28 Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Nach dem Schuldspruch hat Selman C***** in Wien und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider
I.) Suchtgift, und zwar Kokain, in einer großen Menge „großteils gewerbsmäßig" in Verkehr gesetzt, indem er
1.) am 14. Jänner 2004 ein Briefchen Kokain á 1 g mit einem Reinheitsgehalt von 50 % an einen verdeckten Ermittler zur Probe übergab;
2.) am 14. April 2004 ein Briefchen Kokain á 0,8 g mit einem Reinheitsgehalt von 40 % an einen verdeckten Ermittler zur Probe übergab;
3.) am 18. April 2004 ein Briefchen Kokain á 0,9 g mit einem Reinheitsgehalt von 40 % an einen verdeckten Ermittler zur Probe übergab;
4.) am 18. Mai 2004 ein Briefchen Kokain á 0,4 g mit einem Reinheitsgehalt von 15 % an eine Vertrauensperson der Polizei zur Probe übergab;
5.) von Anfang 2004 bis etwa Mai 2004 insgesamt rund 10 bis 15 g Kokain an den abgesondert verfolgten Ali Murat G***** verkaufte;
6.) seit Anfang 2004 in mehreren Angriffen insgesamt ca 5 g Kokain an die abgesondert verfolgte Claudia S***** verkaufte;
7.) seit Anfang 2004 in zahlreichen Angriffen eine nicht mehr feststellbare Menge im Bereich von rund 90 g Kokain an den abgesondert verfolgten Josef F***** verkaufte;
8.) am 21. April 2004 2 g Kokain an einen unbekannten Abnehmer über Vermittlung des Hasan Ö***** verkaufte;
9.) im April/Mai 2004 in rund zehn Angriffen etwa 10 bis 20 g Kokain an den abgesondert verfolgten Oliver T***** verkaufte;
10.) im April/Mai 2004 nicht mehr festzustellende Mengen Kokain an den abgesondert verfolgten Ewald K***** verkaufte;
11.) am 21. und 23. April sowie am 11. Mai 2004 insgesamt 3 g Kokain an den abgesondert verfolgten Reinhard Sch***** verkaufte;
12.) Anfang/Mitte Mai 2004 in zwei Angriffen insgesamt 2 g Kokain an Oliver T***** zwecks Weiterverkauf an Dipl. Ing. Paul Fe***** übergab;
13.) am 17., 19. und 28. Mai 2004 eine nicht mehr feststellbare Menge im Bereich von etwa 19 g Kokain an Muhammed Ge***** verkaufte;
14.) im Mai 2004 in mehreren Angriffen insgesamt ca 7 g Kokain an den abgesondert verfolgten Mehmet E***** verkaufte;
15.) Ende Mai 2004 und zuletzt am 1. Juni 2004 in drei Angriffen in Brunn am Gebirge insgesamt 4 bis 5 g Kokain an den abgesondert verfolgten Dipl. Ing. Paul Fe***** verkaufte;
16.) Ende Mai 2004 in zwei Angriffen insgesamt ca 4 g Kokain an Oliver T***** zwecks Weiterverkauf an Hamid-Resea Si***** übergab;
17.) Ende Mai/Anfang Juni 2004 insgesamt 2 g Kokain an den abgesondert verfolgten Hamid-Resea Si***** verkaufte;
18.) zu nicht mehr festzustellenden Zeitpunkten Kokain in nicht mehr festzustellender Menge unentgeltlich Chanpen J***** überließ;
19.) von April bis Juni 2004 zumindest etwa 5 g Kokain (1,8 g Reinsubstanz) an den abgesondert verfolgten Ahmeit Er***** verkaufte.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; ihr kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
Die Mängelrüge (Z 5) macht u.a. geltend, das Erstgericht habe zu den Urteilsfakten I. 5. bis 18. keine Feststellungen zum Reinheitsgehalt des verkauften Kokains getroffen. Damit liege eine unzureichende Begründung dafür vor, ob überhaupt Suchtgift in einer (insgesamt) großen Menge in Verkehr gesetzt wurde.
Tatsächlich haben die Tatrichter nur zu den Fakten I. 1. bis 4. und 19. im Urteilsspruch den jeweiligen Gehalt an reinem Kokain aufgrund der hiezu durchgeführten Untersuchungen festgestellt. Zu den weiteren Taten haben sie (im Rahmen der Beweiswürdigung) ausgeführt: „Aufgrund der festgestellten verkauften Mengen und der schwankenden Qualität, die sich, soweit Suchtgift sichergestellt wurde, zwischen 15 und 50 % Reinheitsgehalt bewegte, ist die große Menge jedenfalls um ein Vielfaches überschritten" (US 23). In der rechtlichen Beurteilung sind sie schließlich davon ausgegangen, dass die Grenzmenge von 15 g Reinsubstanz „im gegenständlichen Fall um ein Mehrfaches überschritten" wurde (US 23 unten).
Das Erstgericht ist somit bei den Schuldsprüchen 5. - 18. lediglich von einer „schwankenden Qualität" ausgegangen, ohne diese auch nur annähernd zu quantifizieren. Da die Fakten 1. - 4. und 19. nur geringe Mengen (3,04 g Reinsubstanz) betreffen, ist nicht einmal das Inverkehrsetzen einer insgesamt großen Menge ausreichend begründet, schon gar nicht, dass diese „vielfach" oder „mehrfach" überschritten wurde.
Demnach ist das angefochtene Urteil zum Schuldspruch I. mangelhaft begründet (Z 5 vierter Fall), was eine Wiederholung des Verfahrens in erster Instanz erfordert. Demzufolge war auch der Schuldspruch II. zu kassieren, weil im Fall der Erledigung des Anklagevorwurfs wegen Verbrechens auf andere Weise als durch Schuldspruch allenfalls die Voraussetzungen nach §§ 35, 37 SMG zu prüfen wären (vgl RIS-Justiz RS0119278).
Bleibt anzumerken, dass auch der unter § 281 Abs 1 Z 11 StPO (der Sache nach Z 10 - 13 Os 88/02) erhobene Einwand richtig ist, das Erstgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der Angeklagte selbst an ein Suchtmittel gewöhnt ist (vgl Schuldspruch II.) und nach seiner Verantwortung (S 433/III) die Taten begangen hat, um seine eigene Sucht zu finanzieren. Bei Annahme dieser Voraussetzungen wäre er aber nur nach § 28 Abs 2 SMG zu bestrafen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Im neuen Verfahren wird das Erstgericht die nach dem Anklagevorwurf von Selman C***** in Verkehr gesetzten Suchtgiftmengen auch mit ihrem Reinheitsgehalt festzustellen, sich mit dessen Suchtgiftkonsum und seiner diesbezüglichen Verantwortung auseinanderzusetzen und sodann den Sachverhalt in objektiver und subjektiver Richtung neu zu beurteilen haben.
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